Auf dieser Facebook-Seite gibt sich der anonyme Betrüger als Göppingens OB Guido Till aus. Quelle: Unbekannt

Göppingens OB Guido Till hat auf der Plattform Facebook einen anonymen Doppelgänger.

Göppingen - Der Göppinger OB Guido Till ist Opfer eines Internet-Betrügers geworden. Eine anonyme Person nutzt ein offizielles Foto von Till und gibt sich als er aus. Der Identitätsklau ist aber nur einer von vielen. Das Landeskriminalamt (LKA) ermittelt immer häufiger wegen gefälschter Profile.

Bis vor zwei Wochen hatte Guido Till eine eher vage Ahnung von der Internet-Plattform Facebook. Das änderte sich Anfang Juni schlagartig: Till war mit einer offiziellen Delegation im Bus unterwegs in die französische Partnerstadt Pessac, als ihn Stadtrat Jan Tielesch auf seinen Facebook-Eintrag ansprach. Till war irritiert: Er hatte das offizielle Foto von sich am Schreibtisch nicht ins Netz gestellt und damit auch niemanden beauftragt. Nächstes Jahr will er sich in Göppingen zur Wiederwahl stellen. Der Unbekannte könnte ihm dann erheblich schaden.

Doppelgänger mit 184 Freunden

Till reagierte auf den Doppelgänger auf seine Art: Am 6. Juni meldete er sich selbst bei Facebook an, um dem Kontrahenten paroli zu bieten. Bewusst wählte er einen sehr privaten Auftritt in Freizeitkluft und mit Infos über seinen Hund. Seine Mitarbeiterin versuchte derweil, bei Facebook den Auftritt des Doppelgängers löschen zu lassen. Bisher vergebens. Facebook habe nicht reagiert, weder in Deutschland, noch in den USA, sagt Neumann. So ist der Betrüger noch präsent. „Kurzfristig war er in der 23. Kalenderwoche nicht erreichbar“, so Neumann. Seit 13. Juni sei er wieder online.

Tills Doppelgänger hat die Zeit genutzt und hat es bis Anfang der Woche bereits auf 184 Freunde gebracht. So viele Menschen haben ihm abgenommen, er sei Göppingens Stadtoberhaupt und haben ihm ihr gesamtes Profil anvertraut – private Fotos, Daten, Hobbys, Aktivitäten. Die Bezirksbeirätin Antje Spoddig-de Boer ist eine von ihnen. Sie und ihre 14-jährige Tochter haben das Freundschaftsangebot Tills per Mouseklick angenommen. Mulmig ist ihr bisher nicht: „Interessant ist jetzt doch, was macht der?“

Bisher habe der Anonymus keine Einträge ins Netz gestellt, aber fleißig Freunde gesammelt, vor allem bekannte Persönlichkeiten und Politiker aus Göppingen. Das ärgert Till am meisten: „Ich schätze Facebook als zeitgemäßes Kommunikationssystem. Es darf damit aber kein Schindluder getrieben werden. Es macht mir Sorgen, dass jemand Vertrauen missbraucht, das die Menschen mir gegenüber als Amtsperson haben.“

Mobbing-Opfer in den Suizid getrieben

Den Unbekannten über das Foto zu entlarven, ist unmöglich: Es wurde im November 2010 aufgenommen und von Till nicht nur für die Presse freigegeben, sondern auch an Vereine verschickt, die etwa um ein Grußwort angefragt hatten. So hatten relativ viele Menschen Zugriff darauf. Inzwischen ermittelt die Kripo in der Sache und prüft, ob sich der Doppelgänger strafbar gemacht hat.

Davon geht der Geschäftsführer der polizeilichen Prävention der Länder und des Bundes, Andreas Mayer, aus. Schon die Nutzung des Fotos sei eine Straftat. „Identitätsdiebstahl ist strafbar, wenn ein fremdes Foto veröffentlicht wird, auch wenn es sich um eine Person des öffentlichen Lebens handelt“, sagt Mayer. Lediglich Personen der Zeitgeschichte seien von dieser Regelung ausgenommen. Strafbar gemacht haben könnte sich der Doppelgänger außerdem wegen Titelmissbrauchs. Die Kripo prüft außerdem, ob der Tatbestand der Beleidigung, der üblen Nachrede oder der Verleumdung vorliegt. „Da ist man sehr schnell im strafrechtlichen Bereich“, weiß der Experte.

Mobbing-Opfer in den Suizid getrieben

Dass falsche Profile erstellt werden, sei „relativ häufig“ der Fall, sagt Andreas Mayer vom LKA, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Auch die Verbraucherzentrale wird immer mehr von Geschädigten konsultiert. „Uns erreichen regelmäßig Anfragen zu Identitätsdiebstahl“, bestätigt Christian Goller, Jurist der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Zuständig sei man aber nicht: „Das sind in alle Regel Fälle für Polizei und Strafgerichte.“ Auch dort fließen die Anfragen nicht in eine Statistik ein.

Sollte die Kripo feststellen, dass Guido Tills Fälschung, im Fachjargon Fake genannt, strafrechtlich belangt werden muss, können dessen Daten über Facebook festgestellt werden. Er müsse dann vermutlich mit einer Geldstrafe rechnen, sagt Andreas Mayer. Es gibt aber wesentlich dreistere Täter, die ihre Opfer zur Verzweiflung bringen. Cyber-Mobbing heißt das Stichwort. Die Täter verbreiten anonym Unwahrheiten etwa über Mitschüler, die dann auch real gemobbt oder ausgelacht werden. Auch gab es Fotomontagen, bei denen Köpfe auf Porno-Bilder montiert wurden oder Personen zusammengebastelt werden, die nicht zusammen waren.

Einige Opfer sollen so beschämt gewesen sein, dass sie sich zum Suizid entschlossen. Doch auch wesentlich harmlosere Einträge können bei der Karriere schaden. Antje Spoddig-de Boer sagt, sie sei vor allem deshalb bei Facebook, um zu sehen, mit wem ihre Tochter dort zu tun hat. „Die ist jetzt in der achten Klasse und denkt bestimmt nicht daran, dass manches ihr später bei Bewerbungen schaden kann.“ Seit Montag ist der OB in Göppingen aber nicht mehr allein mit seinem Problem: Auch Helge Thiele, Redakteur der Neuen Württembergischen Zeitung/Göppinger Kreisnachrichten, taucht jetzt ungewollt in Facebook auf. Er will das keinesfalls hinnehmen und sich auch nicht bei Facebook anmelden. Sein Arbeitgeber prüft jetzt rechtliche Schritte. Thiele: „Das Internet ist zweifellos eine große Errungenschaft, aber leider auch eine Plattform für feige Menschen.“