Dem Kastanienbaum macht die Miniermotte zu schaffen. Foto: StN

Gärtner haben noch kein Kraut gegen Insekt gefunden – Waldschützer setzen auf Laubsammelaktionen.

Stuttgart - Die Gärtner von Stadt und Land runzeln sorgenvoll die Stirn, wenn sie in die mächtigen Kronen der rund 5000 Kastanien in den öffentlichen Anlagen blicken. Schon jetzt werden die Blätter der Bäume am Rand braun und schrumpeln. „Statt erst im August fällt die Miniermotte schon jetzt über die Kastanien her“, stellt Anja Neupert vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt der Stadt traurig fest.

Der Bösewicht, der in Stuttgart bis zu 25 Meter hohen und bis zu 150 Jahre alten Baumriesen den Lebenssaft aussaugt, ist nur fünf Millimeter groß und hat eine Gesamtlebensdauer von etwa vier Wochen. Das Weibchen legt seine Eier auf den Blättern ab. Die Larven fressen sich in die Blätter und ernähren sich erst vom Pflanzensaft, dann vom ganzen Blatt. Die Blätter werden braun und fallen ab. Durch die Fressattacke wird der gesamte Baum geschwächt und dadurch leichte Beute für Pilzkrankheiten. Außerdem macht ihm Trockenheit sehr viel mehr zu schaffen. „Trotzdem hat die Motte bisher noch keine Kastanie so geschädigt, dass wir sie fällen mussten“, so Neupert. Und ihr Kollege Clemens Hartmann, als Wilhelma-Baumexperte für die Kastanien des Landes zuständig, hat auch noch keine wegen Motten gefallene Kastanien zu beklagen.

In diesem Jahr sagt allerdings ein besonders schlüpfstarker Jahrgang den Kastanien den Kampf an. Dass es früh warm war und immer wieder feucht ist, löst bei den Miniermotten wie bei allen Insekten eine Art Babyboom aus. Außerdem hat die Miniermotte eine besondere Überlebensstrategie: Die Puppen, die mit dem Laub auf die Erde fallen, entwickeln sich erst weiter, wenn die klimatischen Bedingungen so sind, dass die fertigen Motten auf ein langes glückliches Mottenleben hoffen dürfen.

Im Kampf gegen die Miniermotte haben die Experten kaum effektive Waffen. Giftige Pflanzenschutzmittel dürfen in öffentlichen Anlagen nicht eingesetzt werden, weil der Schuss nach hinten losgehen und andere Tiere und auch Menschen geschädigt werden könnten.

Auch das nächste Manöver gegen die Motte schlug fehl

Vor etwa drei Jahren haben die Stadtgärtner natürliche Feinde der bösen Motte als Verbündete gesucht. Um Meisen anzulocken, wurden entlang der Haußmannstraße rund 30 Nistkästen in die Kastanien gehängt. Das Ergebnis: „Den Meisen gefällt das Wohnangebot dort, aber gegen die Motten konnten sie nichts ausrichten“, stellt Neupert schulterzuckend fest.

Auch das nächste Manöver gegen die Motte schlug fehl. Weil festgestellt wurde, dass nur die weiß-, nicht aber die rotblühenden Kastanien Angriffsziel der Motteninvasion sind, haben die Stadtgärtner einige befallene Bäume mit Silizium gedüngt. Sie vermuteten, dass die roten Kastanien verschont würden, weil deren Blätter einen höheren Gehalt an Silizium haben und deshalb bissfester sind. Doch die Miniermotten legten weiter ihre Eier. Die Gärtner gaben auf.

„Als einzige Maßnahme sammeln wir im Herbst das Laub ein und fahren es in die Kompostieranlage“, sagt Neupert. Auch die Wilhelma-Gärtner sehen im Laubsammeln die einzige Chance, die Motte in Schach zu halten. „Dort, wo wir das Laub pingelig wegmachen, sind die Blätter noch schön grün. An Standorten, wo wir wegen des Gebüschs nicht rankommen, wird es braun“, sagt Hartmann. Das Laub muss unbedingt in der Verbrennungsanlage vernichtet werden oder in eine großen Kompostieranlage kommen. „Nur in großen Anlagen wird’s so heiß, dass die Puppen absterben“, sagt Neupert und rät allen Hobbygärtnern, Kastanienlaub in der grauen Tonne zu entsorgen. Für wirksam im Kampf gegen die Miniermotte hält sie die Beteiligung von Schulen. In anderen Städten hätten Sammelaktionen von Schülern einiges gebracht.

„In Freiburg gibt es im Herbst Sammelaktionen, bei denen die Bürger mitmachen“

Beim baden-württembergischen Landesverband Schutzgemeinschaft Deutscher Wald rennt Neupert mit ihrem Vorschlag offene Türen ein. Seit einigen Jahren fahren die Waldschützer mit ihrem Waldmobil durch Baden-Württemberg und sammeln mit Kindergartenkindern und Schülern Laub. In Stuttgart ist es allerdings bei einer Aktion im Jahr 2009 geblieben. Damals sind die Waldschützer mit Schülern aus Laichingen in der Landeshauptstadt angerückt und haben im Schlossgarten zwischen Oper und Theater Laub in Abfallsäcken gepackt, die von Wilhelma-Mitarbeitern entsorgt worden sind. „In Freiburg gibt es im Herbst Sammelaktionen, bei denen die Bürger mitmachen“, stellt Nicole Fürmann vom Landesverband fest und hofft, dass sich auch in Stuttgart Kindergärten und Schulen finden, die gegen die Miniermotte zu Felde ziehen.

Infos bei der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Baden-Württemberg, Telefon. 07 11 / 61 60 32.