Barbara Drescher vom Büro für Landschafsökologie zeigt, dass entlang der Industriegleise an der Steiermärker Straße Pflanzen gedeihen, die früher am Neckar vorkamen. Foto: Georg Friedel

Das Amt für Umweltschutz hat zu einer naturkundlichen Exkursion auf das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs in Feuerbach eingeladen. „Ein Hauch von Mittelmeer“ lautete das Motto der Entdeckungstour entlang der Gleise und Bahndämme.

Feuerbach - Pflanzen vom Mittelmeer, aus Nordamerika, Südafrika oder Kanada, dazu Eidechsen und eine besonders geschützte Heuschreckenart. Sie alle gedeihen und leben in Feuerbach an Plätzen, wo der Laie sie nicht vermuten würde: Zwischen Industrie, Bahnanlagen und viel befahrenen Straßen. Am Samstag sind zehn Bürger zu einer zweieinhalbstündigen Exkursion am Bahnhof Feuerbach aufgebrochen. „Ein Hauch von Mittelmeer in Stuttgart“, so lautete der Titel der Entdeckungstour. Die Landschaftsplanerin Barbara Drescher und die Biologin Jutta Geismar vom Amt für Umweltschutz leiteten die Tour zum Tag der Artenvielfalt.

Exotische Pflanzen zwischen den Bahngleisen

Der blaue Natternkopf reckt sonst eher an steinigen Wegrändern seine blauen Blütentrauben in die Höhe. In Feuerbach gedeiht er prächtig zwischen den Industriegleisen am Rande der Steiermärker Straße. „Und das Florentiner Habichtskraut ist früher wild an den Ufern des Neckars vorgekommen“, sagt Barbara Drescher vom Büro für Landschaftsökologie und Planung und zeigt auf einen eher unscheinbaren gelben, kleinen Blütenkelch samt Pflanze, die hier zwischen den rostigen Gleisen auf dem steinigen Boden an der Steiermärker Straße wächst. Das Schmalblättrige Greiskraut, das hier ebenfalls zu finden ist, kommt ursprünglich aus Südafrika. Das Kraut sei Anfang der 1980er Jahre noch als Neuankömmling in der hiesigen Flora willkommen geheißen worden, inzwischen verbreite er sich massenhaft: „Es hat eine absolut überlegene Strategie“, erklärt Drescher. Die Samen lassen sich nach dem Löwenzahn-Prinzip hinaus in die weite Welt tragen: „Der Schirm wird aufgespannt“, erklärt Drescher. Und der Flug kann beginnen: den Rest erledigt der Wind.

Im Biotop auf dem ehemaligen Güterbahnhof leben Eidechsen und Heuschrecken

Auch der Schöne Pippau aus der Familie der Korbblütler hat sich am ehemaligen Güterbahnhof Feuerbach niedergelassen: „Er hat sich auch mit seinen Schirmchen auf die Socken gemacht“, sagt Drescher. Das Trockenbiotop auf dem Güterbahnhof-Gelände zwischen Werner- und Siemensstraße wurde 2007 angelegt. Die 2400 Quadratmeter große Fläche ist unter anderem ein Ausgleich für Bahnbiotope, die beispielsweise im Europaviertel A1 durch die dortige Bebauung von Bahnflächen weggefallen sind. Schotter, lavaartige Steinchen und spezieller Sand bilden die Grundlage des Bahnbiotops: In der Mitte befindet sich feinkörniger Sand von den Rheinauen: „Darin kann die Blauflügelige Sandschrecke ihre Eier ablegen“, erklärt die Biologin Jutta Geismar, die seit zwei Jahren in der unteren Naturschutzbehörde beim Amt für Umweltschutz arbeitet. Vor neun Jahren habe man 50 Exemplare der Sandschrecke hier ausgesetzt. Geismar hat ein Foto dabei, denn von den scheuen Bewohner zeigt sich keiner. Ebenso ging es den Teilnehmern mit den Eidechsen, die hier ihr Zuhause haben sollen.

Auch einige gefährdete Pflanzenarten beherbergt das Biotop – wie zum Beispiel den Binsen-Knorpellattich, der vom Abstellbahnhof Stuttgart hierher verfrachtet wurde, weil er den dortigen Baumaßnahmen für die Innenreinigungsanlage zum Opfer gefallen ist: Drescher betonte aber auch, dass solche „hochgradig künstlich geschaffen Ersatzflächen“ wie am Feuerbacher Güterbahnhof keinesfalls ein Ersatz für die verloren gegangenen Kies- und Schotterbänke am Neckar oder auch für andere weggefallenen Lebensräume der Pflanzen und Tiere seien: „Was sie hier sehen, sind die Überlebenden von Flucht und Vertreibung. Im Prinzip ist das hier wie eine kleine Arche Noah“, erklärte die Landschaftsökologin den Exkursionsteilnehmern am Ende. „Wir müssen auch am Neckarufer Steinbrüche als Biotope erhalten.“ Die Felswand im Friedhof Zuffenhausen empfahl Drescher den Teilnehmern ebenfalls für eine kleine Exkursion.