Herren-Maßschneider-Meister Ünal Uludag ist bei Hugo Boss ein sogenannter VIP-Spezialist und leitet die Made-to-Measure-Abteilung im vierten Stock Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

In der Stuttgarter Innenstadt wächst das Angebot der exklusiven Ausstatter. Hugo Boss bietet neuerdings eine Maßschneiderei an.

Stuttgart-Mitte - Stuttgart wird immer feiner. Zumindest die Herren scheinen immer mehr wert auf Exklusivität zu legen. Ganz gleich, ob bei Schuhen, Hemden oder Anzügen. Die Sehnsucht nach Individualität wächst – und damit die Ausweitung der Luxuszone in der Stadt.

Maßarbeit ist das Maß aller Dinge. So kann sich Meister Jaekel an der Neckarstraße kaum vor Aufträgen für Maßschuhe retten. Bei Breuninger läuft das Geschäft der Maßschneiderei seit langem sehr gut. Und nun bereichern noch zwei Maßschneidereien die Innenstadt. Zum einen der ehemalige Breuninger-Schneider Andreas Hildebrand, der sich an der Schützenstraße niedergelassen hat. Zum anderen ein Ableger aus Metzingen: Hugo Boss.

Bei Boss auf der Königstraße eröffnet sich seit Donnerstagabend eine neue Modewelt: Die Metzinger haben den vierten Stock ihres Ladens zu einer noblen Suite ausgebaut. Dort, im Gebäude des früheren Modehauses Fischer, legt der Herren-Maßschneider-Meister Ünal Uludag nach Terminvereinbarung Hand an.

Es wird nach Maß gearbeitet

Sein Credo lautet: „Der Mensch ist mehr als die Summe von Zahlen.“ Mit einem ausgeklügelten System, das den Körper vermisst, erarbeitet der Meister mit Technik, Intuition und Erfahrung einen perfekt sitzenden Anzug. Ünal, der aus Schwäbisch Gmünd stammt, sagt über sich und seinen Arbeitgeber: „Mode können wir schon lange, aber jetzt bieten wir auch Handwerkskunst an.“

Im Schneiderhandwerk wird dies Kunst, die Boss nun anbietet, als „Made to Measure“ bezeichnet. Soll heißen: Es wird nach Maß gearbeitet. Allerdings werden dabei auch vorgefertigte Teile verwendet – und nicht alles ist reine Handarbeit. „Knopflöcher, die per Hand 20 Minuten Arbeitszeit beanspruchen, werden maschinell genäht“, sagt Ünal Uludag. Der Unterschied zu einem komplett gefertigten Maßanzug sei aber nicht zu sehen, meint er: „Unsere Anzüge sind zu 99,9 Prozent perfekt.“ Aber unter Umständen preiswerter und schneller gemacht. Damit meint er nicht nur den vierwöchigen Herstellungsprozess in der Metzinger Schneiderei – umgerechnet sind es 150 Nähminuten. Es geht ihm um die Zeitersparnis bei der Vermessung und Anprobe. Bei einem Anzug in Feinmaß muss der Kunde etwa zweimal zur Anprobe kommen. Das fällt beim Made-to-Measure-Anzug weg. „Dennoch ist das Ergebnis einzigartig und perfekt“, sagt Uludag.

Diese Exklusivität hat ihren Preis. Von 1700 Euro aufwärts muss Mann für ein feines Tuch hinlegen. Im Schnitt bewegt sich der Preis um die 3000er-Marke. Doch je nach Stoffqualität oder Modell kann man leicht mehr als das Doppelte investieren. Auch bei Breuninger beginnt die Preisliste für maßgeschneiderte Anzüge bei etwa 3200 Euro. „Heutzutage will kein Premiumanbieter mehr auf so ein Maßangebot verzichten“, sagt der Boss-Sprecher Roman Schäfer. Für alle geht es dabei wahrscheinlich weniger darum Geld zu verdienen. Wichtiger ist, mit dem Maßprodukt eine Geschichte zu erzählen. Und noch wichtiger wird, dass sich der Kunde in dieser scheinbar einmaligen Geschichte wiederfindet. Und sei es nur durch die eingestickten Initialen in den Hemden oder in seidenen Krawatten samt Einstecktüchern.

Zur Marketing-Strategie passt der gesamte Service

Zu dieser Marketing-Strategie, die Exklusivität verspricht, passt der gesamte Service, den Boss rund um die Schneiderei aufbaut. Daher reden Modemacher aus Metzingen auch nicht von guter alter Handwerkskunst. Sie stellen den Eröffnungsabend ihrer Maß-Lounge über den Dächern von Stuttgart unter das Motto „Craftsmanship“. Das englische Wort bedeutet nichts anderes als Handwerk.

Daher ist den Herrenschneidern allein die exakte Näherei zu wenig. Die Geschichte bekommt durch einen Concierge-Service ihren besonderen Klang. Darin enthalten sind unter andrem ein Fahrdienst, Verköstigung beim dreistündigen Vermessungstermin sowie ein Angebot für Hotel- oder Restaurantreservierungen. „Notfalls kommen wir sogar zur Vermessung zum Kunden nach Hause“, sagt Boss-Sprecher Roman Schäfer.

Womit die Ausweitung der Luxuszone selbst die Grenzen der Innenstadt sprengt.