Touristen an Salvador Dalís Gruft im katalanischen Figueres. Foto: AFP

Im katalanischen Figueres wurde für einen Vaterschaftstest der Leichnam von Salvador Dalí exhumiert. Nach 30 Jahren in der Gruft ist noch ziemlich intakt. Dem Surrealisten hätte die surreale Situation gefallen.

Madrid - „Der Schnurrbart hat noch seine klassische zehn-nach-zehn-Stellung bewahrt“, berichtete Lluís Peñuelas am Morgen, „das festzustellen, war ein sehr bewegender Moment.“ Der Schnurrbart von Salvador Dalí ist noch der alte. 28 Jahre nach dem Tod des Malers ragen seine Spitzen nach links und rechts oben in die Höhe wie die Zeiger einer Uhr um zehn nach zehn. Lluís Peñuelas, Sekretär der Stiftung „Gala Salvador Dalí“, war einer der wenigen, die in der Nacht zum Freitag einen Blick auf den Leichnam des Meisters werfen konnten. Der war für ein paar Stunden aus seinem Grab im katalanischen Figueres geholt worden, um Material für einen Vaterschaftstest zu gewinnen. Ein surreales Abenteuer, wie es Dalí gefallen haben könnte.

Eine Richterin in Madrid hatte die Exhumierung angeordnet, weil eine Frau aus Girona, nicht weit von Figueres, davon überzeugt ist, die Tochter Dalís zu sein. Sie heißt Pilar Abel, ist 61 Jahre alt und hätte das Zeug zur Romanfigur. Das findet sie selbst: Vor zwölf Jahren verklagte sie den Schriftsteller Javier Cercas, der mit „Soldaten von Salamis“ kurz zuvor einen der meistverkauften spanischen Romane der jüngeren Zeit geschrieben hatte. Abel glaubte sich in einer der Figuren wiederzuerkennen: einer blondgefärbten Wahrsagerin, die Anrufern im Fernsehen die Karten legt. So wie sie selbst es acht Jahre lang tat. Sie forderte 600 000 Euro von Cercas, weil sie sich nicht gut getroffen fand. Die Klage wurde abgewiesen. Jetzt versucht sie es als Dalí-Tochter.

Kaum einer glaubt, dass der scheue Dalí, ein heimliches Kind hatte

Es sei ihre Großmutter gewesen, die bei ihr zum ersten Mal Zweifel an ihrer Herkunft geweckt habe, erzählte Abel, als sie vor zwei Jahren die Vaterschaftsklage einreichte. „Ich weiß, dass du nicht die Tochter meines Sohnes bist, sondern die eines großen Malers, aber ich liebe dich genauso“, soll die Großmutter gesagt haben. Später habe ihre Mutter die Zweifel bestärkt. Ihr leiblicher Vater sei Dalí, sie habe ihn in Port-Lligat kennen gelernt, Dalís langjährigem Wohnort, wo sie bei einer Familie die Kinder hütete. „Die Freundschaft wandelte sich zu einer Liebe in Heimlichkeit“, steht in der Klageschrift. Abel glaubt, Frucht dieser Liebe zu sein. Die Exhumierung der Leiche Dalís soll Klarheit schaffen.

Außer Abel glauben nur wenige, dass der kinderlose Dalí doch ein heimliches Kind hatte. „Gelang es Dalí, einen Tropfen seines göttlichen Spermas im Bauch einer Frau zu hinterlegen und sei es auch nur ein einziges Mal?”, fragt spöttisch dessen Biograf Ian Gibson. „Es ist möglich, auch wenn ich es stark bezweifele.“ Gibson hat gute Zeugen dafür, dass Dalí wahrscheinlich schwul war, zugleich schüchtern und komplexbeladen „wegen der Größe seines Penis“. Er ließ sich nur ungern berühren und zog die Rolle des Voyeurs und Masturbators vor.

In ein paar Wochen kommen die Proben zurück in den Sarg

Letzte Zweifel können nach der nächtlichen Exhumierung wohl bald ausgeräumt werden. Gerichtsmediziner entnahmen dem einbalsamierten Leichnam Haar, Fingernägel, Zähne und „zwei lange Knochen“, berichtete Lluís Peñuelas am Freitagmorgen. Material genug, um dessen DNA mit dem von Pilar Abel zu vergleichen. Das soll ein paar Wochen dauern, dann kommt wieder alles zurück in den Sarg.

Sollte sich die Vaterschaft Dalís nicht bestätigen, erwägt die Stiftung „Gala Salvador Dalí“, Senora Abel wegen Störung der Totenruhe anzuzeigen. Schließlich hätte sie mit einem einfachen Gen-Abgleich zwischen ihr und ihren Geschwistern alle Zweifel an ihrer Herkunft bestätigen können, ohne gleich den Maler aus seinem Grab zu holen. Nur hätte dann niemand gewusst, dass sein Schnurrbart noch immer auf zehn nach zehn steht.