Schnell, souverän und fair: Ex-Schiedsrichter Markus Merk transportiert wichtige Werte aus der Welt des Leistungssports in die Führungsetagen der Unternehmen. Foto: dpa

Führungskräfte sollen Spitzenleistungen bringen. Und fair und verantwortlich wie Leistungssportler handeln. Markus Merk, Ex-Fifa-Schiedsrichter, gibt seine Erfahrungen aus dem Spitzensport an Top-Manager weiter.

Stuttgart -

Herr Merk, Sie coachen seit Jahren Manager und Führungskräfte. Was ist Ihnen dabei besonders aufgefallen?
Es gibt ein hohes Maß an Leistungs-, Fortbildungs- und Wissensbereitschaft, verbunden mit einer großen Kompetenz. Insbesondere finde ich diese bei jüngeren Führungskräften vor. Allerdings stelle ich auch immer wieder fest, dass diese Motivation oft verloren geht, wenn ihnen gewünschte Verantwortung nicht übertragen wird, wenn sie ausgebremst werden.
Wie würden Sie die Führungskultur in Deutschland beschreiben?
Für mich gibt es nicht die Führungskultur. Als Führungsspieler muss ich immer bereit sein, das Spiel neu zu lesen, mich permanent mit An- und Herausforderungen auseinanderzusetzen. Sehr oft werde ich im Management mit möglichen Hierarchieformen konfrontiert. Im Fußball sehen wir, dass ein Messi noch keinen Weltmeister macht, aber ohne große Individualisten und Führungsspieler sind die höchsten Ziele auch nicht zu erreichen.
Wo sehen Sie Defizite?
In vielen Unternehmen und bei vielen Führungskräften fehlt es noch immer an Handlungsschnelligkeit. Schnelle Entscheidungen wirken auf das Umfeld überraschender und somit überzeugender. Auf Zeit spielen rächt sich sehr oft in der Dynamik unserer Gesellschaft und der Konkurrenzsituation. Zweitens fehlt es oft an einer zielorientierten Anpassung der Entscheidungen und persönlicher Flexibilität.
Was raten Sie Menschen, die beruflichen Erfolg suchen?
Erst mal was Einfaches: eine Orientierung an den persönlichen Basiswerten. Nur wer Begeisterung, Identifikation, Mut, Verantwortung und Wille in sein Entscheidungsumfeld einbringt und immer wieder überprüft, wird in seiner Führungsposition erfolgreich und akzeptiert sein. Konsequentes, nachvollziehbares Handeln in Sachentscheidungen, gepaart mit loyalem Umgang, führt mittel- und langfristig zu Berechenbarkeit und Handschrift.
Welche Fehler sollten tunlichst vermieden werden?
Natürlich darf ich mir bei Schwarz-Weiß-Entscheidungen keine Fehler und Regelverstöße erlauben – dann bin ich unmittelbar angreifbar. In der Grauzone der Entscheidungen darf ich aber auch mal am Tor vorbeischießen. Der größte Fehler ist aber, nicht zu seinem Fehler zu stehen oder ihn auszusitzen.
Was unterscheidet Leistungssportler von Managern und Führungskräften?
Ein gravierender Unterschied besteht darin, dass Manager und Führungskräfte in ihrem Tun und Handeln eine viel größere Verantwortung für Unternehmen und Mitarbeiter haben. Der wirtschaftliche Erfolg ist eng mit ihnen verbunden, die individuell soziale Verantwortung ist groß. Sportler handeln meist eigenverantwortlich, selbst in Mannschaftssportarten erleben wir heutzutage kleine „Ich-AGs“.
Welche Eigenschaften können Manager von Sportlern übernehmen?
Das ist positiver Umgang mit Druck und auch zielorientiertes Handeln. Oder „Gut sein, wenn es darauf ankommt“. Es genügt eben nicht, nur leistungsfähig zu sein, sondern die Kompetenz muss auch punktgenau abgerufen werden. Man kann zu einem Spieler wie Cristiano Ronaldo stehen, wie man will, aber er verkörpert diese Eigenschaften aktuell in höchstem Maß. Aber auch in allen anderen Sportarten gibt es unzählige Beispiele, im positiven wie im negativen Sinne.
Warum sind gerade diese Eigenschaften so wichtig?
Es sind eben nicht nur diese, denn es gibt keine Patentrezepte für das sichere Entscheiden. Es bedingt eine Kausalkette von Leistungsfaktoren, um ein kompletter Athlet im Sport und im Management zu werden.
Wie unterscheiden sich Manager und Sportler beim Umgang mit dem Thema Stress?
Sportler haben den Vorteil, dass mit dem Anpfiff, dem Startschuss, ihre Leistung abverlangt wird. Bei Managern stelle ich immer wieder fest, dass sie ihre Entscheidungen vor sich herschieben. Dies erzeugt negativen Stress und Zweifel. Wenn es aber gelingt, den Druck positiv in Motivation umzuwandeln, dann werde ich erfolgreicher und meinem Umfeld souveräner erscheinen.
Im Fußball wird Wert auf Fair Play gelegt. Welche Rolle spielt dieser Gedanke im Berufsleben?
Ein werteorientiertes Miteinander sollte immer an oberster Stelle stehen. Schwalben und Blutgrätschen haben nicht nur im Berufsleben, sondern insgesamt in unserer Gesellschaft nichts verloren. Leider gibt es immer wieder Beispiele, die mit solch einer Handlungsweise Erfolg haben, meistens gottlob nur kurzfristig. In den Werten Fair Play und Gerechtigkeit stecken viel Interpretation und Subjektivität. Alles richtig zu machen ist unmöglich, gerecht zu sein noch mehr. Aber der Wille dazu, der muss in jeder Situation bei deinem Tun und Handeln erkennbar sein.
Und zum Schluss – warum ist denn Sport für einen Manager wichtig – abgesehen von den gesundheitlichen Aspekten?
Eine gute Gesamtkonstitution macht uns für die täglichen Aufgaben belastbarer. Es ist immens wichtig, einen Ausgleich zu den Belastungen des Alltags zu finden, neue Energiequellen zu erschließen. Wichtig ist mir aber auch zu erwähnen, dass es nicht jedem körperlich gegeben ist, aktiven Sport zu betreiben. Seinen Ausgleich kann man durchaus auch in gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Beschäftigungen finden. Wichtig ist aber auch hier das Tun und nicht, den Faktor Zeit vorzuschieben. Sei stärker als dein innerer Schweinehund!