Zurück zum gebeugten Gang: Die Evolution vom Affen zum Büromenschen Foto: Stenzel/Fotolia

Stammt der Mensch vom Affen ab? Für Anhänger der Evolutionslehre ist das keine Frage - alles eine Sache der biologischen Entwicklung. Doch für Kreationisten hat Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen. Was stimmt?

Stuttgart - Die ersten Ur-Menschen lebten vor mehreren Millionen Jahren. Andere Ahnen von uns entwickelten sich zu den heutigen Menschenaffen. „Der Mensch stammt tatsächlich von Affen ab. Aber nicht von heute lebenden Affen, sondern von Affen, die unsere gemeinsame Vorfahren sind“, erklärt Bärbel Auffermann, stellvertretende Direktorin des Neanderthal Museums (www.neanderthal.de) im nordrhein-westfälischen Mettmann bei Düsseldorf.

Früher dachte man, Gott hätte den Menschen in nur einem einzigen Tag erschaffen und Adam und Eva seien die Stammeltern der gesamten Menschheit. Heute wissen wir, dass unsere Vorfahren ganz anders aussahen als wir heute. Sie waren am ganzen Körper dicht behaart, hatten eine breiten Mund und wulstige Knochen über den Augen. Bis zum heutigen Menschen war es ein sehr langer Entwicklungsweg.

Evolution – die Entwicklung des Lebens

Vor rund sieben Millionen Jahren verzweigte sich der Stammbaum von Mensch und Affen. Damals gab es noch keinen Ur-Menschen, aber schon Lebewesen, die den heutigen Menschen und Affen ähnlich waren. Ein paar Vertreter dieser Art entwickelten sich und wurden nach und nach zum Menschen. Sie fingen an, aufrecht zu gehen und konnten ihre Hände frei bewegen. Später begannen sie Werkzeuge und Waffen für die Jagd zu basteln. Experten nennen diese Entwicklung von Leben Evolution.

Evolution (vom Lateinischen Verb „evolvere“ – entwickeln) meint die allmähliche Veränderung von vererbbaren Merkmalen einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation. Diese Merkmale sind in Form von Genen festgelegt (sogenannter genetischer Code), die bei der Fortpflanzung kopiert und an den Nachwuchs weitergegeben werden.

Durch Mutationen – dass heißt, dauerhafte Veränderungen des Erbgutes – entstehen unterschiedliche Varianten dieser Gene (auch Allele genannt) Die genetischen Varianten wiederum können veränderte oder ganz neue Merkmale verursachen. Die Varianten sowie Rekombinationen – darunter versteht man die Neuanordnung von genetischem Material wie DNA (Desoxyribonukleinsäure oder DNS, englisch für Deoxyribonucleic acid) und RNS (Ribonukleinsäure oder RNA, englisch für Ribonucleic acid) – führen zu erblich bedingten Unterschieden. Daraus entwickelt sich die genetische Variabilität und Vielfalt zwischen Individuen.

„Evolution ist nicht zielgerichtet, sie ist immer Zufall“, betont Archäologin Auffermann. In der Evolutionsgeschichte habe es Lebewesen gegeben, die an eine bestimmte Umwelt besser angepasst gewesen seien und sich deshalb stärker vermehrten als andere, schlechter angepasste, die schließlich ausstarben. „Die Geschichte des Menschen hätte auch ganz anders ausgehen können und vielleicht geht sie ja auch noch anders aus – in der Zukunft.“

Stammbusch statt Stammbaum

„Wir sprechen heute nicht mehr vom ‚Stammbaum‘, sondern vom ‚Stammbusch‘ des Menschen, weil man inzwischen weiß, dass die Entstehungsgeschichte von Affen und Mensch ähnlich verzweigt ist wie ein Busch.“ Irgendwann hätten sich die Ur-Affen dauerhaft auf zwei Beinen aufgerichtet. „Das sich das so entwickelte, hat mit Anpassungen an veränderte Umweltbedingungen zu tun. So funktioniert Evolution: Lebewesen passen sich an veränderte Klima- und Lebensbedingungen an.“

Möglicherweise habe sich vor einigen Millionen Jahren der Urwald gelichtet, so dass die Affen aufrecht Feinde und Wildtiere besser sehen konnten. Irgendwann konnten die zukünftigen Menschen etwas ganz Besonderes: Sprechen. Die Sprache war ganz wichtig für die menschliche Entwicklung. Kein anderes Tier kann reden und sich so genau über Gedanken und Gefühle austauschen wie der Mensch. Bevor die Menschen sprachen, verständigten sie sich wohl mit Gesten und Lauten – ähnlich wie die Affen heute.

Charles Darwin – der Vater der Evolutionslehre

Der Mann, der uns die Augen für die Geheimnisse der Evolution geöffnet hat, war Charles Darwin, ein Theologe und Naturwissenschaftler, der von 1809 bis 1882 in England lebte. Darwin erklärte als erster, wie die unzähligen lebenden und ausgestorbenen Arten auf der Erde entstanden. Mit 22 Jahren ging er auf Reisen und fuhr mit dem Forschungsschiff Beagle fünf Jahre lang um die Welt. Dabei beobachtete er Tiere und sammelte Tausende Pflanzen, Insekten und Knochen. Ihm fiel auf, dass viele Pflanzen und Tiere perfekt an ihre Umwelt angepasst waren.

1859 veröffentlichte er nach zwei Jahrzehnten des Forschens ein Buch, das zu einem der wichtigsten naturwissenschaftlichen Schriften überhaupt wurde: „The Origin of Species“ – „Über die Entstehung der Arten“. In ihm stellte er die Überlegung auf, dass alle Lebewesen auf gemeinsame Vorfahren zurückgehen. Diese veränderten sich im Laufe von Hunderten von Millionen Jahren mehr und mehr, bis sich die verschiedenen Lebewesen herausbildeten. Darwin behauptete darin auch, dass Mensch und Affen einen gemeinsamen Ahnen gehabt haben könnten, von dem aus sie sich in zwei verschiedene evolutionäre Richtungen entwickelt hätten.

Der Mensch – ein spezieller Affe

Im Tierreich gehört der Mensch zur Gruppe der Menschenaffen. Das Erbgut von Mensch und Schimpanse ist zu 98,6 Prozent identisch. Demzufolge ist der Mensch ein etwas klügerer Affe. „Man geht davon aus, dass in 50 Jahren keine Menschenaffen, weder Schimpansen und Bonobos noch Gorillas und Orang-Utans in freier Wildbahn mehr leben werden“, sagt Bärbel Auffermann. „Sie sind massiv vom Aussterben bedroht und werden nur noch im Zoo überleben können.“

Affendame Lucy

Alle frühen Funde von Urmenschen stammen aus Ostafrika. Deshalb glauben Paläoanthropologen, dass die Gattung Homo in Afrika – der Wiege der Menschheit – ihren Ursprung hatte und sich von dort über den gesamten Globus ausbreitete. Diese Hypothese wird auch als „Out-of-Africa-Theorie“ bezeichnet.

Einer der frühesten Vorfahren des Menschen trägt den Namen Lucy. Mit dem Namen wird das 1974 im äthiopischen Afar-Dreieck entdeckte Teilskelett eines weiblichen Individuums der Art „Australopithecus afarensis“ bezeichnet. Lucy war vermutlich etwas größer als ein Meter. Das Fossil wurde benannt nach dem Beatles-Song „Lucy in the Sky with Diamonds“ und auf ein Alter von 3,2 Millionen Jahren datiert.

Als man die Knochenreste von Lucy fand, haben Forscher zum ersten Mal nachweisen können, dass der Ursprung der Menschheit mehr als drei Millionen Jahre zurückliegt. Bärbel Auffermann: „Es sind viele Einzelteile an diesem Skelett erhalten. Sonst findet man nur einzelne Zähne oder einen Armknochen. Lucy war das erste fast vollständige Skelett, das man gefunden hat.“

Der Neandertaler

Auf der Erde lebt heute nur noch eine Art Mensch, zu der wir alle gehören: der „Homo sapiens“ (lateinisch: der weise Mensch). Aber viele Tausend Jahre lang lebte in Europa und im vorderen Teil von Asien eine ganz anderes Exemplar: der Neandertaler. 1856 wurden in einem Tal bei Düsseldorf Knochenreste von ihm gefunden. Sie verraten sehr viel über ihn und seine Lebensweise: Der Neandertaler war sehr kräftig und hatte stärkere Knochen als wir. Er war etwas kleiner, kompakter gebaut und bastelte sich schon Waffen für die Jagd. Vielleicht konnte er sogar sprechen.

Neandertaler und Homo sapiens

Später kam dann auch der „Homo sapiens“ nach Europa und Vorderasien. Einige Tausend Jahre lebten beide Menschentypen in den gleichen Gegenden. Vermutlich begegneten sie sich. Aber was passierte dann? Haben sie miteinander gesprochen, einander bekämpft oder sich vielleicht sogar gepaart? Heute glauben Forscher: Es gab damals tatsächlich gemeinsame Kinder von Neandertalern und modernen Menschen. Sie vermuten sogar, dass die allermeisten Menschen Erbgut von Neandertalern in sich tragen. Die Neandertaler starben vor etwa 30 000 Jahren aus.

„Als 1856 Knochen vom Neandertaler gefunden wurden, glaubten die Menschen noch an die biblische Schöpfungsgeschichte“, erzählt Bärbel Auffermann. „Neandertaler sind uns ein mahnendes Beispiel. Sie waren eine sehr gut an ihrem Lebensraum in Europa angepasste Menschenart. Und doch sind sie ausgestorben, wahrscheinlich aufgrund eines Klimawandels.“

Adam und Eva, Affen und Dinos

Haben Adam und Eva die Dinosaurier gekannt? Für die meisten eine absurde Frage - nicht aber für Kreationisten. Der Kreationismus entstammt dem protestantischen Fundamentalismus, wie er vor allem in den USA verbreitet ist. Er bestreitet die von Darwin entwickelte wissenschaftliche Evolutionstheorie, nach der sich alles Leben auf der Erde ohne höheres Eingreifen in Jahrmilliarden entwickelt hat.

Diese Gruppe bibeltreuer Christen nimmt die Heilige Schrift wortwörtlich. Kreationisten berufen sich auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel und vertreten die Auffassung, dass Gott das Leben vor höchstens 10 000 Jahren in sechs Tagen erschaffen hat. Adam hat allen Tieren – also auch den Dinos – Namen gegeben, und Noah hat sie in seiner Arche vor der Sintflut gerettet (bis auf die Dinosaurier).

In den USA kämpfen christliche Fundamentalisten seit Jahrzehnten gegen die Darwinsche Evolutionslehre. Kreationisten schreiben die Entstehung der Arten einem Schöpfer zu und nicht natürlichen Selektions- und Mutationsprozessen, wie seit Darwins Erkenntnissen wissenschaftliches Allgemeingut ist.

Wer hat recht: Die Bibel oder Darwin?

Aus dem Kreationismus entstand in den 90er Jahren die Theorie des sogenannten Intelligent Designs. Ihre Anhänger streiten nicht ab, dass die Erde Milliarden Jahre alt sein kann und es evolutionäre Prozesse geben könnte. Doch ihrer Überzeugung nach ist das Leben auf der Erde zu komplex, um ohne einen Gott entstanden zu sein.

Auch in Deutschland ist der Kreationismus weit verbreitet. „Wir gehen von 1,3 Millionen Evangelikalen aus, welche die Bibel wörtlich auslegen“, betont Ulrich Kutschera, Evolutionsbiologe am Institut für Biologie an der Universität Kassel. „Vor allem in der evangelikalen Szene ist der Schöpfungsmythos für viele Christen Teil ihrer Weltdeutung geworden“, sagt der Sektenexperte Hansjörg Hemminger. „Es wird ohne Aufgeregtheit angenommen, dass die Bibel Recht und die Naturwissenschaft Unrecht hat. Aber keinesfalls denkt die ganze Bewegung kreationistisch.“

Die Welt ist nicht in sechs Tagen erschaffen worden

„ Die Kreationisten hacken immer darauf herum, dass Darwins Evolutionslehre bloße Theorie ist. Aber das ist nicht das Schlechteste. Am Anfang jeder Wissenschaft steht immer eine Theorie“, meint der Biologe und frühere Berliner Zoodirektor Bernhard Blaszkiewitz. „Wir wissen, dass in der Erdgeschichte eine Entwicklung stattgefunden hat. Die Erklärung dafür muss nicht zwangsläufig materialistisch sein. Denn Gott hat als Schöpfer aller Dinge die Naturgesetze gemacht und damit auch die Mechanismen, die die Evolution ermöglichen.“
 
„Der Kreationismus ist Unfug“, betont Blaszkiewitz. „Wir wissen, wie alt das Universum ist. Und unsere Erkenntnis geht immer weiter. Einige Kreationisten haben die Schwachstellen in der Evolutionstheorie erkannt. Aber der Kreationismus ist mir zu billig. Es gibt einfach gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die man nicht leugnen kann.“ Auch in der Theologie herrsche Einigkeit, dass vieles in der Bibel symbolisch gemeint sei, so der Biologe. „Die Welt ist nicht in sechs Tagen erschaffen worden. Wer das behauptet, macht es sich viel zu einfach.“