Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze Foto: dpa

Die Evangelische Landeskirche verstärkt die Flüchtlingshilfe in Württemberg und in den Herkunftsregionen. In diesem und im nächsten Jahr stellt sie dafür insgesamt 13,4 Millionen Euro bereit

Stuttgart - Das Thema Flüchtlinge zieht sich wie ein roter Faden durch die Frühjahrssynode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. „Wir sind in der einen Welt, das wissen wir. Aber nun kommt uns die Welt mit Krieg, Terror, Mangel und Not näher, als wir es uns je vorstellen konnten“, sagte Landesbischof Frank Otfried July bei der Eröffnung der dreitägigen Veranstaltung in Stuttgart.

Von Partnerkirchen aus vielen Teilen der Welt erhalten die Protestanten in Württemberg derzeit Informationen über Unterdrückung und Verfolgung sowie Bitten um Unterstützung. „Wir sehen hier Kinder ohne Strümpfe und Schuhe, 22 Erwachsene nur in T-Shirt, die Not in Idomeni wird von Tag zu Tag größer. Jeden Tag kommen Tausende Flüchtlinge“, hat beispielsweise Meletios Meletiadis, der evangelische Moderator der kleinen Griechisch-Evangelischen Kirche in Griechenland, im Februar nach Stuttgart geschrieben. Die Kirche mit rund 5000 Mitgliedern unterstützt in Idomeni, an der Grenze zu Mazedonien, Flüchtlinge, so gut es geht – unter anderem mit Lebensmitteln. Weil die Balkanroute mittlerweile geschlossen ist, hat sich die Zahl der Wartenden auf über 15 000 erhöht, etwa 40 Prozent von ihnen sind Kinder. Damit diese weiter Hilfe erhalten, haben die Synodalen in Stuttgart beschlossen, 200 000 Euro zur Verfügung zu stellen.

Viele der Flüchtlinge kommen aus dem Nahen Osten. Dort sei „eine neue Gemeinschaft der Christen ganz verschiedener Herkunft entstanden, die „unter der Bedrückung von Terror, Krieg und Verfolgung“ litten, sagte July am Freitag. Ihr Leiden dürfe nicht einfach zur Seite geschoben werden. Ebenso wenig wie das Leid derer, „die in unserem land Zuflucht und Schutz suchen“.

Kirche erhöht Unterstützung

Die Evangelische wie auch die Katholische Kirche in Deutschland sind wichtiger Partner in der Flüchtlingsarbeit. 60 Mitarbeiter der Diakonie in Württemberg sind beispielsweise in Landeserstaufnahmestellen oder für die Betreuung von minderjährigen Flüchtlingen eingesetzt, Tausende Ehrenamtliche unterstützen Neuankömmlinge bei Behördengängen, beim Deutschlernen und bei anderen Aufgaben. „Eine Kirche, die sich nicht der Not des Nächsten zuwendet. ist nicht mehr Kirche Jesu Christi in der Welt“, erklärte July. Kritische Fragen müssten angesprochen werden und dürften nicht denen überlassen werden, „die daraus nur politisches Kapital schlagen wollen“. Die europäische Flüchtlingspolitik habe zum großen Teil versagt. Um „Europa wieder eine Seele zu geben“, sollten sich Kirchen in den europäischen Staaten weiter vernetzen. Denkbar sei etwa, eine europäische Synode einzuberufen.

Als Beispiel könnte die Landeskirche in Württemberg dienen, die enge Kontakte zu Einwanderern aus aller Welt pflegt. Mittlerweile gibt es im Großraum Stuttgart 72 Auslandsgemeinden, die mit der Landeskirche kooperieren, sagte Oberkirchenrat Klaus Rieth. In diesem und im nächsten Jahr stellt die Landeskirche insgesamt 13,4 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe bereit. Die Hälfte soll in den Herkunftsregionen verwendet werden, um die Fluchtursachen zu bekämpfen.

Nicht alle Kirchenmitglieder begrüßen die Unterstützung für die Flüchtlinge. Es gebe immer wieder Austritte, weil Einzelne mit der Haltung der Kirchenleitung in dieser Frage nicht einverstanden seien, sagte July. Gerade wegen ihres Engagements kehrten aber manche auch wieder in die Kirche zurück oder unterstützten sie.

Synodale fordern auf, wählen zu gehen

Wichtig sei, dass auch Einheimische, die unter schwierigen Bedingungen leben, nicht vergessen würden, sagt Synodalpräsidentin Inge Schneider. Dazu trage unter anderem ein Förderprogramm für Langzeitarbeitslose bei.

Einstimmig verurteilten die rund 100 Synodalen Rassismus in der Gesellschaft. Hetze gegen Menschen widerspreche der christlichen Botschaft und dürfe nicht geduldet werden. Vielmehr müsse das Gespräch mit besorgten Gemeindemitgliedern gesucht werden. Anlass war der Rücktritt eines aus dem Kongo stammenden Pfarrers im bayrischen Zorneding. Der katholische Priester war am Sonntag wegen rassistischer Beschimpfungen und Morddrohungen zurückgetreten. Das Parlament rief die rund 2,1 Millionen Protestanten in Württemberg auf, am Sonntag zur Landtagswahl zu gehen, um radikalen Kräften die Stirn zu bieten.

Auch über das Arbeitsrechtsgesetz für Mitarbeiter von Landeskirche und Diakonie entschied die Synode. Künftig werden die Gewerkschaften in die Arbeitsrechtlichen Kommissionen eingeladen, in denen die Vertreter von kirchlich-diakonischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch die Tarife und Arbeitsbedingungen aushandeln. An diesem „Dritten Weg“, der Streik und Aussperrung ausschließt, hält die Landeskirche fest.