Mit viel Mühe hat Günter Herre die Ziegel angefertigt. Jetzt stehen sie ohne Verwendung in seinem Hof. Foto: Eveline Blohmer

Günter Herre hat in Eigenregie und auf eigene Kosten Dachziegel für die Martinskirche angefertigt. Der pensionierte Stuckateur rechnete allerdings nicht damit, dass die Kirchengemeinde sein Geschenk ablehnen könnte.

Plieningen - Günter Herre ist fassungslos. Das sagt er nicht nur, das zeigt der 74-Jährige auch deutlich: Während er erzählt, was es mit den aufgestapelten Dachziegeln in seinem Hof auf sich hat, treten dem Plieninger Tränen in die Augen.

Das war geschehen: Die Martinskirche wird derzeit renoviert. In diesem Zuge wird auch das charakteristisch gescheckte Dach des Turms erneuert. Das heißt, die alten Ziegel, die noch zu gebrauchen sind, werden durch neue ergänzt. Dieser neuen Dachziegel hatte sich Günter Herre angenommen. Der pensionierte Stuckateur bestellte 3000 Rohlinge und fing an sie so zu bearbeiten, dass sie optisch möglichst nah an die originalen Biberschwanzziegel kommen. „Es waren edle Beweggründe, die mich dazu trieben: Ich habe etwas gemacht, was es nicht zu kaufen gibt, nämlich originalgetreue Ziegel für die Martinskirche“, sagt Herre. Er hatte damit gerechnet, dass seine Material- und Stromkosten von 8625,90 Euro teilweise von der Stadt Stuttgart gedeckt würden, die die Sanierungskosten zur Hälfte übernimmt.

Absage vom Kirchengemeinderat

Womit Herre nicht gerechnet hatte war eine Absage seitens des Kirchengemeinderats an sein Angebot. „Ich habe gesagt, dass ich die Ziegel für uns, für unsere Gemeinde gemacht habe. Vom Kirchengemeinderat wird es so dargestellt, als wären es zwei Seiten“, sagt Herre, der nicht nachvollziehen kann, was gegen seine Ziegel spricht: „Der Kirchengemeinderat hat gesagt, dass meine Ziegel nicht ungeprüft verwendet werden können. Aber es wurde nichts dafür getan, dass sie geprüft werden.“ Herre veranlasste die DIN-Prüfung selbst – mit positivem Ergebnis. Doch an der Absage änderte das nichts. Die neuen Ziegel, die die noch verwendbaren ergänzen, fertigt die Firma Rall in Leinfelden-Echterdingen.

Herre, der selbst 24 Jahre lang im Kirchengemeinderat war, ist inzwischen aus der Kirche ausgetreten. Der Plieninger Pfarrer Hans-Peter Ziehmann versteht, dass Herre verletzt ist. Er sagt aber auch, dass es keinen anderen Weg gebe. Der Kirchengemeinderat habe sich, „bei aller Wertschätzung für Herrn Herre“, zu der Entscheidung durchgerungen.

Frage der Haftung

Als Gründe für die Ablehnung der Herre-Ziegel führt Ziehmann zunächst die Haftungsfrage an, die heikel sei: „Herr Herre hat keinen Fachbetrieb. Bei den alten Ziegeln, die auch wieder drauf kommen, sind wir rechtlich aus dem Schneider. Bei den neuen haften die Firma Rall und die Dachdecker. Bei denen von Herre wäre es offen, wer haftet“, sagt Ziehmann. Das Angebot von Herre, mit seinem Privatvermögen im Schadensfall zu haften, „konnten wir nicht annehmen“.

Ein weiteres Argument gegen die Ziegel ist laut Ziehmann die Art, in der Herre sein Geschenk an die Gemeinde herangetragen habe: „Er hatte vom Kirchengemeinderat keinen Auftrag. Das ist, als ob Ihnen jemand etwas vor die Tür stellt und sagt: ,Ich hab da was vorbereitet.‘“

Hans-Peter Ziehmann sagt, er finde die Situation auch zum Heulen, aber der Kirchengemeinderat müsse aus seiner Verantwortung heraus entscheiden. Im Herbst soll das Eindecken mit den alten Originalziegeln und den neuen der Firma Rall beginnen. Eine andere Verwendung für die abgelehnten Herre-Ziegel kann sich Ziehmann nicht vorstellen. Günter Herre selbst aber auch nicht: „Ich habe sie für die Martinskirche gemacht und für nichts anderes.“