Auch beim letzten Treffen mit den EU-Kollegen eckt Schäuble an. Foto: dpa

Vor seinem letzten Auftritt vor der Eurogruppe plädiert Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für tiefgreifende Veränderungen.

Luxemburg - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist diese Woche auf Abschiedstour. Mitte der Woche fährt der 75-Jährige zur Weltbanktagung nach Washington. Und am Montag hatte der designierte neue Bundestagspräsident seinen letzten Auftritt in der Eurogruppe – der Bühne, wo er in den acht Jahren seiner Amtszeit EU-weit viel Respekt für seine Kompetenz bekommen hat, aber eben auch viel Ablehnung wegen einer nicht nur in Griechenland als unnachgiebig und kompromisslos empfundenen Sparpolitik.

Und Schäuble wäre nicht Schäuble, wenn er nicht noch einmal ein Ausrufezeichen gesetzt hätte. Kurz vor dem Treffen zirkuliert ein „Nicht-Papier“. Das Thema ist hochpolitisch, es geht um die Zukunft des Euroraumes. Und es ist wie so häufig bei den ganz großen Reformen in der EU: Bei den Überschriften sind sich Deutschland und Frankreich einig. Paris und Berlin wollen die wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit in der Eurozone vertiefen. Doch beim Kleingedruckten gibt es die Differenzen. Bislang hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine hoch ambitionierte und in der Realität wohl erst durch Vertragsänderungen umzusetzende Vision dargelegt. Er will in der EU ein neues Budget einrichten, um wirtschaftlich in Bedrängnis geratenen Mitgliedstaaten zu helfen. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Ideen vorgetragen, so will er etwa den Posten eines EU-Finanzministers neu schaffen und ihn unter dem Dach der Brüsseler Kommission ansiedeln.

Schäuble wählt einen anderen Ansatz als Macron

Dazu war es bislang weitgehend ruhig aus Deutschland. Doch jetzt kommt Schäuble. Er selbst spielt seinen Beitrag zwar herunter. Bevor die Runde zusammentritt, sagt er: „Die Bundesregierung ist in einer Übergangsphase, da trifft man keine Grundsatzentscheidungen.“ Er wählt einen anderen Ansatz als Macron. Er will den EU-Rettungsfonds ESM aufwerten, der sich in der Staatsschuldenkrise bewährt hat und fünf Euroländern insgesamt 273 Milliarden Euro geliehen hat. Diese Idee, den ESM nach dem Vorbild des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einem Europäischen Währungsfonds umzubauen, wird schon länger diskutiert. Doch Schäuble will den ESM auch mit neuen Kompetenzen bei der Überwachung der Schuldenregeln in der Eurozone ausstatten. Immer wieder hat sich Berlin darüber aufgeregt, dass die EU-Kommission bei der Überwachung der nationalen Haushalte die Augen zugedrückt hat. Aus Sicht des Bundesfinanzministers hat die Brüsseler Behörde versagt. Daher soll diese Kompetenz künftig vom ESM übernommen werden.

Die Beamten von Schäuble halten dies für realistisch. Sie werben damit, dass dafür nur der ESM-Vertrag verändert werden müsse, nicht aber die EU-Verträge – was in einigen Ländern Referenden nach sich ziehen würde.

Verhaltene Reaktionen auf Schäubles Vorstoß

Und wie reagiert die Euro-Gruppe auf Schäubles Vorstoß? Sein französischer Kollege Bruno Le Maire räumt unterschiedliche Sichtweisen ein. „Ich sehe es als Vorteil der EU: Verschiedene Meinungen, das ist Teil der Identität der EU.“ Auch EU-Währungskommissar Pierre Moscovici geht auf Distanz zu Schäubles Programm: Die Stärkung des ESM sei zwar eine gute Idee, „das Ganze sollte aber in die bestehenden Institutionen der EU eingebunden werden“.