Die Europäische Zentralbank flutet die Märkte mit Geld und drückt damit den Euro-Kurs. Das verschafft der Wirtschaft Vorteile. Fraglich, wie lange sich die Amerikaner das gefallen lassen.

Frankfurt/Stuttgart - Mit seinem gigantischen Kaufprogramm hat Mario Draghi einen Coup gelandet. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) will die Inflation im Euro-Raum aus der Null-Prozent-Zone holen. Ganz nebenbei zielt das Programm zum Kauf von Anleihen auch auf den Euro. „Das ist ein unausgesprochenes Ziel, das EZB-Präsident Mario Draghi verfolgt“, sagt Sebastian Sachs, Währungsexperte beim Bankhaus Metzler. Ähnlich sieht es Thu-Lan Nuygen von der Commerzbank.

Draghi und der EZB-Rat schieben damit den Wettlauf der Währungen an, getreu dem Motto: Wer als Erster seine Währung im Verhältnis zu anderen billiger macht – sie abwertet –, verschafft seinem Land einen Vorteil. Besonders Europäer und Japaner tun sich in dem Wettlauf hervor. In Fernost soll der Export angekurbelt werden, in der Euro-Zone sollen Deflationsgefahren bekämpft und die Exportwirtschaft in den südlichen Krisenländern gestützt werden. Eine Abwertungsspirale birgt aber große Gefahren.

Im vergangenen Monat hat der Euro gegenüber dem Dollar rund 5,5 Prozent verloren, im Vergleich zum Januar 2014 sogar fast 15 Prozent. Abgewertet hat der Euro auch gegenüber anderen Währungen wie dem Schweizer Franken, dem australischen oder dem kanadischen Dollar. Allein in den vergangenen vier Wochen hat der Euro gegenüber den 20 wichtigsten Währungen der Welt fast vier Prozent eingebüßt, im Vergleich zum Januar 2014 acht Prozent. Beim Franken sind es gar 24 Prozent.

Nach wie vor gehen 60 Prozent der Ausfuhren der Euro-Staaten in den Euro-Raum und in die EU. Der Wechselkurs spielt da keine Rolle. Um Währungsschwankungen aus dem Weg zu gehen, produzieren deutsche Konzerne, aber auch viele Mittelständler seit Jahren in den USA und in anderen Ländern des Dollarraums. Der Kurs des Euro tangiert sie weniger.

Unternehmen, die nicht in den USA produzieren, können Vorsorge treffen, um den Schwankungen nicht ausgeliefert zu sein. Wird der Euro schwächer, können sie sich freuen: Sie erhalten dann für ihren Umsatz in Dollar mehr Euro. Zudem werden ihre Produkte im Ausland billiger und somit konkurrenzfähiger. Um nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden, wenn der Euro eines Tages gegenüber dem Dollar wieder zulegt, vereinbaren sie schon heute mit ihrer Bank einen festen Umtauschkurs, zu dem sie später Dollars in Euro tauschen wollen. Das kostet Gebühren, macht die Einnahmen aber planbar. Für ein Unternehmen wie Porsche, das 70 Prozent seiner Autos außerhalb des Euro-Raums verkauft, ist das immens wichtig. „Wir sichern alle bedeutenden Währungen, in denen wir Umsätze generieren“, sagt Porsche-Finanzvorstand Lutz Meschke.

Der Abwertungswettlauf gewinnt seit gestern an Fahrt. Draghi „prügelt“ den Euro nach unten, wie die Ökonomen vom Bankhaus Metzler formulieren, um vor allem die Inflation wieder anzukurbeln und Deflationsgefahren zu bannen. Im Dezember war die Inflationsrate in der Euro-Zone mit minus 0,2 Prozent negativ. Ein schwächerer Euro verteuert die Importe und sorgt damit im Prinzip für höhere Preise. Derzeit ist dieser Effekt begrenzt, weil Öl und andere Rohstoffe so günstig sind wie seit Jahren nicht mehr.

Die Frage ist, wie lange die USA einem Abwertungswettlauf zusehen werden. Eine gewisse Nervosität macht Uwe Burkert bereits aus. „Läuft der Euro in Richtung 1,10 Dollar, werden die Amerikaner Gegenmaßnahmen ergreifen“, erwartet der LBBW-Chefvolkswirt. Allerdings würde ein starker Dollar die amerikanische Notenbank nicht in ihrer Zinspolitik beeinflussen, zeigt sich der Ökonom überzeugt. Eher würde der Dollar „herunter geredet“. Schließlich bremst ein starker Dollar die US-Exportwirtschaft.

Mit seinem Anleihekaufprogramm verschafft Draghi den Euro-Staaten für eine gewisse Zeit Luft. „In den nächsten zwei Jahren müssen die Reformen aber greifen. Sonst hätte der große Schritt der EZB nur ein Strohfeuer entfacht“, so Burkert.

Einen verschärften Abwertungswettlauf erwartet Burkert auch nach dem neuen Anleihekaufprogramm nicht. „Ich hoffe, dass wir nach der EZB-Aktion ein stabiles Wechselkursgefüge bekommen“, sagt er. Würden alle Staaten anfangen abzuwerten, hätte am Ende des Tages keiner etwas davon, mahnt der Ökonom. Der Reformdruck in den Staaten würde nachlassen, dadurch würden sie weniger wettbewerbsfähig. „Letztlich würde das auch auf die Arbeitsplätze durchschlagen.“

Porsche-Finanzvorstand Meschke bezweifelt, dass der Kauf von Staatsanleihen hilft, die Konjunktur in den Krisenländern zu beleben. „Ich würde stattdessen Programme unterstützen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Staaten in der Euro-Zone erhöhen“, sagt er. Dies könnten Investitionen im Energiesektor, in die Verkehrsinfrastruktur, in den Ausbau des Breitbandnetzes oder in Bildung sein.

Die Abschwächung des Euro ist auch ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA und in Europa. Jenseits des Atlantiks läuft die Konjunktur, die Arbeitslosigkeit sinkt. In Europa dagegen schwächelt die Wirtschaft, und die Arbeitslosigkeit verharrt auf hohem Niveau. Darauf reagieren die Notenbanken.

Die amerikanische Notenbank Fed hat ihr Programm zum Kauf von Staatsanleihen im Dezember eingestellt und wird spätestens im Sommer, möglicherweise schon im Frühjahr den Leitzins anheben.Ganz anders die Situation in Europa: Hier öffnen Währungshüter mit dem Anleihe-Kaufprogramm die Geldschleusen noch weiter. Und drücken damit den Euro. Ob es der Wirtschaft und den Verbrauchern am Ende wirklich hilft, ist offen. Der Abwertungswettlauf der Währungen geht erst einmal weiter.