Die Villa des früheren württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz auf dem Killesberg soll Eigentumswohnungen weichen. Foto: Lichtgut/Volker Hoschek

Eugen Bolz zählt zu den zentralen Figuren des deutschen Widerstands gegen die Hitler-Diktatur. Das prächtige Haus, in dem der frühere württembergische Staatspräsident einst wohnte, steht heute noch. Die Betonung liegt auf noch. Es soll einem Neubau weichen.

Stuttgart - Eugen Bolz stand und wohnte über den Dingen – das bewahrte ihn jedoch nicht vor den Klauen des Nazi-Regimes. Am 12. August 1944 wurde er in seinem Haus am Kriegsbergturm 44, vormals Schottstraße 11, von der Gestapo verhaftet – eine Folge des gescheiterten Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1944. Der ehemalige württembergische Staatspräsident stand in Verbindung mit einem der führenden Verschwörer, dem früheren Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler. Bolz sollte nach dem Sturz Hitlers ein Ministeramt bekleiden. Er selbst lehnte einen Tyrannenmord ab.

Sein mutiger Einsatz kostete ihn das Leben. Die Leidenstour führte vom Amtsgerichtsgefängnis Stuttgart über das Gefängnis des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin und das Konzentrationslager Ravensbrück in Mecklenburg in die Sicherheitspolizeischule Drögen, wo er wiederholt Folter erlitt. Später wurde er vor den Volksgerichtshof und „Blutrichter“ Roland Freisler geschleppt, der ihn zum Tode verurteilte. Am 23. Januar 1945 starb Eugen Bolz zusammen mit anderen Widerständlern in Berlin-Plötzensee unter dem Fallbeil. An seine Frau Maria und seine Tochter Mechthild hatte er geschrieben: „Was ich gefühlt habe, kam. Erbarmungslos. Ich habe mich innerlich, religiös in Monaten darauf eingestellt. Ich muss von Euch und dem Leben Abschied nehmen. Ich bitte Euch, nehmt es hin als das mir von Gott bestimmte Kreuz.“

Bolz war ein Großer. Der Degerlocher Historiker Gerhard Raff stellt ihn gar in eine Reihe mit Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Dietrich Bonhoeffer: „Ein Blutzeuge des deutschen Widerstandes und Märtyrer.“ Ein Mann, der seinem Namen alle Ehre gemacht habe: „bolzengrad“.

Mehrere Schulen nach Bolz benannt

Mehrere Schulen sind nach ihm benannt, darunter ein Gymnasium in seiner Geburtsstadt Rottenburg. In Stuttgart gibt es die Bolzstraße. Dort, am Königsbau, ist ein von Alfred Hrdlicka geschaffenes Mahnmal angebracht. Der Landtag hat einen Saal nach dem Zentrumspolitiker benannt.

Dort jedoch, wo Bolz mit Unterbrechungen von September 1932 bis 1944 lebte – in der von dem Chemiefabrikanten Carl Schuster 1906 erbauten, dreistöckigen Villa am Kriegsbergturm 44 – erinnert nichts an den Mann des Widerstands. Der Versuch der Initiative „Stolpersteine für Stuttgart“ auf dem Trottoir vor „seinem letzten frei gewählten Wohnort“ einen Stolperstein zu verlegen, scheiterte vor einigen Jahren am Einspruch der Eigentümer, wie sich Jupp Klegraf von der Initiative Stolpersteine erinnert.

Lediglich das Namensschild seiner Tochter Mechthild Rupf-Bolz am Eingang weist indirekt auf ihn hin. Bolz’ Tochter bewohnte die Villa bis zu ihrem Tod im Dezember 2011. Danach ging das Haus in den Besitz der Enkel über. Sie veräußerten das Gebäude, das auf einem 13 Ar großen Grundstück in bester Halbhöhelage steht, an das Stuttgarter Unternehmen „wohnbau Studio“. Getreu dem Firmenmotto „Wir bauen, wo Stuttgart am schönsten ist“ plant das Unternehmen an der Stelle der Bolz-Villa einen Neubau mit hochwertigen Wohnungen. Geschäftsführer Alexander Schaber sagt auf Anfrage, man sei mit dem städtischen Baurechtsamt im Gespräch: „Ein Bauantrag ist in Vorbereitung.“

Dem Abriss steht offenbar nichts im Wege – auch kein Denkmalschutz. Das Gebäude sei zwar nicht baufällig, erklärt Schaber, eine Modernisierung habe sich nach eingehender Prüfung jedoch als zu schwierig erwiesen. Derzeit wohnen Studenten in dem Gebäude, die sich bis zum Abriss den Traum eines Kommunen-Daseins erfüllen.

Bolzstraße erinnert an den Mann

Dem Geschäftsführer ist die geschichtliche Bedeutung der Bolz-Villa bewusst. „Die Erinnerung an die Person Eugen Bolz ist jedoch nicht direkt mit dem Haus am Kriegsbergturm verknüpft“, sagt er. „Dafür gibt es andere Orte – wie die Bolzstraße oder das Bolz-Mahnmal.“ Weder handle es sich um das Geburtshaus, noch habe Eugen Bolz die Villa selbst gebaut. Vorstellen kann Schaber sich jedoch, nach Abriss und Neubau mit einer Tafel an Eugen Bolz zu erinnern: „Die Leute interessieren sich durchaus dafür, welche Geschichten sich mit den Orten verbinden, an denen sie wohnen.“

Mit der stattlichen Villa am Kriegsbergturm verbindet sich zum Beispiel folgende von dem Bolz-Biografen Max Miller in dem 1951 erschienenen Buch „Staatsmann und Bekenner Eugen Bolz“ verfasste Geschichte: „Der erste große Luftangriff auf Stuttgart vom 25. Juli 1944 verursachte auch in seinem Haus und Garten schwersten Schaden; wäre nicht acht Tage zuvor der Stollen, an dessen Bau Bolz eifrig mitgearbeitet hatte, fertig geworden, wäre er wohl beim Angriff ums Leben gekommen. Bolz setzte nach dem Bericht seiner Frau die ganze Kraft ein, um in Haus und Garten wieder etwas Ordnung zu schaffen. Er war der Erschöpfung nahe, als er am 12. August von der Gestapo geholt (. . .) wurde.“

Mechthild Bolz-Rupf, die Tochter, hielt das Andenken an ihren Vater hoch. 2003 veranstaltete sie mit der Landeszentrale für politische Bildung und der Rottenburger Eugen-Bolz-Stiftung im ehemaligen Arbeitszimmer des Vaters eine Geschichts-Soiree, bei der auch der Stuttgarter Historiker Wolfram Pyta auftrat.

Der Journalist Thomas Durchdenwald schrieb damals: „Wie lässt sich an Geschichte eindrücklich erinnern? Mit TV-Serien, mit ungewöhnlichen Inszenierungen wie im neuen Haus der Geschichte in Stuttgart – oder ist es doch der historische Schauplatz, der Vergangenes besonders ins Bewusstsein rückt?“

Ein Gedanke, den der Online-Blog „Der Killesberger“ in einem Beitrag weiterspinnt: „Nicht weit von hier gibt es das Theodor-Heuss-Haus, in dem der erste deutsche Bundespräsident wohnte. Warum kann am Kriegsbergturm 44 nicht ein Eugen-Bolz-Haus entstehen? Mit Erinnerungs-, Seminarräumen und Wohnräumen für gesellschaftspolitisch engagierte Menschen. Wie Bolz einer war.“