Kiews Präsident Poroschenko gesteht der Ostukraine einen Sonderstatus zu. Foto: dpa

Mit einem Sonderstatus für das Konfliktgebiet Ostukraine will Präsident Poroschenko die nach Unabhängigkeit rufenden Separatisten besänftigen. Zugleich rückt Kiew mit dem Partnerschaftsabkommen näher an die EU heran. Ist das der Weg zum Frieden?

Mit einem Sonderstatus für das Konfliktgebiet Ostukraine will Präsident Poroschenko die nach Unabhängigkeit rufenden Separatisten besänftigen. Zugleich rückt Kiew mit dem Partnerschaftsabkommen näher an die EU heran. Ist das der Weg zum Frieden?

Kiew - Die Ukraine hat am Dienstag ein überraschend starkes Friedenssignal an die Separatisten im Osten des Landes geschickt und sich zugleich eng an die EU angebunden. Mit einem Gesetz über einen Sonderstatus gewährte die Oberste Rada der Konfliktregion Selbstverwaltungsrechte. Die Aufständischen erhielten zudem ein Amnestieangebot. In einer weiteren Abstimmung ratifizierte die Rada gleichzeitig mit dem per Video zugeschalteten Europaparlament in Straßburg ein von Moskau kritisiertes Partnerschaftsabkommen zwischen der Kiew und Brüssel.

Mit dem Sonderstatus für die Ostukraine will Präsident Petro Poroschenko den Separatisten entgegenkommen. Er will, dass sie von ihrer Forderung nach Unabhängigkeit abrücken. Ein Einlenken zeichnete sich aber zunächst nicht ab.

Separatistenführer Alexander Sachartschenko äußerte sich zurückhaltend. Er sagte, wenn der Sonderstatus eine Unabhängigkeit der Region Donbass bedeute, würde er dies begrüßen. Die Aufständischen wollen das Gesetz prüfen. In der Ostukraine herrschen unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft der Region: von einer Autonomie innerhalb der Ukraine, über eine Unabhängigkeit bis hin zu einem Beitritt zu Russland.

Drei Jahre Selbstverwaltungsrechte

Mit dem Sonderstatus räumt Kiew den Gebieten Donezk und Lugansk für drei Jahre Selbstverwaltungsrechte ein. Vorgesehen sind zudem örtliche Wahlen am 7. Dezember sowie die Gründung einer eigenen Volksmiliz. Das Amnestiegesetz gewährt den Separatisten weitgehende Straffreiheit. Nur besonders schwere Verbrechen sollen geahndet werden.

Weil das Gesetz in einer nicht öffentlichen Sitzung verabschiedet wurde, stellten indes einige Politiker die Rechtmäßigkeit des Gesetzes infrage. Die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko kritisierte zudem: „Dieses Gesetz bringt keinen Frieden.“ Der russische Dumabageordnete Leonid Sluzki begrüßte den Sonderstatus als vorteilhaft für beide Seiten.

Nach der überraschend schnell angenommenen Friedensinitiative ratifizierte die Oberste Rada im Beisein von Präsident Poroschenko das Partnerschaftsabkommen mit der EU einstimmig. Gleich nach der Abstimmung unterzeichnete der Staatschef die Ratifizierungsurkunde.

Vollmitgliedschaft in der EU?

Das EU-Parlament in Straßburg billigte das Abkommen zeitgleich mit überwiegender Mehrheit. Der ukrainische Präsident Poroschenko sprach in Kiew von einem „historischen Moment“ und bekräftigte erneut, sein Land strebe eine Vollmitgliedschaft in der EU an.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sprach von einer „Sternstunde der Demokratie“ - unter Buhrufen von Gegnern des Assoziierungsvertrages aus rechten und linken Parteien. Viele EU-Abgeordnete hatten zuvor kritisiert, dass der Handelsteil des Abkommens mit einjähriger Verzögerung Anfang 2016 in Kraft treten soll. Dies war am Freitag von Vertretern der EU, Moskaus und Kiews so vereinbart worden.

Russland ist gegen den Freihandelspakt und hat zahlreiche Änderungswünsche angemeldet. Moskau befürchtet, dass der Westen durch das Abkommen mit der Ukraine Zugriff auf die seit Sowjetzeiten eng mit Russland verknüpfte Rüstungs- und Raumfahrtindustrie bekommt.

Um das Abkommen in Kraft zu setzen, müssen alle EU-Regierungen extra zustimmen. Der Assoziierungsvertrag sieht für die Ukraine demokratische Reformen und eine Bekämpfung der Korruption ebenso vor wie eine Übernahme von EU-Normen und Standards, die die ukrainische Wirtschaft später in der EU konkurrenzfähig machen sollen.

Die Entsendung von Drohnen wird überprüft

Ungeachtet der Friedenssignale Kiews warnte Russland den Westen vor Waffenlieferungen an die Ukraine. Parlamentschef Sergej Naryschkin kritisierte eine drohende direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine. Die Regierung in Kiew hatte nach dem Nato-Gipfel in Wales mitgeteilt, dass mehrere Mitgliedstaaten mit der Lieferung von Waffen begonnen hätten. Eine Bestätigung gab es nicht. Allerdings wurde Moskau in den vergangenen Wochen immer wieder vorgeworfen, es liefere Waffen an die Separatisten.

Ein chinesischer Militärstratege forderte seine Regierung wegen der Spannungen zwischen den USA und Russland in der Ukraine-Krise zur Vorbereitungen eines Krieges auf. „Der Ausbruch eines Weltkrieges ist nicht unmöglich“, schrieb Professor Han Xudong im Parteiorgan „Volkszeitung“.

Zur Überwachung der brüchigen Waffenruhe in der Ostukraine prüft die Bundesregierung die Entsendung von Drohnen. Die Bundeswehr schickte ein Erkundungsteam mit 14 Soldaten nach Kiew, um die Bedingungen dafür zu prüfen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die die Feuerpause überwacht, denkt bereits seit Juli über den Einsatz von Drohnen in der Ukraine nach.

Die Separatisten berichteten erneut von Brüchen der Feuerpause in der Großstadt Donezk. Innerhalb von 24 Stunden habe es mindestens drei Tote gegeben, berichtete überdies der örtliche Stadtrat.

Zum Auftakt des parlamentarischen Jahres in den Niederlanden gedachte König Willem-Alexander der Opfer des Absturzes von Flug MH17 in der Ostukraine. Das Unglück habe das Land zutiefst erschüttert. Die in Amsterdam gestartete Passagiermaschine von Malaysia Airlines war am 17. Juli vermutlich durch Raketenbeschuss über der Ostukraine abgestürzt. Alle 298 Menschen an Bord starben. Die meisten Opfer waren Niederländer.