Blick in den Stocker-Raum Foto: www.estherstocker.net

Kunst schafft neue Räume – im Fall der Malerin und Installationskünstlerin Esther Stocker ist das sogar Programm. Zu erleben sind die Verwandlungen Stockers aktuell im Kunstverein Ludwigsburg – und die „Stuttgarter Nachrichten“ erläutern, was Schüler damit zu tun haben.

Stuttgart - Schwarze Linien verwandeln einen Raum: Esther Stocker lässt sie über das Weiß der Wände laufen, erzeugt Rhythmen, Irritationen, unterbricht die Einheitlichkeit der Wiederholung aber immer wieder. Ihre Arbeit fügt sich ein in die Thematik der Ausstellungsreihe „Interventionen – Flüchtige Raumgrenzen“ des Kunstvereins Ludwigsburg. Stocker hat Wände und Decke des langgezogenen Ausstellungsraums mit Rastern aus schwarzem Klebeband überzogen, Muster, die auf das räumliche Empfinden einwirken wollen. Die Gestaltung erschöpft sich nicht im Minimalismus – sie zielt auf die kalkulierte Unregelmäßigkeit, die Ausnahme.

Die schwarzen Linien fügen sich zu Reihen, Streifen, die in Abständen den Raum umlaufen, sich aber auflösen, wenn sie sich dem geschlossenen Schwarz des Bodens nähern – dann zerfallen sie zu Stäben, die sich kreuzen, Mikado. Der Zufall aber hat in dieser Arbeit keinen Platz – der Bruch mit der Regel ist stets inszeniert.

„Ich komme von der Malerei her“, sagt Stocker. Den Rahmen einer Leinwand überschreitet sie zwar, das Bild als solches ist bei ihr jedoch noch immer präsent. 13 Bilder sind im Ausstellungsraum gehängt, malerische Antworten, Gegenrhythmen, in Schwarz-Weiß auch sie, diverser, feinteiliger angelegt – Arbeiten, die für sich stehen, hier aber in einen Dialog treten. Zudem ist eine Anzahl kleinerer Skulpturen aus jüngerer Zeit zu sehen: Sie gleichen großen Kugeln zerknüllten Papiers – räumliche Unregelmäßigkeiten, auf deren Flächen wiederum die Linien brechen. „Die Tarnung der Bilder“ hat die Künstlerin ihre Installation genannt.

Esther Stocker, 1974 in Südtirol geboren, hat zahlreiche Räume auf diese Weise verwandelt, individuell umgedeutet, aus der Alltagswelt gekippt – auch für das Kunstmuseum Stuttgart schuf sie eine ihrer Interventionen: 2012 im Rahmen der Ausstellung „Rasterfahndung“.

Anders als bei früheren Projekten verzichtete sie in Ludwigsburg darauf, den Boden des Ausstellungsraumes in ihre Arbeit mit einzubeziehen – ihn zu gestalten überlässt sie Schülern des Goethe-Gymnasiums und anderen Gästen. Ein großes Sortiment aus weißen Holzstäben steht bereit für Experimente – die Schüler suchen eigene Rhythmen, um auf die Arbeit der Künstlerin zu antworten. Perwin Yavuz, 18 Jahre alt, eine blinde Schülerin, die sich mit dem Raum um sie herum nur tastend auseinandersetzen konnte, legte Quadrate in ein größeres Quadrat zu einem unvollständigen Muster: auch dies eine Entdeckung der Unregelmäßigkeit. „Ich wollte, dass auch das Unvollkommene plötzlich schön sein kann“, sagt sie.

Im Sinne der Künstlerin ist das unbedingt, denn Esther Stocker will den Dialog, mit dem Raum, dem Publikum. Wer sich traut, darf sich im Kunstverein Ludwigsburg an einer Antwort auf ihre Entwürfe versuchen.

„Die Tarnung der Bilder“ von Esther Stocker ist im MIK Ludwigsburg, Eberhardstraße 1, noch bis einschließlich diesen Donnerstag zu sehen.