Erinnerungen an die WM von 1974 – Deutschland wurde Weltmeister Foto:  

Manche sind genervt vom Fußballfieber der anderen, manchen kann es gar nicht genug sein. Das Esslinger Stadtmuseum hat jetzt noch ein besonderes Schmankerl zur WM.

Esslingen - Nein, eine pure Ausstellung rund um die derzeit laufende Fußball-Weltmeisterschaft solle es eigentlich nicht sein. Sagt jedenfalls der Esslinger Stadtmuseums-Chef und Kurator Christian Rilling. Und doch ist die WM zum einen der Anlass der noch bis zum 24. August laufenden Ausstellung „Fußball ist unser Leben“ in Esslingen. Und zum anderen ist hier natürlich vieles von dem zu sehen, was bei Fußball-Weltmeisterschaften eben eine wirklich wichtige Rolle für alle Fans spielt: Trikots, Maskottchen, eine Fan-Trommel, Goldmedaillen und Preise. Sogar ein Stück Rasen vom Berliner Fußballfeld, auf dem im Jahr 2006 das Endspiel ausgefochten wurde, gibt es hier.

Wer in diesen Tagen in das gelbe Haus am Hafenmarkt in der Esslinger Innenstadt kommt und die mit leicht knisterndem, grünem Kunstrasen ausgelegten Ausstellungsräume betritt, der kommt nicht nur als ausgemachter Fußballfan ins Staunen. Denn was Rilling und sein Team im letzten Dreivierteljahr da zusammengetragen haben, ist durchaus eine grandiose Leistung. „Wir haben hier sensationelle Stücke, die noch nie öffentlich in einem Museum gezeigt wurden, darauf sind wir sehr stolz“, sagt Rilling. Dazu gehört etwa ein schwarzes Trikot des legendären Schiedsrichters Rudolf Kreitlein aus der Fußball-WM 1966. Kreitlein wurde damals wegen seines konsequenten Auftretens gegen den aufmüpfigen argentinischen Spielführer Antonio Rattin und wegen seines Hauptberufs das „tapfere Schneiderlein“ genannt. Auch seine Mitwirkung bei der Einführung der Roten und Gelben Karte war damals nicht unbedeutend.

Natürlich darf auch ein Trikot von Fußballgott Diego Maradona nicht fehlen

Im Kasten daneben hängt ein Original-Trikot aus dem Jahr 1954, getragen im legendären Endspiel Deutschland gegen Ungarn und bislang noch nie öffentlich in einem Museum gezeigt. Und natürlich darf auch ein Shirt des „Fußballgotts“ Diego Maradona nicht fehlen, das dieser am 21. Mai 1980 beim Spiel Österreich gegen Argentinien am Leibe trug. Besonders freut sich Ausstellungsmacher Rilling aber über das Trikot des „Bombers der Nation“ Gerd Müller aus dem Jahr 1974, ausgeliehen von einem privaten Besitzer. Der Rekordschütze Müller zählt unter Kennern zu den besten Fußballstürmern, die im 20. Jahrhundert gespielt haben.

Rabiater geht es beim nächsten Schaukasten zu: Hier liegt ein Stück des kaputten Holzpfostens aus dem Tor vom Bökelberg aus dem Jahr 1971 unter Glas. „Das ist ein ganz wertvolles Stück Fußballgeschichte“, erklärt Rilling. Denn weil sich Herbert Laumen am 3. April 1971 bei einem Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Werder Bremen im Netz verhedderte und dabei der linke Torpfosten brach, wurde das Spiel abgebrochen. „Seit diesem Spiel müssen Bundesligatore aus Aluminium sein.“

Viele der Ausstellungsstücke sind auch heute noch im Privatbesitz, andere sind von Vereinen – wie etwa ein Foto von 1934 mit der Aufstiegsmannschaft der Sportfreunde Esslingen –, Fanclubs oder anderen Museen ausgeliehen. Die Zusammenarbeit mit den anderen Museen sei problemlos gewesen, sagt der Kurator. Etwas undamenhaft dagegen sei die Antwort der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft ausgefallen, als er um ein Statement von Bundestrainerin Silvia Neid gebeten habe. Dabei habe er eigentlich doch nur von ihr wissen wollen, weshalb sie gerne Fußballtrainerin sei. „Da haben wir aber leider eine recht einsilbige Antwort bekommen, das fand ich sehr schade.“ Immerhin habe der Verband ihm dann doch noch ein sechsteiliges Villeroy&Boch-Service aus dem Jahr 1989 geschickt, das es damals als Prämie für jede Spielerin zum WM-Sieg gab.

An einer Torwand können Besucher mit einem Filzball ihre Treffsicherheit beweisen

Neben den Trikots sind aber natürlich auch alte Schuhe und Bälle, Autogramme, eine mit Aufnähern gespickte Fankutte, die originale Trommel von Manolo von Borussia Mönchengladbach, ein alter Tischkicker aus den 70ern und – das darf bei der Nähe zu Stuttgart natürlich nicht fehlen – (fast) alles in Rot und Weiß für den Fan des VfB Stuttgart ausgestellt. Als besondere Reminiszenz an das Gastland der diesjährigen Fußball-WM ist aber natürlich auch Brasilien mit von der Partie. Mit Hilfe des Einwohnermeldeamts seien etwa 15 Esslinger mit brasilianischen Wurzeln angeschrieben worden, ob sie nicht Stücke aus ihrer Heimat für die Ausstellung ausleihen wollten. Immerhin sieben hätten geantwortet und Dinge wie Holztiere, eine kleine Gitarre und eine Samba, Kopfschmuck und Ketten zur Verfügung gestellt.

Damit dem aktiven Sport Fußball Rechnung getragen wird, kommt auch die eigene Sportlichkeit nicht zu kurz. An einer Torwand können die Besucher mit einem Filzball ihre Treffsicherheit beweisen, während alle Fußballfans im Museums-Tippspiel auf der Homepage während der gesamten Weltmeisterschaft ihre Spielergebnisse vorhersagen können.