Im Alten Rathaus wird Wein getrunken und Klartext geredet. Foto: Horst Rudel

Beim traditionellen Herbstsatz kommt neben lobenden Worten auch Kritisches auf den Tisch.

Esslingen - Von rassig, spritzig, über frische Heidelbeer- und Johannisbeeraromen bis zum Gruß von der Paprika reichte der Geschmack der vorgestellten Weine, die am Dienstag beim traditionellen Herbstsatz im Alten Rathaus in Esslingen ausgeschenkt wurden. Neben etwas Lobhudelei zu den Produkten aus den örtlichen Keltereien kam auch Kritisches auf den Tisch.

So schmeckt es den Esslinger Wengertern überhaupt nicht, dass die Stadt und der Gemeinderat im Zuge der Haushaltskonsolidierung neben vielen anderen Punkten darüber nachdenken, die Zuschüsse zur Erhaltung der historischen Mauern in den Terrassenlagen der Esslinger Weinberge zu streichen. „Wir wollen nicht nur Kulisse sein“, ärgerte sich der Wengerter Hans Kusterer und betonte die Bedeutung der historischen Trockenmauern in den Weinbergen bei der Vermarktung Esslingens im Tourismusbereich. Ohne die Förderung zur Erhaltung der Trockenmauern könne es schnell passieren, dass in den Weinbergen nur noch Brombeeren wachsen würden, erklärte der Esslinger Weinbauer.

Der Oberbürgermeister Jürgen Zieger und der Stadtrat und Wengerter Adolf Bayrer betonten, dass es schwierig sei, das geschnürte Paket zur Haushaltskonsolidierung für kommendes Jahr aufzuschnüren. Hinzu komme, dass der Weinbau ebenfalls von den Bemühungen der Esslinger Stadtmarketing und Tourismusgesellschaft profitiere, so Zieger.

Für die Vermarktung des vergorenen Traubensaftes könnten die Wengerter aus Sicht der Verwaltungsspitze außerdem selbst noch etwas mehr tun, meinte Zieger. Dass es seit zwei Jahren kein Esslinger Weinfest mehr gibt, das stößt dem Schultes bitter auf. An dieser Stelle machte der Weinbauer Albrecht Sohn sowohl der Stadtverwaltung als auch der Öffentlichkeit Hoffnung, dass es in den nächsten Jahren einen Ersatz für das Weinfest geben könnte. Leider stünden sowohl die Burg als auch der Marktplatz als mögliche Veranstaltungsorte derzeit nicht zur Verfügung. Aber man arbeite an einer würdigen Nachfolgerin der Veranstaltung.

Auf die Qualität des in Esslingen produzierten Weines ließ freilich keiner der Anwesenden etwas kommen. Mit einem Anteil von 50 Prozent ist der Trollinger weiterhin der Spitzenreiter in den örtlichen Rotweinbergen – ohne dafür die verdiente Anerkennung zu bekommen, wie die Freunde des Trollingers meinen. Während ihn Albrecht Sohn als Vesperwein schätzt, wird er bei Hans Kusterer nicht mehr als Rotwein, sondern als „Württemberger Spezialität“ verkauft und nur in geringem Umfang angebaut. Beim Weißwein ist es der Riesling, der knapp 40 Prozent der örtlichen Anbauflächen belegt.