Für das Esslinger Glockenspiel sind mehr als 500 Stücke umgeschrieben worden. Foto:  

Zum 90. Geburtstag wird das Esslinger Glockenspiel im Alten Rathaus mit einem zweitägigen Festival geehrt. Am 9. und 10. September spielen internationale und nationale Künstler acht Konzerte auf dem ungewöhnlichen Instrument.

Esslingen - Die Behauptung, die Glocken seien von minderwertiger Qualität, hat das Esslinger Glockenspiel einst vor dem Glockenfriedhof bewahrt. So wird es zumindest erzählt. Statt während des Zweiten Weltkrieges auf einem der Sammelplätze zu landen um schließlich eingeschmolzen zu werden, blieben die Glocken im Alten Rathaus hängen – bis heute. Im September werden sie 90 Jahre alt. Das stolze Alter wird am 9. und 10. September mit „Turm und Klang“, dem 1. Glockenspiel-Festival Esslingens, gefeiert. An zwei Tagen werden acht Livekonzerte internationaler und lokaler Glockenspieler in der Stadt zu hören sein.

Einer, der mehr als froh darüber ist, dass die Esslinger Glocken nicht der Rüstungsindustrie zum Opfer gefallen sind, ist Eckart Hirschmann. Der Esslinger Glockenspieler spielt und verwaltet das Glockenspiel im Turm des Alten Rathauses seit fast zwei Jahrzehnten. Hirschmann, der auch Herr über das Glockenspiel im Stuttgarter Rathausturm ist, registriert zunehmendes Interesse an dem Carillon, wie Turmglockenspiele genannt werden. „Man wusste lange Zeit nichts damit anzufangen. Dabei ist das Glockenspiel als Musikinstrument konzipiert“, erklärt Hirschmann. Für das Esslinger Carillon schöpft Hirschmann aus einem Repertoire aus 500 Liedern. 290 Tonsätze hat der Sachverwalter und Glockenspieler seit dem Jahr 1999 für das Esslinger Glockenspiel geschrieben. Denn damit auch bekannte Melodien funktionieren, müssen sie entsprechend umgeschrieben werden.

Festival ist eine Seltenheit in Deutschland

Als sich der 90 Geburtstag ankündigte, hatten Hirschmann und die Organistin Ekaterina Porizko die Idee, ein Festival zu organisieren. „In Deutschland sind solche Festivals sehr selten. Allenfalls gibt es mal eintägige Konzerte mit ein bis zwei Glockenspielern“, erklärt Hirschmann. Dass am 10. September auch der Tag des offenen Denkmals stattfindet, sei dabei „dienlich“.

Die Künstlerakquise übernahm die aus dem russischen St. Petersburg stammende und in Stuttgart tätige Organistin Ekaterina Porizko. Die studierte Musikerin ist in diesem Genre gut vernetzt und pflegt vor allem in ihre Heimat musikalische Kontakte. So erklärt es sich zum einen, dass ein Teil der acht Künstler aus Russland und dem Baltikum stammen. Zum anderen hat das Glockenspiel dort auch eine lange Tradition, die nach Ende des Sozialismus wieder auflebte.