Noch bleibt die Franziskanerkirche als neuer Standort der Esslinger Stadtbücherei in der Diskussion. Es geht aber ein tiefer Riss durch die Kirchengemeinde. Foto: Rudel/Archiv

Trotz heftigen Widerstands von Dekan Bernd Weißenborn setzt eine große Mehrheit der Kirchenvertreter auf Gespräche mit der Stadt, um die Möglichkeit zu prüfen, dort die Stadtbücherei unterzubringen.

Esslingen - Ein tiefer Riss geht durch die evangelische Kirche in Esslingen. Zwar stimmte der Gesamtkirchengemeinderat am Dienstag letztlich mit großer Mehrheit – es gab 21 Ja- und 5 Nein-Stimmen – für Verhandlungen mit der Stadt Esslingen über den Verkauf der Franziskanerkirche und des Gemeindehauses am Blarerplatz. Doch die Sitzung hat deutlich gemacht, wie weit sich der Esslinger Dekan Bernd Weißenborn von der Mehrheit der gewählten Kirchenvertreter entfernt hat.

Seit Wochen tobt in Esslingen der hoch emotional geführte Kampf um die Frage, ob in den kirchlichen Gebäuden die Stadtbücherei eine neue Heimat finden kann. In der Sitzung am Mittwoch erteilte der Dekan Bernd Weißenborn diesen – zunächst auch von ihm selber mitgetragenen – Überlegungen eine klare Absage. Wegen der innerkirchlichen Widerstände und den Protesten aus der Kulturszene stehe für ihn fest, dass die Franziskanerkirche und das Gemeindezentrum im Besitz der evangelischen Kirche bleiben müssten. Weißenborn: „Fast niemand möchte die Unterbringung der Stadtbücherei in diesen Gebäuden.“ Vielmehr habe die Diskussion gezeigt, dass es viele private Spender gebe, die bereit seien, das Defizit am Blarerplatz – 100 000 Euro pro Jahr – mit großzügigen Zuwendungen aufzufangen. Auch beim Management und bei den Gebühren gebe es Luft nach oben.

Kirchen müssen wegen niedriger Fehlsummen schließen

Dieser Argumentation widersprachen etliche Kirchenvertreter. Es könne, so erklärte etwa Siegbert Ammamm, der Pfarrer in Hegensberg-Liebersbronn, nicht sein, dass die Kirchen in Esslingen-Sirnau und -Weil geschlossen werden, weil dort 7500 und 17 000 Euro fehlten – und gleichzeitig große Spenden in den Blarerplatz fließen sollten. Andere Vertreter argumentierten, Esslingen habe in der Stadtmitte vier große Kirchen. Eine Untersuchung der Immobilien habe ergeben, dass das Gemeindehaus am Blarerplatz bei 70 kirchlichen Immobilien auf Platz acht der Gebäude stehe, von denen man sich am ehesten trennen könne. Die ersten sechs der auf der Liste genannten Immobilien seien bereits verkauft. Man verstehe nicht, warum für den Blarerplatz jetzt andere Maßstäbe gelten sollten.

Verärgert zeigte sich der Kirchengemeinderat und ehemalige CDU-Fraktionschef im Esslinger Gemeinderat, Gerhard Heubach, darüber, dass die Ergebnisse von zwei kirchlichen Arbeitsgruppen, die sich intensiv mit den Konsequenzen des Verkaufs beschäftigt haben, für die Diskussion von der Kirchenführung nicht in die Öffentlichkeit eingespeist worden seien. So hätten die Arbeitsgruppen in akribischer Kleinarbeit unter anderem alternative Proberäume für die von der Schließung des Blarerhauses betroffenen Chöre gesucht. Auch habe man ein neues, detailliertes und modernes Nutzungskonzept für die Frauenkirche als Ersatz für den Blarerplatz erarbeitet. Von der Kirchenführung seien die Arbeitsgruppen aber zum Stillschweigen gezwungen worden.

Neuer Antrag sorgt für Irritation

Auch die Tatsache, dass die Kirchenführung – anders als mit der Stadt vereinbart – bisher keine konkrete Zahl nennen könne, welchen Erlös man vom Verkauf erwarten dürfe, sei enttäuschend. Besonders irritiert zeigten sich die Vertreter über einen überraschend in der Sitzung von Bernd Weißenborn präsentierten Abstimmungsvorschlag, den zuvor der kirchliche Verwaltungsausschuss erarbeitet hatte.

Zwar sah auch dieser vor, der Stadt die Bereitschaft zu Verhandlungen zu signalisieren. Abhängig gemacht werden sollte das aber davon, dass die Stadt ihrerseits der Kirche ein konkretes Angebot samt Kaufpreis vorlege. Es könne doch nicht sein, so argumentierten die Gegner, dass man jetzt der Stadt den schwarzen Peter zuschiebe.

Mit knapper Mehrheit stimmte das Gremium dafür, über den ursprünglichen Antrag, der vorbehaltlose Verkaufsverhandlungen vorsieht, zu entscheiden. In geheimer Abstimmung votierte das Gremium dann mit großer Mehrheit für diesen Vorschlag. Zudem folgte es einstimmig dem Antrag, die Leiter der Arbeitsgruppen, Gerhard Heubach und Siegbert Ammamm, in die Verhandlungsdelegation zu entsenden. Bernd Weißenborn erklärte am Mittwoch, er werde nun den Kontakt zur Stadt suchen, um Gespräche zu vereinbaren.

Die Entscheidung hat wohl Konsequenzen für das weitere Vorgehen der Stadt. Zuletzt hatte die Verwaltung angesichts des unübersichtlichen Meinungsbildungsprozesses in der Kirche darauf verzichtet, die Pläne für eine Stadtbücherei am Blarerplatz zu konkretisieren. Weil nun weitere Gespräche mit der Kirche anstünden, sei es unwahrscheinlich, dass der Gemeinderat noch vor der Sommerpause einen Grundsatzbeschluss über den Büchereistandort treffen könne, erklärte Roland Karpentier, der Sprecher der Stadt. Ziel sei es weiterhin, für alle vier angedachten Alternativen die notwendigen Verkaufsverhandlungen zu führen, um dem Gemeinderat zeitnah eine Entscheidung zu ermöglichen.