Im Kreistag entscheiden die Mehrheitsfraktionen. Die Kleinen müssen damit leben. Foto: Pascal Thiel

Der Esslinger Kreistag verhandelt über den Haushaltsplan 2017. Den kleinen Parteien verlangt die Debatte jedes Jahr wieder einen Spagat zwischen Idealismus, Resignation und Realismus ab.

Esslingen - Will der Republikaner-Abgeordnete Ulrich Deuschle im Esslinger Kreistag einen Antrag durchbringen, muss er außer seinem Parteifreund Fritz Reichle weitere 47 Kreisräte überzeugen. Peter Rauscher, der Chef der drei Linken im Kreistag, müsste 46 Stimmen aus den anderen politischen Lagern sammeln, um zum Zug zu kommen. Und auch Ulrich Fehrlen, der Fraktionschef der FDP, ist an der Spitze seiner fünf Mitglieder starken Truppe weit davon entfernt, in der Ratsrunde entscheidend zu punkten.

Im Kreistag geben die Freien Wähler (30 Sitze), die CDU (23), die SPD (19) und Bündnis 90/Die Grünen (14) mit wechselnden Mehrheiten den Ton an. Da bleiben für die Kleinen nur die Brosamen. Die eigene Ohnmacht wird dem Trio in diesen Wochen, in denen der Kreishaushalt vorberaten wird, besonders deutlich vor Augen geführt. Am 8. Dezember wird das Zahlenwerk verabschiedet. Wer eins und eins zusammenzählen kann, kommt zu dem Schluss: Auch dieser Haushalt geht wieder über die Bühne, ohne dass die Republikaner, die Linken oder die FDP eine entscheidende Duftmarke hätten setzen können.

Die drei Kreisräte haben im Laufe der Jahre unterschiedliche Strategien entwickelt, um mit dem jährlich wiederkehrenden Frust umzugehen. Bei Ulrich Deuschle, der seit dem Jahr 1989 für die Republikaner im Kreistag sitzt, sind resignative Töne nicht zu überhören. Ulrich Fehrlen, erst seit neun Jahren dabei, aber mit einer bald 23-jährigen Erfahrung als Kommunalpolitiker im Esslinger Gemeinderat, wählt den pragmatischen Ansatz. Allein Peter Rauscher, wie Fehrlen seit neun Jahren im Kreistag, hat sich weiterhin unverdrossen den Idealismus auf die (Partei)Fahne geschrieben.

„Wir waren die ersten in der Region, die ein Sozialticket für Busse und Bahnen gefordert haben“, sagt er. In Stuttgart und in Teilen des Kreises Göppingen sei die Idee schon umgesetzt. „Wir haben im Kreistag erneut den Antrag gestellt, benachteiligten Menschen über das Sozialticket den Zugang zum öffentlichen Nahverkehr zu erleichtern. Er wird sicher wieder abgelehnt, aber es gut, dass das Thema auf der Tagesordnung bleibt“, sagt der Kreisrat.

Mitunter nutzten die Linken die lokale Bühne auch, um die große Politik herunterzubrechen. Rauscher ist das Welthandelsabkommen TTIP ebenso ein Dorn im Auge wie die zwischen der europäischen Union und Kanada ausgehandelte Schrumpfversion CETA. Durch die transatlantischen Handelspartnerschaften sehen er und seine Mitstreiter die kommunaler Handlungsspielräume hierzulande in Gefahr.

Das ist ein Antrag, den Ulrich Fehrlen nie und nimmer unterschreiben würde. Nicht allein, weil die FDP in Wirtschaftsfragen ohnehin eine liberalere Linie fährt, sondern auch, weil er das für einen typischen Fensterantrag hält. „Wir stellen keine Anträge, nur damit sie gestellt sind“, sagt er. Würden seine Kollegen die Kreistagsunterlagen richtig lesen, dann beantworteten sich viele Anfragen ohnehin von selbst. Es hat jedoch auch schon Zeiten gegeben, da hat sich die FDP gerne aus dem Fenster gelehnt. „Stimmt. Auf Betreiben meines Vorgängers, Wolfgang Haug, haben wir früher immer die Einrichtung einer eigenen Berufsschule für den Filderraum gefordert“, erinnert sich Fehrlen. Der Zug sei allerdings abgefahren. „Wir sind mit den Schulen in Nürtingen, Kirchheim und Esslingen gut aufgestellt“, sagt er jetzt.

Ulrich Deuschle dagegen hat sich für seine Partei mit nicht weniger als 17 Anträge in die Haushaltsschlacht geworfen. Dass ihnen Erfolg beschieden sein wird, glaubt er nicht. „Viele gute Initiativen werden ohne Diskussion abgeblockt“, klagt er. Ihn als studierten Volkswirt ärgere es, dass der Landkreis chronisch unterfinanziert ist. Der Bürgermeisterriege der Freien Wählern sei hier das Hemd näher ist als die Hose. Und dann gebe die öffentliche Hand viel Geld aus, ohne die Wirkung der Maßnahmen zu überprüfen. „Gerade im Sozialbereich und bei der Jugendhilfe lobt lieber jeder jeden, bevor einer kritisch hinterfragt“, sagt er. Immerhin, einen Erfolg könnten sich die Republikaner ans Revers heften. „Wir haben die Einführung des Autokennzeichens NT für Nürtingen erreicht,“ sagt Deuschle.

In eine ähnliche Richtung zielt der aktuelle Antrag, an den Kreisgrenze Esslingen-Schilder aufzustellen, um den Autofahren Orientierung zu bieten. Auch auf der Wunschliste der Republikaner: Ein kreisweit einheitlicher Handwerkerparkausweis, der den Fahrzeugen der Betrieben das Parken in den Fußgängerzonen des jeweiligen Einsatzortes erleichtern soll.