Und demnächst gibt’s dann wohl noch ein paar Junikäfer mehr. Foto: dpa

Zurzeit sind die liebestollen Junikäfer in Höchstform. In der Dämmerung warmer Sommerabende schwärmen sie – regional begrenzt – in Massen aus. Am Donnerstagabend haben sie ein Freiluft-Jazzkonzert am Esslinger Dulkhäusle heimgesucht.

Esslingen - Nach der Konzertpause gegen 21 Uhr war es vorbei mit der Gemütlichkeit beim Jazz im Freien vor der Esslinger Waldgaststätte Dulkhäusle. Die hereinbrechende Dämmerung und eine kräftige Brise, die den großen Kastanienbaum auf der Terrasse durchschüttelte, gaben den Startschuss für eine Invasion liebestoller Junikäfer: In Massen enterten die kleinen Brummer das Gelände auf dem Schurwald, übten sich im mehr oder minder gezielten Anflug auf Mensch und Getränk und lösten bisweilen spitze Schreie aus, wenn sich einer von ihnen in ein Etuikleid, ein Hosenbein oder unter ein T-Shirt verirrt hatte. Mit ihrem sonoren Brummen und ihrem unbeholfenen, auf Kollision ausgerichteten Flugverhalten hatten die deshalb auch Torkelkäfer genannten Insekten das Publikum zunächst belustigt, dann aber zunehmend genervt. Und sie haben manch einen Esslinger Jazzfreund dazu bewogen, sich den Angriffen aus der Luft durch Flucht zu entziehen.

Zuvor war die Stimmung – wie an jedem Donnerstagabend von Mai bis September – ruhig und entspannt gewesen. Die Zuhörer hatten den Jazzklängen der Gruppe Meyers Nachtcafé II gelauscht, sich unterhalten und an der gelösten Sommeratmosphäre erfreut – bis zum Auftritt des Ensembles der tausend Käfer. Doch es steht nun nicht zu erwarten, dass die Tiere flächendeckend weitere Open-Air-Events sprengen, gibt ein Biologe des Esslinger Landratsamts Entwarnung. Der kleine Verwandte des Maikäfers sei zudem harmlos. Von einer Plage könne nicht die Rede sein, wie auch Sprecher der Stadt Esslingen und des Regierungspräsidiums in Stuttgart bestätigen.

In Massen sind sie lästig

Kommen sie vereinzelt vor, mag man sie putzig finden. In Massen aber sind sie lästig, die Junikäfer. Bei den zurzeit herrschenden dauerhaft hohen Temperaturen und warmen Nächten gehen die Insekten bevorzugt bei Einbruch der Dämmerung auf Partnersuche. In den sozialen Medien kursieren Meldungen, wonach der Gerippte Brachkäfer – so die korrekte Bezeichnung dieser Gattung – zurzeit auch in Plochingen in den Abendstunden außergewöhnlich aktiv ist.

Roland Bauer, den Biologen des Esslinger Landratsamts, überrascht es nicht, dass der Junikäfer zurzeit abends in Scharen ausschwärmt. Zum einen wecke die Hitze den Fortpflanzungstrieb der Männchen, die weit mehr als die Hälfte der Population ausmachten. Zum anderen könne der Wind die Käfer zusätzlich aufgeschreckt und zum Paarungsflug animiert haben, vermutet Roland Bauer.

In diesem Zustand des Liebesrauschs mögen die der Familie der Blatthorn-Käfer angehörenden Insekten an lauen Sommerabenden stören, gefährlich seien sie jedoch nicht – „sie stechen nicht und sie beißen nicht“, sagt Roland Bauer. Allenfalls verursachten die Häkchen an den Beinen ein leichtes Kratzen auf der Haut. Zudem sei nicht bekannt, dass sie – im Gegensatz zu den Maikäfern – ganze Laubbaumbestände kahl fressen. Ein Phänomen wie das am Dulkhäusle geschehene sei lediglich lokal begrenzt zu beobachten, erklärt der Experte. Es könne sein, dass „nur 500 Meter weiter“ kein Käfer mehr zu sehen sei. Dass sich die Tiere ausgerechnet das Jazzkonzert vorgenommen hätten, „ist Pech gewesen“.

Bei der Stadt Esslingen seien bisher keine Meldungen über einen massenhaften Befall von Junikäfern eingegangen, berichtet Sabine Zeller vom Grünflächenamt. Auch Friedrich Merz, beim Stuttgarter Regierungspräsidium für den Pflanzenschutz zuständig, ist nichts von einer Plage bekannt. Immer wieder werde – etwa von Golfplatzbetreibern – gemeldet, dass die Engerlinge der Junikäfer Rasenflächen beschädigt hätten. Denn die Larven ernährten sich von kleineren Wurzeln und Pflanzenresten. Oft handle es sich dabei aber auch um Folgeschäden, wenn Dachse oder Wildschweine auf der Suche nach den Engerlingen das Erdreich durchpflügt haben.

Tagsüber lassen sie sich nicht blicken

„Eigentlich müssen wir froh sein, dass wir solche Insekten noch haben“, outet sich Roland Bauer als Junikäfer-Fan. Denn sie seien ein wichtiger Bestandteil der Nahrung einiger Vogelarten. Beispielsweise seien sie ein Festmahl für den Wiedehopf, der allerdings lediglich durch den Landkreis Esslingen ziehe, sich dort aber nicht zum Brüten niederlasse. Mit einem reichlich gedeckten Tisch könnte sich das vielleicht ändern, hofft Roland Bauer.

Dass die bei uns heimischen Käfer Büschen und Bäumen schaden, komme eher selten vor. Und wenn, dann erholten sich die Pflanzen meist von solchen Fressattacken, erklärt Bauer. Denn die Wirtspflanzen hätten sich gemeinsam mit den Käfern entwickelt. Anders verhalte sich das bei Insekten, die beispielsweise aus Südamerika oder Asien eingeschleppt worden seien. Sie richteten mitunter „verheerende Schäden“ an, sagt Roland Bauer und nennt als Beispiele den Rüsselkäfer, der viele Palmen im Mittelmeerraum vernichtet, oder den hierzulande wütenden Buchsbaumzünsler.

Kay Rügner, der Inhaber der Waldgaststätte Dulkhäusle, hat seine Erfahrungen mit den ungebetenen Gästen gemacht. Angesichts ihres zeitlich begrenzten Erscheinens bleibt er gelassen. Solch „massive Angriffe“ wie am Donnerstagabend kämen äußerst selten vor. In den vergangenen zehn Jahren seien die Junikäfer vor seinem Lokal lediglich zwei Mal in solch einer Masse zu sehen gewesen. Und dann störten sie nur kurz. „Sobald es richtig dunkel wird, sind sie nicht mehr zu sehen. Tagsüber lassen sie sich schon gar nicht blicken.“

Ein plumper Körper mit kleinen Flügeln

Erscheinung
Der Junikäfer ist 1,4 bis 1,8 Zentimeter lang und damit nur etwa halb so groß wie sein enger Verwandter, der Maikäfer. Sein Körper ist ledergelb bis braun gefärbt, der Scheitel und der Halsschild sind dunkler abgesetzt.

Flugverhalten
Sein Körperbau begünstigt den Junikäfer nicht gerade für elegante Flugmanöver. Sein plumper Körper und die im Verhältnis kleine Flügelfläche lassen seine Fortbewegung in der Luft eher tollpatschig erscheinen. Er startet übrigens nicht nach dem Kalender, um seinem Namen Ehre zu machen. Vielmehr begibt er sich in die Luft, wenn für ihn die Bedingungen stimmen.

Fortpflanzung
Die Männchen bilden rund zwei Drittel der ganzen Population, sie müssen bis Mitte Juli ein Weibchen gefunden haben, um für Nachwuchs sorgen zu können. Das scheint der einzige Zweck ihres Daseins zu sein, denn nach der Begattung sterben sie. Die Weibchen gehen Ende Juli, nachdem sie ihre Eier abgelegt haben – etwa 35, bevorzugt in den Rasen – ebenfalls ein. Es kann bis zu drei Jahre dauern, ehe aus den Engerlingen Käfer werden. Wenn die Standortbedingungen stimmen, kann es zu Massenvermehrungen kommen.