Ein 42-Jähriger muss sich vor dem Amtsgericht Esslingen wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähiger Person verantworten. Foto: Pascal Thiel

Einem 42-Jährigen wird vorgeworfen, eine junge Frau betäubt und dann sexuell missbraucht zu haben. Der Mann und sein mutmaßliches Opfer waren zur Tatzeit in die Esslinger Drogenszene eingebunden.

Esslingen - Die Tat, die dem 42 Jahre alten Angeklagten vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Esslingen angelastet wird, wiegt schwer. Die Verhandlung könnte für ihn mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe enden. Laut der Staatsanwaltschaft Stuttgart hat er sich am Abend des 17. Juli des vergangenen Jahres auf der Couch in seiner Wohnung in Esslingen an einer 26-jährigen flüchtigen Bekannten vergangen. Zuvor habe er ihr ein sedierend wirkendes Medikament in den Wodka gemischt, um sie willenlos zu machen. Auf sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person lautet deshalb die Anklage.

Im Gerichtssaal schildern der Angeklagte und die junge Frau – beide zählten zumindest damals zur Esslinger Junkieszene – die Geschehnisse jenes Abends völlig unterschiedlich. Sie berichtet, sie habe den 42-Jährigen bei der gemeinsamen Substitutionsärztin kennengelernt. Zufällig hätten sie sich an jenem Sonntag im vergangenen Juli getroffen und später in seiner Wohnung verabredet. Dort habe man gegen 15.45 Uhr angefangen, Wodka zu trinken. Sie könne sich nur noch erinnern, 17 Uhr an der Wanduhr abgelesen zu haben. Dann seien bei ihr „komplett die Lichter ausgegangen – wie ausgeschaltet“. Erst um Mitternacht sei sie aufgewacht, weil sie gespürt habe, „dass jemand in mir drin ist“.

Mutmaßliches Opfer bleibt bis zum Morgen

Als sie realisiert habe, dass es der Angeklagte ist, der auf ihr liegt, habe sie diesen weggestoßen, sei aufgesprungen und habe ihn angeschrien. „Ich hatte nicht mal ansatzweise daran gedacht, mit ihm Sex haben zu wollen.“ Dennoch sei sie die restliche Nacht in der Wohnung geblieben, was der Vorsitzende Richter „für Außenstehende schwer nachvollziehbar“ empfindet. Doch sie erklärt, sie sei mit der Situation überfordert und zudem zu benommen gewesen, um zu gehen oder sich jemandem mitzuteilen. Auch nicht ihrem Freund, der offensichtlich unter Drogeneinfluss zur Verhandlung erscheint, und nach mehrmaligem Stören des Saals verwiesen wird.

Unter Tränen erzählt die Frau, sie habe nach der Nacht erfahren, dass ihr mutmaßlicher Peiniger HIV positiv sei. Daraufhin habe sie eine Prophylaxe gegen diese Immunschwächekrankheit verschrieben bekommen. Er habe ihr trotz mehrfacher Nachfrage verschwiegen, infiziert zu sein. Drei Tage später habe sie Anzeige erstattet, „weil ich die ganze Zeit gewusst habe, dass das Ganze nicht in Ordnung ist“.

In einem Urintest wurden bei ihr Spuren des entkrampfenden Antiepileptikums Gabapentin nachgewiesen. Dieses Arzneimittel habe sie lediglich drei Jahre zuvor einmal eingenommen. Dem Angeklagten aber sei es verschrieben worden, er habe es an jenem Abend vor ihren Augen eingenommen und sie vermutet, dass er es ihr heimlich verabreicht habe, um sie bewusstlos zu machen.

Angeklagter bestreitet die Tat

Das bestreitet der 42-Jährige. Über seine Anwältin lässt er erklären, die Frau sei an jenem Nachmittag von ihrem Freund verprügelt worden und habe dann Zuflucht bei ihm gesucht. Beide seien sie angetrunken und müde gewesen, weshalb sie habe bleiben wollen. Es sei später zum Austausch von Zärtlichkeiten gekommen. Er habe sich schließlich aus einem Körbchen auf dem Wohnzimmertisch ein Kondom gegriffen. Doch zum Einsatz gekommen sei es nicht, weil er keine Erektion bekommen habe. Sie habe noch gesagt: „Was machen wir da eigentlich, mein Freund wird durchdrehen, wenn er das erfährt“. Dann seien sie beide eingeschlafen und erst am nächsten Morgen aufgewacht.

Die Verhandlung wird fortgesetzt. Die Verteidigerin hat diverse Anträge gestellt, unter anderem hofft sie, dass ein Rechtsmediziner zur Aufklärung der Geschehnisse jener Nacht beitragen kann.