Das Personal tritt durchgehend kurzärmelig an. Farblich macht die neue Dienstkleidung Foto: Horst Rudel

Das Personal im Klinikum Esslingen wird künftig in Kurzarmhemden arbeiten. Die Umstellung ist ein Beitrag zur Patientensicherheit. Denn aggressive Keime, die sich in der Kleidung festsetzen, können Patienten infizieren und gravierende Folgen haben.

Esslingen - Der langärmelige Arztkittel hat ausgedient – jedenfalls am städtischen Klinikum Esslingen. Als eines der ersten Krankenhäuser in Deutschland stellt das Klinikum von Anfang Mai an schrittweise auf kurzärmelige Arbeitskleidung um. Ärztinnen und Ärzte werden den Patienten künftig nur noch im weißen Poloshirt und weißer Hose begegnen. Innerhalb von acht Wochen soll die Umstellung dann abgeschlossen sein.

Kampf den „Tschernobyl-Keimen“

Der Schritt hin zu einer neuen Kleiderordnung hat gesundheitliche Gründe. An Arztkitteln bleiben potenziell Keime hängen, die dann auf Patienten übertragen werden können. Handelt es sich dabei um resistente aggressive Erreger – der Ärztliche Direktor des Klinikums, Michael Geißler, spricht von „Tschernobyl-Keimen“ – können die Folgen für die Betroffenen schrecklich sein, wie mehrere Hygieneskandale in deutschen Krankenhäusern wiederholt gezeigt haben. Ganz abgesehen von den gesundheitlichen Schäden für die Betroffenen ist auch der Imageschaden für diese Häuser immens.

Michael Geißler nennt Beispiele, wie Keime mit dem Arztkittel in Berührung kommen. Wenn Mediziner mit wehenden Kittelschößen an Essenswagen oder an Klinikmüll vorbei durch die Gänge hasten, kann es schon passiert sein. Auch der Kontakt mit Blut oder Sekret stellt ein Infektionsrisiko dar. Während Hände und die Unterarme dank der Desinfektion rasch und zuverlässig von Erregern befreit werden, müssen Textilien erst in die Reinigung.

Von weiß über blau und orange bis hin zu limettengrün

Die Abschaffung des Arztkittels ist ein Teil eines neuen Wäschekonzepts am Klinikum Esslingen. Die neue Kleiderordnung gilt für alle Berufsgruppen. Das Pflegepersonal wird kurzärmelige blaue sogenannte Kasacks tragen, die Therapeuten tragen künftig orangefarbene Poloshirts. Und die Angestellten im Servicebereich werden mit limettengrünen Kasacks ausgestattet. Dadurch unterscheiden sich Ärzte optisch ohne ihren charakteristischen Kittel auch künftig von den Angehörigen anderer Berufsgruppen.

„Mit diesem Schritt sind wir Vorreiter in Sachen Hygiene“, sagt Michael Geißler. Laut dem Professor haben Hygienestandards in Esslingen schon lange einen hohen Stellenwert. Großen Wert lege man auf die Schulung der insgesamt 1600 Beschäftigten: „Das Wichtigste bei der Hygiene bleibt aber immer noch das Verhalten der Mitarbeiter selber.“ Dass der Arztkittel an den Nagel gehängt wird, habe auch eine Symbolfunktion: Hygiene ist kein Luxus, lautet die Botschaft. Michael Geißler verweist auf regelmäßige Kontrollen am Klinikum. Die Erreger- und Resistenzstatistik zeige, „dass wir bei allen Problemkeimen, was die Häufigkeit angeht, weit unter dem Bundesdurchschnitt liegen“ .

Prognose: andere Krankenhäuser werden nachziehen

Der Geschäftsführer des Klinikums, Bernd Sieber, räumt ein, dass die Abschaffung des charakteristischen Kittels den Ärzten „schon einiges an Umdenken“ abverlange. Auch die Patienten müssten sich erst an das neue Erscheinungsbild des Personals im Klinikum gewöhnen. „Der Schwerpunkt unserer Entscheidung lag aber hier eindeutig bei der Hygiene“, begründet Bernd Sieber die Umstellung.

Die Diskussion über die Abschaffung des Arztkittels wird bundesweit geführt. Zwar sind in der Ärzteschaft nach wie vor Vorbehalte gegen diesen Schritt verbreitet. Für Michael Geißler ist es indessen nur eine Frage von wenigen Jahren, bis der Arztkittel in deutschen Krankenhäusern insgesamt ausgedient haben wird.