Schon im Mai 2009 haben die Erzieherinnen und Erzieher in Stuttgart gestreikt. Foto: Achim Zweygarth

Fast alle städtischen Kindertagesstätten werden am Donnerstag geschlossen bleiben. Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst zu einem ersten, eintägigen Warnstreik aufgerufen.

Stuttgarter Norden - Bereits im Februar richtete sich der Gesamtelternbeirat (GEB) der städtischen Kindertageseinrichtungen und Horte in einem Schreiben an die Eltern. Mit Warnstreiks sei im März zu rechnen, mit dem eigentlichen Streik nach einer entsprechenden Urabstimmung „frühestens nach Ostern“. Schon damals betonten die GEB-Vertreter nach einem Treffen mit dem Stuttgarter Verdi-Geschäftsführer Cuno Hägele, dem Gewerkschaftssekretär Eduard Hartmann und dem Personalratsvorsitzenden des Jugendamtes, Martin Agster, dass sich die Eltern „auf einen längeren Arbeitskampf einstellen und mit flächendeckenden Streiks rechnen“ müssten.

2009 wurde die Kita 27 Tage bestreikt- Ein Graus für Eltern

Einige Eltern der Kindertagesstätte Linzerstraße/Böhmerwaldstraße im Feuerbacher Wohngebiet Hattenbühl erinnern sich noch mit Grausen ans Jahr 2009. Damals wurde die Kita 27 Tage lang bestreikt. „Das kann kaum eine Familie verkraften“, sagt die dortige Elternbeiratsvorsitzende Alexandra Rosman. Während der jetzigen Warnstreikphase werde es in der Einrichtung keine von den Eltern organisierte Notbetreuung geben. Man gehe von maximal zwei bis drei Tagen aus.

Eltern sollten sich bei der Einrichtung direkt informieren

Die Stadt geht für den morgigen, ersten Warnstreiktag davon aus, dass 167 der 183 städtischen Kindertageseinrichtungen und zwölf Schülerhäuser geschlossen bleiben. „Das kann sich aber kurzfristig auch noch ändern“, betont der stellvertretende Leiter des Jugendamtes, Heinrich Korn. „Deshalb rate ich allen Eltern, dass sie sich in ihrer Einrichtung informieren, wie es dort am Donnerstag aussieht.“

In Botnang hieß es am Dienstag, dass die einzige städtische Kita im Bezirk, Franz-Schubert-Straße 15, am ersten Warnstreiktag geschlossen bleibt. „Ja, das stimmt. Erst wenn dann mehrere Tage am Stück gestreikt wird, versuchen wir, dass Eltern die Betreuung in der Einrichtung übernehmen“, sagt eine Botnanger Mutter.

Auch in Weilimdorf wird am Donnerstag wohl eine Einrichtung geschlossen bleiben. Fünf Kitas scheinen ihren Betrieb aber aufrechterhalten zu können. In Stammheim bleiben die Türen in acht Einrichtungen zu. Eine Kita ist vom Streik nicht betroffen, eine andere kann die Betreuung zumindest teilweise bewerkstelligen. In Zuffenhausen sieht es ähnlich aus: In fünf Einrichtungen wird gestreikt, zwei haben teilweise geöffnet und in einer Kita geht der Betrieb wie gewohnt weiter, sagt Korn. In Feuerbach wird wohl in elf Einrichtungen gestreikt, eine Kita öffnet, eine kann die Betreuung teilweise bewerkstelligen.

Zwei bis drei Tage pro Woche soll gestreikt werden

Die Kita an der Linzer Straße werde laut der Elternbeiratsvorsitzenden Alexandra Rosman am Warnstreik teilnehmen. Nach den Osterferien soll der Arbeitskampf in verschärfter Art fortgeführt werden: „Es wird dann mit zwei bis drei Streiktagen pro Woche über einen längeren Zeitraum zu rechnen sein“, sagt die Feuerbacher FDP-Bezirksbeirätin Gabriele Heise, selbst vom Streik betroffene Mutter. Auch Rosman befürchtet, dass den Eltern ein ähnlich harter und intensiver Arbeitskampf wie 2009 ins Haus steht. Verdi fordert eine neue tarifliche Eingruppierung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst. An dem Arbeitskampf beteiligen sich voraussichtlich nicht nur die Beschäftigten in Kitas. Auch Einrichtungen wie Horte, Schülerhäuser und die verlässlichen Grundschulen sind betroffen.

Verdi zieht als Vergleich die Löhne in der Metallbranche heran. Ein Berufsanfänger komme in diesem Bereich auf 2895 Euro brutto, eine Erzieherin erhalte dagegen nur 2300 Euro brutto. Das sei eindeutig zu wenig. Auch der GEB ist der Meinung, dass der Erzieherberuf dringend aufgewertet werden müsse, weil die Beschäftigten immer höheren Anforderungen ausgesetzt seien. Die Eltern in der Feuerbacher Einrichtung unterstützen die Forderung, dass die Erzieher finanziell besser gestellt werden. „Wir wollen uns mit möglichst vielen Eltern am Vorschlag des Gesamtelternbeirats im Bürgerhaushalt beteiligen, in dem für eine bessere Bezahlung der Erzieher geworben wird“, sagt Rosman.

Wen trifft der Streik am meisten? Eltern oder Arbeitgeber?

Andererseits befürchten die Eltern, dass der aktuelle Tarifstreit auf ihrem Rücken ausgetragen wird. „Der Streik trifft in erster Linie ja gar nicht den Arbeitgeber, sondern uns Eltern“, sagt die betroffene Mutter Martina Leis. „Wir müssen ja trotz des Streiks weiter das Geld für die Kita-Betreuung an die Stadt zahlen. Gleichzeitig werden die Gehälter der Streikenden aus der Gewerkschaftskasse bezahlt. Die Stadt als Arbeitgeber hat also keinerlei Druck, den Arbeitskampf mit einem Tarifabschluss zu beenden. Völlig anders stellt sich die Situation dar, wenn bei Daimler plötzlich die Fertigungsbänder stillstehen“, sagt Leis. Die selbstständige Anwältin hat ihre beiden Kinder in der Einrichtung an der Linzerstraße/Böhmerwaldstraße untergebracht. Die siebenjährige Tochter besucht den Hort, der dreijährige Sohn geht in die Kita. Wie die Mutter während der Streikphase ihre Anwalts- und Gerichtstermine wahrnehmen soll, weiß sie noch nicht.

Insgesamt werden 90 Kinder in der Einrichtung betreut. Seit einem Jahr läuft dort der Streikdialog, inzwischen haben die Eltern einen Notfallplan ausgearbeitet – falls der Streik ab Mitte April in seine heiße Phase gehen sollte. „In dieser Zeit werden wir versuchen, eine von den Eltern organisierte Notbetreuung in den Räumen der Kita aufzubauen“, sagt die Elternbeiratsvorsitzende Rosman. „Unser Modell funktioniert aber nur, wenn die Betreuungsbereitschaft der Eltern groß genug ist.“ Nach Informationen des GEB, so Rosman, könne es entweder eine Öffnung des Kindergartens oder eine Notbetreuung der Eltern in der Einrichtung geben: „Eine Mischung von nicht streikbereiten Erziehern und betreuenden Eltern ist ausgeschlossen.“