Das Projekt Elisa soll Eltern helfen, mit ihren Kindern besser und sicherer umzugehen. Foto: Simone Bürkle

Das Erziehungshilfe-Projekt Elisa hilft Eltern, besser mit ihren Kindern umzugehen. Meist schickt das städtische Jugendamt die Mütter und Väter zu dem Programm, wenn in den Familien vieles im Argen ist.

S-Ost/Degerloch - Entspannt sitzt Martha im Spielzimmer und schaut ihrer Tochter dabei zu, wie sie buntes Plastikspielzeug aufeinanderstapelt. Liebevoll betrachtet die 35-Jährige, wie die Kleine unter der Obhut von zwei Sozialpädagoginnen vor sich hin werkelt. Sie nimmt ihr Kind ab und zu in den Arm oder ermahnt es, wenn es beim Hantieren mit dem Spielzeug zu wild agiert. Später setzt sich Martha an den Tisch im Nebenzimmer, wo schon andere Mütter bei Kaffee und Kuchen miteinander plaudern. Vielleicht wird sie auch noch beim Seidenmalen mitmachen, an dem sich einige der Frauen versuchen.

Friedlich geht es zu an jenem Freitag im Café Elisa im Kinder- und Familienzentrum Sankt Josef. Die Frauen, die sich in den Räumen an der Haußmannstraße versammelt haben, gehen respektvoll und freundlich miteinander um. Es fällt kein böses Wort, stattdessen wird viel gelacht. „Ich bin gerne hier. Und mir geht es mit meinem Kind richtig gut“, sagt Martha.

Wer zu Elisa kommt, tut das meistens nicht freiwillig

Das war nicht immer so. Martha heißt eigentlich anders. Ihren wirklichen Namen will sie lieber nicht preisgeben. Denn wer zu Elisa kommt, tut das in der Regel nicht freiwillig, sondern wird vom Jugendamt geschickt. Weil es aus verschiedenen Gründen mit dem Familienleben nicht funktioniert und die Behörde einschreiten muss.

Das ambulante Eltern-Intensivtraining Elisa dauert zwischen sechs und zwölf Monaten. „Es ist für Familien mit Kindern bis zu vier Jahren gedacht, die Hilfe bei der Erziehung brauchen“, sagt die Degerlocher Franziskanerschwester Mirjam Brüggemann, die das Elisa-Projekt leitet. Sei es, weil die Kinder zwischenzeitlich in Pflegefamilien untergebracht waren, weil sich die Eltern in psychischen oder physischen Krisen befinden, mit Süchten kämpfen oder durch Behinderungen eingeschränkt sind.

Auch der Besuch bei den Eltern zuhause gehört zum Programm

Dazu kommen die Eltern mit ihren Kindern an drei Tagen in der Woche je sechs Stunden in die Elisa-Räume in Sankt Josef. Ein Team aus Heil- und Sozialpädagogen sowie Psychotherapeuten kümmert sich dann um die Familien, bietet Gespräche, Rollenspiele, Entspannungsübungen und Kunstaktionen an. Auch das gemeinsame Essen ist ein wichtiger Bestandteil der Zusammenkünfte. Zudem besuchen die Elisa-Mitarbeiter die beteiligten Familien einmal pro Woche zu Hause. „So können die Mitarbeiter sehen, wie das Gelernte umgesetzt wird“, erläutert Schwester Mirjam. Letztlich gehe es darum, „die Familien zu befähigen, mit ihrem Kind zu leben“, sagt die Ordensschwester.

Das klappt nicht immer, aber in vielen Fällen. 39 Familien aus verschiedenen Stadtbezirken haben die Elisa-Mitarbeiter seit 2009 betreut. Damals wurde das 2006 gegründete Projekt von einer stationären auf eine ambulante Erziehungshilfe umgestellt. „Etwa zwei Drittel schaffen es, hinterher gut miteinander zu leben“, sagt Schwester Mirjam. So wie Martha. „Früher habe ich mich wegen einer Krankheit kaum getraut, mein Kind anzufassen. Elisa hat mir sehr geholfen. Ich bin jetzt viel entspannter“, erzählt sie. Die junge Mutter hat sich mit Hilfe der Elisa-Mitarbeiter ein Netz an sozialen Kontakten aufgebaut und kommt auch regelmäßig ins Café Elisa, wo sich aktuell begleitete und ehemalige Familien aus dem Programm einmal im Monat zum Austausch treffen. „Ich fühle mich wohl und angenommen hier“, sagt sie.

Zu Beginn fühlen sich die Eltern oft kontrolliert

Dabei ist der Beginn der Zusammenarbeit oft ein holpriger. „Anfangs fühlen sich die Eltern oft angespannt, auch beobachtet und kontrolliert“, sagt Schwester Mirjam. Der Widerstand löse sich allerdings in den meisten Fällen schnell auf und weiche einem Gefühl der Beheimatung, wie es die Elisa-Leiterin ausdrückt: „Es ist wie Heimkommen.“ Martha kann das nur bestätigen. Für die junge Mutter ist die Ordensschwester, die einen beruflichen Hintergrund als Psychotherapeutin hat und unter anderem für die Gesprächsbegleitung der Familien zuständig ist, zu einer echten Bezugsperson geworden: „Ohne Schwester Mirjam könnte ich mir das hier gar nicht vorstellen.“

Manchmal klappt es trotzdem nicht – zumal dann, wenn die Defizite in den Familien besonders groß, die Motivation, sich helfen zu lassen, dagegen gering ist. Von jenen Defiziten können die Elisa-Mitarbeiter viel berichten. Die meisten Teilnehmer des Programms würden zum Beispiel ein gemeinsames Essen in der Familie kaum kennen. „In vielen Fällen überlegen wir dann erst mal zusammen, wie und wo man überhaupt einen Esstisch in der Wohnung aufstellen könnte“, erzählt Schwester Mirjam.

Der Lohn ist groß, wenn die Familien die Hilfe annehmen

Auch auf die Sicherheit ihrer Kinder achteten manche Eltern nicht genug – „dann krabbeln unsere Mitarbeiter mit den Eltern schon mal am Boden herum und zeigen ihnen, dass Steckdosen für Kleinkinder gefährlich sind“, sagt die 60-Jährige. In einem besonders prekären Fall hätten die Elisa-Mitarbeiter sogar einmal dafür gesorgt, dass einige Schlangen, die sich frei in der Wohnung einer Familie bewegt haben, in ein Terrarium verfrachtet wurden. Denn der Schutz der Kinder steht bei allen Bemühungen an erster Stelle. „Das ist schon auch Knochenarbeit für die Mitarbeiter. Manchmal ist es schwer, die Dinge auszuhalten, die man selbst ganz anders machen würde“, sagt Schwester Mirjam.

Andererseits ist der Lohn aus ihrer Sicht groß, wenn die Familien die Hilfe annehmen. Schwester Mirjam hat es oft erlebt, dass ihre Worte bei Klienten fruchten. „Da spüre ich dann eine Resonanz, eine echte Herzensverbindung. Das ist der Idealfall.“ Die Erwachsenen würden ein Gefühl der Wertschätzung bekommen. „Das ist sehr wichtig, denn viele Biografien sind mit häufigen Versagenserfahrungen, Schuld und Abwertungen verbunden.“ Das ändere sich im Laufe des Programms. Oft sei es den Eltern schließlich sogar möglich, eine echte Bindung zu den Kindern aufzubauen. Denn die Ordensschwester hat nie aufgehört, an das Gute in den Menschen zu glauben: „Alle Eltern lieben ihre Kinder. Auch wenn diese Liebe manchmal in ungewöhnlichen Formen daherkommt.“