Ein Höhepunkt des Festes: Die sieben Spiralen von Stefan Laug stehen für Toleranz, guten Willen, Demokratie, Gerechtigkeit, Teilen, Kooperation und gegenseitige Abhängigkeit. Foto:  

Zum Erzählfestival „Erzählt mir den Planeten“ kamen viele Besucher in den Höhenpark Killesberg: um den Erzählern zuzuhören, und um die Lichtinstallation zu sehen.

S-Nord - Zarte Harfenklänge, dazu das leise Rascheln der Blätter, als der Nieselregen auf sie niederfällt und schließlich die Worte „Es war einmal vor langer, langer Zeit…“. Beim Erzählfest „Erzählt uns den Planeten“ im Höhenpark Killesberg am Samstag, 13. September, haben es sich viele Stuttgarter trotz durchwachsenen Wetters nicht nehmen lassen, den Geschichten und Märchen zum Thema Natur und Kosmos zu lauschen.

Als Odile Néri-Kaiser, Vorsitzende des Vereins Ars Narrandi, am Jahrmarkt ihr Mikrofon anmacht, stehen noch wenige Menschen vor dem Karussell, um ihr zuzuhören. Doch als sie leise über den Ozean erzählt, der an den Strand schwappt und wieder zurückgeht und wieder heranschwappt und zurückgeht, und ihre Stimme von den Klängen der Harfe unterlegt wird, hat sie die Zuhörer längst in ihren Bann geschlagen. Immer mehr bleiben stehen und hören zu.

Die Worte als Verbindung zur Natur

„In einem immer schneller, lauter und stressiger werdenden Alltag finden wir es wichtig, schlichte und ruhige Feste zu feiern, dabei Schönheit zu erfahren und Fantasie gemeinsam zu entwickeln“, sagt sie. „In den Kindergärten, wo wir Märchen und Geschichten erzählen, haben die Kinder oft keinen Bezug mehr zur Natur. Wenn sie aber anfangen zuzuhören, wenn die Geschichte sie in den Bann schlägt, verändern sie sich. Sie bekommen wieder eine Beziehung zur Natur.“ So sei auch ihre Idee gewachsen, eine Art Fest der Worte in Verbindung mit der Natur zu entwickeln. „Der Killesberg ist hierfür eine wunderschöne grüne Insel der Ruhe, mitten im Verkehr, die Stadtmenschen Zuflucht und Schönheit anbietet“, schwärmt die Vorsitzende.

An diesem Tag sind zehn Geschichtenerzähler und Musiker aus Deutschland und Österreich angereist, um unter Bäumen und in kleinen Fluchten ihre Geschichten zu erzählen und sie mit den Klängen von Instrumenten und dem Rauschen der Blätter zu untermalen. Die jüngste Erzählerin unter ihnen ist Kathinka Marks. Sie wohnt in Tübingen und hat das Erzählen vor Jahren auf einer kleinen französischen Insel im Indischen Ozean, zwischen felsigen Steilwänden und wilden Tälern, für sich wiederentdeckt. Sie erzählt Geschichten von fernen Inseln und Ländern, die sie bereiste, Erfundenes, Erlebtes, „Poesie des Alltags“, sagt sie und lächelt. Auch die anderen Erzähler haben ihre Märchen mitgebracht und erzählen einfach drauflos – nicht laut, aber eindrucksvoll, mit Augen, Mund und Händen.

Das Fest findet zum zweiten Mal statt

Und die Geschichten kommen gut an. „Ich finde das Fest unglaublich schön und selbst die Kinder bleiben dabei, obwohl sie viele Minuten einfach nur zuhören müssen“, sagt Tanja Müller, die ihre fünfjährige Tochter Kaja und ihren sechsjährigen Sohn Neo mit dabei hat. „Mama, schnell, komm, da hinten ist schon die nächste Geschichtenerzählerin“, sagt ihre Tochter ungeduldig und zieht an ihrem Arm. „Ich habe in diesem Jahr das erste Mal von diesem Fest erfahren, hoffe aber, dass es jedes Jahr stattfinden wird“, fügt sie noch hinzu, bevor sie verschwindet.

Tatsächlich findet das Fest schon im zweiten Jahr statt. „Ich finde solche Projekte total wichtig, weil sie so offen sind. Jeder kann sich einklinken, zuhören, miterleben. Es ist kostenlos. Hier verbindet sich das Wort mit der Musik und das ganze wieder mit der Natur. Das ist doch wunderbar“, sagt Marion Kadura, Fachreferentin für Literatur der Landeshauptstadt Stuttgart. „Wir versuchen nun, einen festen Termin für das Fest im Kalender zu installieren. Das macht es gerade für Familien, an die sich das Fest wendet, einfacher zu planen“, fügt sie hinzu.

Als es schließlich dunkel wird, hält das Fest noch einen besonderen Höhepunkt für seine Besucher bereit: Die Installation aus natürlichen Lichtern von Stefan Laug. Sie zeigte sieben miteinander verbundene und ineinander im Kreis verlaufende Spiralen, bestehend aus 286 Butter-Lichtern. „Butterlichter sind aus Butterfett“, erläutert der Künstler. Auf einer Größe von etwa zwölf Metern brennen die Lichter an diesem Abend von 20 Uhr bis ins Morgengrauen. „Die sieben Spiralen stehen dabei für Toleranz, guten Willen, Demokratie, Gerechtigkeit, Teilen, Kooperation und gegenseitige Abhängigkeit. Das sind die sieben wichtigsten und zentralen Eigenschaften, die die Menschheit mehr denn je in unserer Zeit benötigt, um die großen globalen Probleme der Welt gemeinsam zu lösen“, sagt Laug.