Die Einsegnung betrachten die Schwestern als den Höhepunkt im Leben. Foto:  

Beim Erzählcafé berichten Diakonissinnen im Ruhestand, warum sie das entbehrungsreiche Dasein erfüllt. Viele von ihnen kamen erst über einen Umweg in die evangelische Diakonissenanstalt in der Rosenbergstraße.

S-West - Eine selbstständige junge Frau sei sie gewesen, bevor sie in die evangelische Diakonissenanstalt in der Rosenbergstraße gekommen sei: „Mir war, als hätte ich unten an der Treppe mein Ich abgegeben. Es war nicht immer leicht. Manchmal hat man das Gefühl gehabt, man wird gegängelt. Mit der Zeit hat man sich gefügt. Wenn man bleiben will, muss man sich unterordnen.“ So beginnt die Geschichte mancher Diakonissin. Die Entscheidung, eine Diakonissin zu werden, Freiheiten aufzugeben, nie für sich zu sein, keine Familie zu gründen, ist den wenigsten der sieben Frauen leicht gefallen, die beim Erzählcafé berichten, wie sie als junge Frauen mit sich gerungen und sich geprüft haben. Selbst die Oberin habe einst zu ihr gesagt: „Der normale Weg eines Mädchens führt in die Ehe“, erzählt Schwester Helga Räuchle. Heute sind sie Diakonissen im Feierabend, wie es bei ihnen heißt. Einer der Vorzüge ihres Alters: Sie müssen kein Blatt vor den Mund nehmen.

Keine einfache Entscheidung

Einige der Diakonissinnen hatten in jungen Jahren Vorbilder. Sie hatten kranke Eltern oder Großeltern, die von einer Schwester im Ort gepflegt wurden. „Ich durfte ihr das Waschwasser hertragen“, erzählt eine Diakonissin. Beim Zusehen sei in ihr der Wunsch gereift, ebenfalls Schwester zu werden und Kranke zu pflegen. Doch die Mutter habe gesagt: „Lerne du erst mal einen Beruf. Wenn dich keiner braucht, kannst du immer noch etwas anderes machen.“ So habe sie erst den Umweg über einen Bürojob genommen, bevor sie schließlich bei den Diakonissinnen zur Pflegerin ausgebildet wurde.

Bei Schwester Helga Räuchle verlief der Weg gerader: „Ich wollte schon immer Krankenschwester werden.“ Die Entscheidung, Diakonissin zu werden, sei weniger einfach gewesen: „Ich habe meine Mutter in einem Brief gefragt: Ja oder nein? Dann habe ich ihn eingeworfen und mich sofort angemeldet. Ein paar Tage später kam der Brief mit der Antwort ‚Ja‘.“ Schwester Helga Räuchle verbrachte ihr gesamtes Berufsleben in der Waiblinger Kinderklinik. „Das war meine Station, eigentlich schon mein Krankenhaus“, witzelt die Diakonissin.

Die Einsegnung als Wendepunkt

Andere sind herumgekommen, haben als Hauswirtschafterinnen und Erziehrinnen in Kinderheimen gearbeitet, in Krankenhäusern und Pflegeheimen Menschen gepflegt. Schwester Dorothee Ritter berichtet von einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche, wie man damals sagte: „Eigentlich hätte man die Eltern ins Heim tun müssen, damit sie Schliff kriegen.“ Schwester Rose Merkle erinnert sich mit Schrecken an die Mitte der 1950er Jahre im Bürgerhospital: „Die Krankheitsbilder waren damals noch ganz ausgeprägt“, sagt sie, und die Methoden, mit denen die psychisch Kranken behandelt wurden, rustikal. „Nach dem Jahr war ich an Leib und Seele fix und fertig.“ Dass man zehn Jahre später subtilere Methoden anwandte, wusste Schwester Sigrid Walker zu berichten, die ebenfalls im Bürgerhospital war.

Wie ein roter Faden zieht sich durch die Erzählungen, dass die Einsegnung ein Wendepunkt im Leben dieser Frauen war, ein „Höhepunkt“, wie viele sagen. „Von da an wusste ich: Das ist mein Weg. Ich gehöre dazu“, sagt Schwester Doris Fuchs. Dass sie nach ihrem langen Arbeitsleben nicht allein dastehen, sondern nach wie vor in der Gemeinschaft leben, sehen die Frauen als großen Vorzug. „Man scheidet nicht aus wie aus einem Betrieb“, sagt Schwester Sigrid Walker. Einige arbeiten noch freiwillig weiter – an der Pforte, als Messmerin oder Seelsorgerin. Andere lassen beim Musizieren oder Pilgern in Südfrankreich die Seele baumeln.