Die Automobilbranche übt auf Berufseinsteiger eine hohe Anziehungskraft aus - hier der Stand eines Herstellers auf der Leitmesse IAA. Foto: dpa

Young Professionals träumen von BMW als Wunscharbeitgeber. Die Automobilbranche ist insgesamt ein attraktiver Kandidat für deren Berufseinstieg.

Könnten Deutschlands Jungakademiker sich ihren Arbeitgeber aussuchen, würden sie bei BMW arbeiten. Auf den weiteren Plätzen folgen Google, Audi, Bosch, Siemens und Porsche. Das alles sind große und bekannte Unternehmen. Die Automobilindustrie ist gleich mit drei Unternehmen unter den ersten sechs vertreten. Zu diesen Ergebnissen kommt das Berliner Forschungsinstitut trendence in der Studie 'Young Professional Barometer'. Von Mai bis Juli 2013 wurden rund 6300 Job-Anfänger mit maximal acht Jahren Berufserfahrung danach gefragt, wo sie am liebsten arbeiten würden, was sie von einem neuen Arbeitgeber erwarten und was sie bei ihrem alten vermissen.

'BMW wirkt sehr überzeugend auf potenzielle Bewerber. Das Unternehmen bemüht sich stark um den Nachwuchs, geht an die Hochschulen und auf Messen, ist in Social Media präsent, bietet Praktika und andere Einstiegsmöglichkeiten wie Trainee-Stellen', sagt Holger Koch, Geschäftsführer von trendence. In der Wahrnehmung der potenziellen Bewerber punkte der Münchner Automobilhersteller mit einem guten Arbeitgeber-Image und stehe wie kaum ein anderer für attraktive Arbeitsaufgaben, faszinierende Produkte und Innovationskraft. Das Auto ist in Deutschland ein Statussymbol und überall zu sehen. Deshalb ist die Automobilindustrie bei jungen Berufstäti gen so beliebt.

Was erwarten sie von ihrem neuen Arbeitgeber?

Und bei BMW ist es nicht nur diese Gruppe: 'Eine weitere Stärke der Münchner ist es, besonders viele verschiedene Bewerbergruppen von sich zu überzeugen - weibliche ebenso wie männliche Nachwuchskräfte, High Potentials ebenso wie die breite Masse, Ingenieure ebenso wie Natur- und Geisteswissenschaftler', so Koch. Einige weitere Ergebnisse der Studie sind: Amazon hat die Rote Laterne, staatliche Organisationen werden als Arbeitgeber immer beliebter, und nur jeder zweite junge Berufstätige würde seinen aktuellen Arbeitgeber an Freunde und Bekannte weiterempfehlen. So verwundert es nicht, dass 36 Prozent innerhalb der nächsten zwei Jahre die Stelle wechseln wollen. Doch wohin zieht es sie? Wieder zu den Firmen, die für sie als Einsteiger ins Berufsleben so interessant waren? Und was erwarten sie von ihrem neuen Arbeitgeber?

Kollegialität, ein hohes Maß an Eigenverantwortung, einen attraktiven Standort und spannende Aufgaben, das erwarten sie in dieser Reihenfolge. Die Young Professionals wurden aber nicht nur nach ihren Wünschen gefragt, sondern auch danach, was sie bei ihrem Arbeitgeber vermissen. An erster Stelle wurde ein guter Führungsstil genannt. Anderen mangelt es an Karriereperspektiven, einem guten Gehalt und an der eigenen Wertschätzung. Die Unzufriedenheit und daraus resultierende Wechselwilligkeit scheint bekannt: fast zwei Drittel der Befragten wurden in den vergangenen sechs Monaten ein- bis fünfmal von Headhuntern angerufen. Für eine Berufsgruppe hat die trendence-Studie eine Antwort darauf gefunden, ob die Wunscharbeitgeber mit zunehmendem Alter dieselben bleiben: Unternehmensberatungen sind vor allem aus Sicht von Berufseinsteigern interessant, bei den über 30-Jährigen sind sie weit weniger beliebt. Das gilt auch für die Automobilindustrie.

Die Personalberatung sucht im Kundenauftrag neue Mitarbeiter

'Wir hören sehr oft, dass erfahrene Kandidaten ablehnen, wenn wir ihnen eröffnen, dass unser Auftraggeber aus der Automobilindustrie kommt', sagt Dr. Reinhard Scharff, geschäftsführender Gesellschafter von personal total in Stuttgart. Die Personalberatung sucht im Kundenauftrag neue Mitarbeiter. Zum Automobilhersteller würden die Professionals noch eher gehen als zu den Zulieferern. 'Die Zustände bei den Herstellern sind hart, bei den Zulieferern manches Mal fast unerträglich.' Dort müsse der letzte Zehntelcent aus jedem Teil gepresst werden, um eine Chance zu haben, der Lieferant zu bleiben oder zu werden. Außerdem gilt die Automobilindustrie als sehr anfällig für Personalabbau, da es in ganz Europa eklatante Überkapazitäten an Fahrzeugen gibt. 'Die Leute haben schlichtweg Angst, wenn sie in diese Branche wechseln, dem Lifo-Prinzip zum Opfer zu fallen.'

Lifo steht für Last in, first out. Aus empirischer Sicht kann Dr. Sven Laumer, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bamberg, die praktischen Erkenntnisse des Personalvermittlers nicht bestätigen. 'Was die Attraktivität eines Arbeitgebers angeht, stellen wir keine Unterschiede von Jung zu Alt fest.' Seit Jahren wird am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik das Bewerberverhalten in der Studie 'Bewerbungspraxis' untersucht. An der Generation Y, den aktuellen Berufseinsteigern, der eine Work-Life-Balance so wichtig ist, erklärt Laumer, warum es nach seiner Meinung keine Unterschiede gibt: Die Werte, die von den Jungen für wichtig erachtet werden, übertragen sich mit der Zeit auch auf Ältere.'

Ebenso wenig wie Scharff kann Erik Bethkenhagen, Geschäftsführer bei Kienbaum Communications, seine Aussage empirisch begründen, dass es doch Unterschiede gibt. 'Professionals stellen die Aufgabe in den Vordergrund und nicht die Marke. Sie gehen auch jederzeit in den Mittelstand, wenn das mehr Verantwortung, einen größeren Gestaltungsspielraum und mehr Gehalt bringt.' Bethkenhagen hält es für unerlässlich, dass auch Mittelständler sich eine Arbeitgebermarke aufbauen, um im Wettbewerb um Nachwuchskräfte nicht unterzugehen.