Nicht alle Soldaten kehren aus dem Krieg heim. Foto: privat

Nach wenigen Wochen gefallen oder mit einer völlig anderen Sicht auf die Gesellschaft heimgekehrt: Wie die Menschen in Bad Cannstatt den Ersten Weltkrieg erlebten und welche Schicksale sich in den Familien abspielten, ist Thema der aktuellen Ausstellung im Stadtmuseum.

Bad Cannstatt - Deutschland war auf einen längeren Krieg nicht vorbereitet. Schon Ende Juli 1914 wurden manche Geschäfte gestürmt, um Lebensmittel zu horten. Als sich die Versorgung in den folgenden Monaten noch mehr verschlechterte, wurde im Frühjahr 1915 die Rationierung von Nahrungsmitteln eingeführt. Stuttgart war die erste deutsche Großstadt, die Mehl- und Brotkarten herausgab. Der 1890 in Cannstatt geborene Fritz Elsas organisierte diese Maßnahme. Er war wegen seiner Kurzsichtigkeit nicht zum Militärdienst eingezogen worden und begann am 1. Februar 1915 als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter als Leiter des Mehlhauptamtes zu arbeiten. Nächtelang saß er an den Entwürfen der ersten Brotkarte, für die es noch kein Vorbild gab. Je länger der Krieg dauerte, umso wichtiger für Elsas’ Dienstelle, die schon bald zum „Städtischen Lebensmittelamt“ aufgewertet worden war. Bei Kriegsende war er Leiter von acht Abteilungen mit über 200 Mitarbeitern. Die Lebensmittelversorgung Stuttgarts galt zwischen 1914 und 1918 als eine der Besten in Deutschland. Trotz seines Beitrags zur Kommunalversorgung wurde Fritz Elsas im Januar 1945 im KZ Sachsenhausen zu erschießen.

Gefallen nach wenigen Wochen

Für mache dauerte der Krieg nur wenige Wochen. Der Cannstatter Gärtner Karl Epple diente vom 5. August 1914 an als Gefreiter im Landwehr-Infanterie-Regiment 119. Nach seiner Verwundung kam er zunächst ins Lazarett Mühlhausen und dann ins Reservelazarett Badenweiler im Schwarzwald. Von dort schrieb er seiner Familie noch am 22. September eine Feldpostkarte in die Hofener Straße nach Cannstatt. Danach muss sich sein Zustand verschlechtert haben, denn vier Tage später erhielt seine Frau ein Telegramm mit der Todesnachricht. Die Leiche wurde nach Cannstatt überführt und Karl Epple auf dem Ehrenfeld für Gefallene des Ersten Weltkriegs auf dem Waldfriedhof beigesetzt.

Der Krieg verändert das Denken

Trotz solcher Schicksale gab es viele junge Männer, die in den Krieg ziehen wollten. Leopold Marx, der Leiter der Gurten- und Bandweberei Gutmann & Marx am Wilhelmsplatz, empfand es als Zurücksetzung, als Leiter eines kriegswichtigen Unternehmens nicht in den Krieg ziehen zu dürfen. Zwei Gedichtzeilen zeigen dies deutlich: „Glücklich ein jeder, der mit scharfer Wehre/im Kampfgewühl der Fronten wacht und ficht“. Als es ihm schließlich gelingt, anstelle seines Bruders an die Front zu kommen, währt sein Dienst nicht lange. 1916 gerät er in Gefangenschaft. Zuletzt kommt er nach St. Quentin im Nordosten Frankreichs. Arbeit und Langeweile, Korruption, Schikanen und vor allem Heimweh prägen den Alltag. Drei Verse aus dem Gedicht „1918 (Ein Kriegsgefangener)“ machen deutlich, wie sich Leopold Marx’ Denken gewandelt hat: „Für Deutschlands Recht – heut muss ich’s anders sagen./Wir standen nicht für Deutschlands Recht im Feld./Das Recht war nirgends – Unrecht zwang die Welt ...“.