Lars Erdmann mit dem ersten Stuttgarter Wodka aus Kartoffeln. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Das Prinzip ist einfach: die Kundschaft will Neues! Und deshalb wird auf dem Getränkemarkt jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Im Spirituosenbereich heißt das: Erst brannten alle schwäbischen Whisky, dann ging’s um Gin, nun scheint der Wodka dran zu sein.

Stuttgart - Die eine Flasche glitzert glamourös, die andere ist elegant matt und die dritte ein gläserner Totenkopf. Crystal Head Vodka heißt das Getränk, das darin steckt. „Wodka wird verstärkt nachgefragt“, sagt Matthias Rong, Abteilungsleiter bei Galeria Kaufhof Gourmet. Vor allem die Topqualitäten seien gefragt – samt der guten Geschichte zum jeweiligen Getränk. Sogar mit Blattgold versehener Wodka steht im Regal des Kaufhauses. „Die Verpackung ist sehr wichtig“, sagt Matthias Rong. Bei 50 bis 60 Euro müsse jedoch zugleich die Qualität stimmen. Und der Trend zur Regionalität kommt auch beim Kartoffelschnaps zur Geltung: „Die Leute wollen einfach wissen, was hinter den Produkten steckt“, sagt er.

Erst schwäbischer Whisky, dann plötzlich Gin aus der Region – und nun Wodka?

Der Onlinehändler Bottleworld hat ausgerechnet, dass sich das Angebot in fünf Jahren mindestens verdoppelt hat. Die Firma hat selbst allein 60 deutsche Wodkamarken im Sortiment. Wodka ist ohnehin die am meisten getrunkene Spirituose in Deutschland, inzwischen machen sich auch regionale Brennereien daran.

Wodka ist die reinste Form von Schnaps

Wie Lars Erdmann. In Heumaden steht der junge Mann in seinem Keller und zeigt voller Stolz seine Schätze. Einen Brombeerbrand. Die ganze Familie musste dafür „vier Tage lang zopfen“, sagt Lars Erdmann. Aus hundert Kilo der Beeren destillierte er zwei Flaschen. Und wenn er diese zwei Flaschen anschaut, glänzen seine Augen. Wodka ist dagegen aus seiner Sicht nicht ganz so spannend, aber einen Versuch wert. „Wir machen, was uns Spaß macht“, sagt der 36-Jährige. Lars Erdmann startete den Versuch, weil er echten russischen Wodka probiert hat. „So einen möchte ich mal machen“, dachte er sich, obwohl der Schnaps für einen ambitionierten Brenner keine Herausforderung darstellt. Seinen Wodka macht er aus Kartoffeln, nicht wie viele anderen Brennereien aus Korn. Wodka ist die reinste Form von Schnaps: Er besteht eigentlich fast nur aus Ethanol und Wasser, ist nicht vergleichbar mit Obstbränden, die deshalb wesentlich mehr Geschmack bieten. „Für einen guten Wodka braucht es Handwerkskunst“, sagt er, „aber aus Quitten etwas Ordentliches hinzubringen, ist viel schwieriger!“

Sein Wodka ist ihm prompt gelungen, mit der Kartoffelmaische kam er zurecht. Am Wochenende präsentiert er ihn im Römerkastell bei der 0711 Spirits, der Messe für Hochprozentiges. Dort versucht sich Lars Erdmann nun auch in Marketing, was nicht so ganz sein Ding ist. Schwäbischen Whisky zum Beispiel hat er ignoriert, weil er sich die Brennerlaubnis für mehlige Stoffe hätte besorgen müssen. Es hätte sich möglicherweise gelohnt, denn Whisky verkauft sich nach wie vor sehr gut. Schwäbischen Gin macht der 36-Jährige seit zehn Jahren – bereits zu einer Zeit, als der Monkey 47 aus dem Schwarzwald noch nicht für Aufsehen sorgte.

Spirituosen sind seine Herzensangelegenheit

Leben kann Lars Erdmann von seiner Brennerei dennoch nicht, „dazu müsste ich einfach ein besserer Verkäufer sein“. Als IT-Berater verdient er sein Geld, die Spirituosen sind allerdings sicher mehr als ein Hobby, auf jeden Fall eine Herzensangelegenheit. Seine Augen schweifen durch den Keller und landen beim Brombeerschnaps, den er am liebsten selbst trinken würde. Aber sein Opa habe ihm immer gesagt: Was im Keller ist, wird auch verkauft. Einen ganz besonderen Brand aus der Cornellkirsche lagert er deshalb in seinem Privatkeller – damit er ihn behalten kann.

Beim Bundesverband der Brenner wird Wodka nicht ganz so viel Potenzial als neuer Verkaufsschlager zugestanden, da es auch viel im Billigsegment gibt. Im Schnitt trinkt jeder Deutsche 5,4 Liter Schnaps im Jahr, zuletzt vor allem Wodka, Rum und Whisky. Gin habe aber immer noch die größten Steigerungsraten, meint Gerald Erdrich von dem Verband. Wodka ist dank der Osteuropäer schon längst der weltweit am meisten getrunkene Schnaps. Gin ist sogar noch leichter zu machen als Wodka: Dafür wird reiner Alkohol aus der Apotheke mit Kräutern angesetzt und später gebrannt. 100 Kilogramm ergeben 97 Liter Gin. Und das ist natürlich kein Vergleich mit der Brombeere, von der 100 Kilogramm nötig sind für zwei Flaschen. Lars Erdmann liegt momentan einfach nicht im Trend: Obstbrände sind die Verlierer beim Schnapsverkauf.