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Warum wählen junge Frauen so selten CDU? Weil sie den anderen Parteien mehr zutrauen – selbst in der Wirtschaftspolitik. Die CDU-Spitze versucht nun, das Ruder herumzureißen.

Stuttgart - Frauen im Land sehen in den Grünen eher einen Garanten für Wirtschaft und Wohlstand als in der CDU. Dies ergab eine Telefonumfrage unter 1025 repräsentativ ausgewählten Baden-Württembergern, die der Landesverband bei dem Stuttgarter Politikwissenschaftler Oscar Gabriel in Auftrag gegeben hatte.

„Für die CDU ergibt sich ein Bild, über das sie nachdenken muss“, sagte Gabriel am Montag und nannte die Kompetenzzuweisung „zum Teil erschütternd niedrig“. So liegen die Grünen bei der Ökologie mit weitem Abstand vor den Christdemokraten, wobei die Frauen der CDU noch weniger zutrauen als die Männer. Beim Thema Kinder und Jugend dominiert die SPD, ebenso auf den Feldern Soziales und Alter.

Merkel allein reicht nicht

CDU-Landeschef Thomas Strobl sprach von einem „ernüchternden Ergebnis“ und kündigte an, die Umfrage werde nun in der Partei intensiv diskutiert. Offenbar reiche der alte Wachstumsbegriff nicht mehr aus, um „Lebenszufriedenheit“ herzustellen. Ökologie und gesundes Leben seien den Menschen ebenso wichtig. Strobl: „Wenn wir das ernst nehmen wollen, muss das in unsere Programmatik einfließen.“

Er räumte ein, für viele Resultate keine Erklärungen und Schlussfolgerungen parat zu haben. In seiner Partei erwartet er denn auch lebhafte Diskussionen. In der CDU Baden-Württemberg müsse sich ein neues Denken breitmachen. „Es kann nicht sein, dass bei einem Kreisparteitag einer sagt: Wir haben schon die Merkel an der Spitze, das reicht doch wohl“, sagte Strobl.

22 Prozent Frauen in der CDU

Für eine Volkspartei sei ein Frauenanteil von 22 Prozent nicht akzeptabel. Bis 2020 soll er deshalb jährlich um ein Prozent steigen – auf mindestens 30 Prozent: „Mehr Frauen in der CDU, mehr Frauen in unseren Vorständen und mehr weibliche Mandatsträger auf allen Ebenen können unsere Politik wieder näher an die Lebenswirklichkeit der Menschen in Baden-Württemberg bringen“, sagte die Landesvorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz.

Konkrete Konsequenzen will die Parteispitze aber erst Anfang Januar 2013 auf der traditionellen Klausurtagung im Kloster Schöntal ziehen. Bis dahin soll eine Arbeitsgruppe unter Strobls Leitung ein Strategiepapier erarbeiten.

Anhaltspunkte für die Bedürfnisse von Frauen holte sich die CDU auch mit einer Online- sowie mit einer Straßenbefragung. „Häufig wurde der Ausbau der Kinderbetreuung gefordert, aber auch Respekt und Anerkennung für Familienarbeit“, sagte die Karlsruher Landtagsabgeordnete Katrin Schütz, die die Straßenumfrage zusammen mit ihrem Landtagskollegen Claus Paal konzipiert hat. Bemerkenswert sei aber auch, wie viel Zustimmung die CDU-Bundesvorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, in den Gesprächen erhalten habe.

Was bedeutet Wachstum heute?

Paal sagte, manche Resultate der Umfrage „tun wirklich weh“. Den Unternehmer beschäftigt, wie sich der Begriff Wachstum positiv besetzen lässt. Die Menschen wollten schon Wohlstand, ergänzte Strobl, aber sie akzeptierten nicht, dass die Chemiefabrik vor ihrer Haustür gebaut werde: „Die CDU muss sich diesen Widersprüchen stellen.“ Und sie müsse aufpassen, nicht Opfer ihres wirtschaftspolitischen Erfolgs zu werden.

Was die Bewertung von politischen Aufgaben angeht, so habe die Umfrage in der Regel lediglich graduelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen zutage gefördert, sagte Gabriel: „Sie sind geringer, als man vermutet hätte.“ Allerdings zeige sich, dass Frauen auf die Themen Ganztagsschulen, Ausländerintegration, Erziehung, Pflege sowie Frauenquote mehr Wert legten als Männer. Auch Ökologie habe für Frauen eine höhere Präferenz.

Die CDU will nicht grün werden

Strobl verwahrte sich jedoch gegen die Vermutung, die CDU werde nun grün. Die Unterschiede seien eindeutig – zum Beispiel in der Europa-, in der Finanz- oder in der Steuerpolitik: „Da trennen uns von dieser Landesregierung Welten.“ Die Kurskorrektur lasse sich auch nicht kurzfristig erreichen. Entscheidend sei, dass das Projekt „Frauen im Fokus“ nicht als einmalige Aktion betrachtet werde. Gabriel betonte, es sei das erste Mal, dass eine politische Partei die Präferenzen der Bevölkerung auf diese Art ermittle.

Bei der Landtagswahl 2011 hat die CDU zwar 39 Prozent der Wählerstimmen erhalten, die 16- bis 24-jährigen Frauen haben sie jedoch nur zu 28,3 Prozent gewählt. Das waren 6,3 Prozentpunkte weniger als 2006. Bei den 45- bis 59-jährigen Frauen fiel der Verlust für die CDU mit 7,5 Prozentpunkten besonders groß aus. In dieser Altersgruppe kam die Partei auf 31,6 Prozent.