In Lebensmitteln versteckt sich viel zucker: Zwölf Zuckerwürfel stecken allein in 100 Gramm Cornflakes. Foto: Paulista – Fotolia

Die Süße in Frühstücksflocken, Limonaden und Eingelegtem wird zu einem gesundheitlichen Problem: Beim ersten Zuckerreduktionsgipfel diskutieren Experten über Lösungen.

Stuttgart - Einst wurden die Kristalle als weißes Gold gehandelt. Doch inzwischen ist der gute Ruf des Zuckers dahin: Es ist eben viel zu viel davon vorhanden, insbesondere in Lebensmitteln. Weshalb der AOK-Bundesverband sich genötigt sah, am vergangenen Mittwoch den ersten Zuckerreduktionsgipfel zu eröffnen: Bei diesem haben Wissenschaftler, Politiker, Ärzte und andere Vertreter aus der Gesundheitsbranche sich Strategien überlegt, wie der zuckrige Konsum der Bundesbürger gesenkt werden könnte. Denn die übertreiben es mit dem Süßen: Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung lag der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch bei durchschnittlich gut 31 Kilogramm Zucker. Das sind etwa 85 Gramm Zucker täglich. Die Folgen sind laut dem AOK-Vorstandschef Martin Litsch schwerwiegend: Bereits 18 Prozent der Elf- bis 17-Jährigen seien übergewichtig oder gar adipös, also fettleibig.

Auchdie Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) warnt vor zu viel Zucker: „Es ist zwar in Ordnung, zehn Prozent der Gesamtenergiezufuhr in Form von Zucker zu sich zu nehmen“, sagt etwa Silke Restemeyer von der DGE. Schließlich ist Traubenzucker, Glukose genannt, ein unersetzlicher Energielieferant. Doch diese Gesamtmenge entspricht etwa nur 50 Gramm pro Tag. Die Weltgesundheitsorganisation WHO ist sogar noch strikter: Sie empfiehlt, möglichst nicht mehr als 25 Gramm täglich zu konsumieren.

Doch solche Ziele sind schwer zu erreichen: Zum einen misst kaum jemand genau ab, wie viel Zucker er täglich in seinen Kaffee oder Tee rührt oder beim Kochen verwendet. Ein großes Problem sieht Baptist Gallwitz, Präsident der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), vor allem in industriell gefertigten Produkten, denen Zucker zugesetzt wird. Oft sei Zucker in Lebensmitteln enthalten, in denen er nichts zu suchen habe. So konsumieren Verbraucher etwa reichlich Zucker, wenn sie Krautsalat, Essiggurken oder Müsli essen – meist ohne sich dessen bewusst zu sein.

Lebensmittel für Kinder sind oft besonders energiereich

Insbesondere Eltern unterschätzen häufig den Zuckergehalt in Lebensmitteln. Das zeigte eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Universität Mannheim , die beim Zuckerreduktionsgipfel vorgestellt wurde: Befragt nach dem Zucker in einem üblichen 250-Gramm-Fruchtjoghurt, lagen 92 Prozent der Eltern falsch. Durchschnittlich gehen sie von nur vier statt der tatsächlichen elf Zuckerwürfel in einem Becher aus. Diese Fehleinschätzung ist nach Ansicht der Forscher ein möglicher Risikofaktor für Übergewicht bei Kindern. Je stärker die Eltern den Zuckergehalt unterschätzten, umso höher sei der Body-Maß-Index (BMI) der Kinder. Der BMI beschreibt das Verhältnis von Körpergröße zu Gewicht. „Wir brauchen einfach mehr Transparenz über versteckten Zucker“, erklärte AOK-Chef Litsch. Die Lebensmittelindustrie aber sträube sich seit Jahren gegen eine auch für Laien verständliche Lebensmittelkennzeichnung. Die AOK will daher eine neue Kampagne starten, um auf mehr verbindliche Abmachungen zu dringen.

Weniger Zucker würden auch die Verbraucherzentralen begrüßen: Sie kritisieren, dass Lebensmittel für Kinder wie Frühstücksflocken oder bestimmte Milchprodukte häufig besonders energiereich sind. Dadurch gewöhnen sich Kinder schnell an den süßen Geschmack und verlernen, Produkte mit natürlicher Süße zu schätzen. Das kann sich auf die ganze Ernährung auswirken: „Wer viel Süßes isst, isst meist weniger Gemüse und Obst“, sagt auch die Ernährungsexpertin der DGE, Silke Restemeyer.

Fruchtzucker ist besonders tückisch

Einfache Kohlenhydrate, wie sie Zuckriges und Weißmehl liefern, sind vor allem für Menschen bedenklich, die metabolisch krank sind, also Übergewicht, Bluthochdruck, schlechte Blutfettwerte und eine Insulinresistenz haben. Solche Kohlenhydrate werden schnell im oberen Dünndarm gespalten und aufgenommen, erklärt Andreas Pfeiffer, Diabetologe am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. „Glukose bewirkt eine Hormonausschüttung, die den Stoffwechsel ungünstig beeinflusst“, sagt er. Unter anderem wird das Hormon GIP, das sogenannte Glukoseabhängiges insulinotropes Peptid, aktiviert, das die Entstehung von Übergewicht fördert.

Fruchtzucker, auch Fruktose genannt, der in der Industrie inzwischen häufig als Süßungsmittel eingesetzt wird, ist – trotz seines harmlos und gesund klingenden Namens – besonders tückisch. „Er bewirkt zwar keine Hormonausschüttung, muss aber direkt in der Leber verarbeitet werden“, sagt Pfeiffer. Fruktose in großen Mengen kann dazu führen, dass Fett in der Leber eingelagert wird und allmählich eine Fettleber entsteht, die wiederum das Diabetes-Risiko erhöht.

Die WHO rät inzwischen dazu, zuckerhaltige Getränke mit einer Sondersteuer von bis zu 20 Prozent zu belegen. Die DDG geht in ihren Forderungen noch weiter: „Es wäre sinnvoll, zuckerhaltige Lebensmittel generell zu besteuern und dafür gesunde steuerlich zu entlasten“, sagt DDG-Präsident Gallwitz. Darüber hinaus fordert er ein Werbeverbot für Kinderlebensmittel wie süße Cerealien sowie verbindliche Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas und Schulen: Ein reduzierter Genuss von Zucker im Kindesalter könnte sich langfristig positiv auf das Essverhalten der Kinder auswirken. Denn wer schon einmal eine Weile auf Süßigkeiten verzichtet hat weiß, dass das Verlangen nach Schokolade, Bonbons und Co. irgendwann nachlässt.

Wie gesund sind Zuckeralternativen?

Wie gesund sind Zuckeralternativen?

Brauner Zucker Die braune Zuckervariante sieht zwar vertrauenerweckender als die weiße aus, hat aber ebenso viele Kalorien. Vollzucker und Vollrohrzucker enthalten noch Reste von Melasse, ein Sirup, der bei der Zuckerproduktion entsteht. Daher finden sich auch Mineralstoffe und Vitamine in den Sorten, allerdings nur in unbedeutenden Mengen. Der wesentliche Unterschied ist die leicht malzige Geschmacksnote.

Süßstoffe Der schlechte Ruf, den Stoffe wie Aspartam und Saccharin haben, ist laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) unbegründet. „Dass Süßstoffe gesundheitliche Nachteile haben, ist widerlegt“, sagt die Ernährungsexpertin Silke Restemeyer von der DGE. Da sie praktisch keine Kalorien haben, können sie eine Übergangslösung für Menschen sein, die abnehmen wollen.

Honig Bezüglich seines Kaloriengehalts steht Honig genauso wie Agavendicksaft kaum besser da als Haushaltszucker. „Es kann nur sein, dass man zum Süßen ein bisschen weniger Honig braucht“, sagt DGE-Expertin Restemeyer. Allerdings ist Honig ein reines Naturprodukt. Er enthält in geringen Mengen auch Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe. Achtung: Für Babys kann er wegen möglicher bakterieller Verunreinigungen gefährlich sein.