Mehrere Standorte von Daimler wurden durchsucht. Ob die Konzernzentrale davon betroffen ist, sagte die Staatsanwaltschaft nicht. Foto: 7aktuell.de/Simon Adomat

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft sucht Beweise für die Manipulation des Schadstoffausstoßes nach dem Muster von VW. Vorstände sollen nicht verdächtigt werden. Der Autobauer schließt hohe Geldstrafen und Rückrufaktionen nicht aus.

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhöht den Druck auf Daimler. Mit einer groß angelegten bundesweiten Razzia haben die Ermittler am Dienstag nach Beweisen gesucht, die belegen, dass beim Stuttgarter Konzern wie bei VW die Abgaswerte von Dieselmotoren manipuliert wurden. „Wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung“ wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamts elf Objekte in Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen und Sachsen „nach beweiserheblichen Unterlagen und Datenträgern“ durchsucht. Insgesamt 23 Staatsanwälte und rund 230 Einsatzkräfte des Landeskriminalamts Baden-Württemberg, aller Polizeipräsidien des Landes sowie von Polizeidienststellen der anderen Bundesländer waren im Einsatz.

Verdächtigt werden „bekannte und unbekannte“ Daimler-Mitarbeiter. Weder die Staatsanwaltschaft noch der Autobauer wollten Details zur Razzia oder zu den Beschuldigten nennen. Ein Daimler-Sprecher sagte, dass kein Vorstandsmitglied unter den Verdächtigen sei. Daimler kooperiere vollumfänglich mit den Behörden. Die Staatsanwaltschaft hat nach längeren Untersuchungen vor einem Monat offizielle Ermittlungen wegen des Verdachts von Abgasmanipulationen aufgenommen. Erst nach diesem Schritt können die Ermittler Verdächtige verhören oder eine Razzia durchführen.

Die Sammelklagen haben auch das US-Justizministerium hellhörig gemacht

In den USA muss sich Daimler schon seit Längerem mit Sammelklagen von Autokäufern auseinandersetzen, in denen dem Unternehmen eine gesetzeswidrige Software-Manipulation und irreführende Werbung für Modelle vorgeworfen werden, die vom Hersteller als besonders umweltfreundlich gepriesen werden. Daimler hat die Vorwürfe wiederholt als unbegründet zurückgewiesen.

Die Sammelklagen haben auch das US-Justizministerium hellhörig gemacht. Vor knapp einem Jahr hat das Ministerium Daimler aufgefordert, das Zustandekommen der offiziellen Abgaswerte in den Vereinigten Staaten intern und unter Einbeziehung der amerikanischen Aufsichtsbehörden unter die Lupe zu nehmen. Es wird dabei hinterfragt, wie stark die Abgasnachbehandlung zum Schutz des Motors in niedrigen Temperaturbereichen heruntergeregelt wird. Diese Untersuchungen sind nach Angaben eines Daimler-Sprechers noch nicht abgeschlossen.

Die Werbung mit der Sauberkeit von Dieselmotoren steht auch im Mittelpunkt eines Rechtsstreits der Deutschen Umwelthilfe (DUH) mit Daimler vor dem Stuttgarter Landgericht. Daimler hatte die sogenannte Bluetec-Technologie mit den Worten beschrieben, dadurch werde der Schadstoffausstoß auf ein „Minimum“ reduziert. Dem hatte die Umwelthilfe die Untersuchung eines niederländischen Instituts gegenüber gestellt, bei der ein Mercedes C-Klasse Bluetec 220 CDi besonders schlecht abgeschnitten hatte. Auf dem Prüfstand seien die Werte zwar sehr gut gewesen, unter realen Bedingungen auf der Straße aber um ein Vielfaches überhöht. Vor diesem Hintergrund wertete die DUH die Werbeaussage als Versuch, die Verbraucher in die Irre zu führen. Den gleichen Vorwurf machen Daimler auch die amerikanischen Sammelkläger. Ende April erreichte die Umwelthilfe zumindest einen Teilerfolg: Das Landgericht verpflichtete den Autobauer Einzelheiten zu der bisher nur vage beschriebenen Reduzierung der Abgasreinigung bei niedrigen Temperaturen offenzulegen. Der Prozess soll im Juni fortgesetzt werden.

Die Razzia kommt für Daimler offenbar nicht ganz überraschend

Die Razzia kommt für Daimler offenbar nicht ganz überraschend. Im Risiko- und Chancenbericht zum ersten Quartal dieses Jahres hatte das Unternehmen bereits auf die Möglichkeit von Hausdurchsuchungen hingewiesen. Zugleich wurden hier auf erhebliche Risiken hingedeutet. Es sei nicht auszuschließen, dass bestimmte Funktionen bei der Software von Mercedes-Autos mit Dieselmotor wie bei Fiat-Chrysler in diesem Januar als unzulässig eingestuft würden. Dies könnte laut Zwischenbericht zu erheblichen Geldstrafen und Rückrufaktionen und einem erheblichen Reputationsschaden führen. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat sich schon vor zwei Jahren gegen den Verdacht von Betrügereien gewehrt. „Wir halten uns grundsätzlich an die gesetzlichen Vorgaben und haben keinerlei Manipulationen an unseren Fahrzeugen vorgenommen“, sagte Zetsche in einem Interview. Auf dem Genfer Autosalon räumte er in diesem Jahr indes ein, dass die Hersteller in der Vergangenheit Fehler beim Diesel gemacht hatten, indem gesetzliche Spielräume in unterschiedlicher Bandbreite ausgenutzt worden seien. „Da ist einiges falsch gelaufen“, sagte Zetsche.