Trotz der Brexit-Entscheidung von Großbritannien hat Europa seine besten Tage noch vor sich - meint Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: dpa

Trotz der Brexit-Entscheidung von Großbritannien hat Europa seine besten Tage noch vor sich - meint Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Er sei bereit, jeden Tag für Europa zu kämpfen.

Stuttgart - Nach dem Brexit-Votum hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in einer Regierungserklärung für einen „neuen Europäischen Geist“ geworben. Der Grünen-Politiker unterstrich am Mittwoch in Stuttgart die Bedeutung Europas für Deutschland und Baden-Württemberg. Mehr als 70 Jahre Frieden seien der europäischen Einigung zu verdanken, sagte Kretschmann im Landtag.

„Heute gilt auf europäischem Boden: Worte statt Waffen, Gipfel statt Granaten, Kooperation statt Krieg.“ Gerade der Südwesten mit seiner exportorientierten Wirtschaft profitiere von Europa. „Ohne die europäische Einigung, ohne den europäischen Binnenmarkt, wären wir nicht so wohlhabend wie wir sind. Auch das sollten wir nie vergessen.“

Bitterer Tag für Europa

Kretschmann nannte die Brexit-Entscheidung am 23. Juni einen „bitteren Tag für die europäische Einigung“ und für den Südwesten. Kaum ein Land habe dem europäischen Einigungsprozess so viel zu verdanken wie Baden-Württemberg. „Gerade in dieser tiefen Krise Europas sage ich deshalb ganz klar: Die Europäische Integration gehört für uns in Baden-Württemberg zur Staatsräson.“ Das Herz des Landes schlage für Europa. Die Entscheidung der Briten müsse man aber respektieren.

Die europäische Einigung sei aber anstrengend, mühsam und kräftezehrend. Oft fehle es an Transparenz und Verständlichkeit von Entscheidungen. Etwa in der Flüchtlingskrise habe Europa keine überzeugenden Antworten gegeben und keine ausreichende Handlungsfähigkeit gezeigt. „Diese Schwächen in der politischen Architektur Europas müssen klar und offen angesprochen und angegangen werden. Aber vergessen wir nie, was wir an diesem Europa haben. Es ist das Beste, das wir je hatten“.

Nicht in Schockstarre verfallen

Man dürfe jetzt nicht in Schockstarre, Hysterie oder Aktionismus verfallen, sagte Kretschmann und warb dafür, die Sorgen von Menschen ernst zu nehmen, die sich durch die Globalisierung verunsichert fühlen. „Arbeit, Einkommen, soziale Sicherheit: Diese Dimensionen der Europäischen Union müssen stärker betont und mit Leben erfüllt werden“, sagte der Regierungschef.

Es sei im Interesse aller, dass die Lebensbedingungen in den verschiedenen Ländern Europas nicht weiter auseinanderdrifteten. Alle Bürger Europas müssten vergleichbare Perspektiven haben. Sonst könnten die „Verlockungen vermeintlich einfacher Antworten“ wirken, fügte er mit Blick auf die erstarkenden europakritischen Rechtspopulisten in mehreren EU-Ländern hinzu.