Krautexperten unter sich: Gebhard Handte, Walter Schumacher und Jörg Kimmich (von links) Foto: Götz Schultheiss

Im Erhaltungsgarten in Stuttgart-Hohenheim wachsen derzeit elf verschiedene Sorten von Filderspitzkraut. Viele wüssten gar nichts von den alten Sorten des berühmten Krauts. Das wollen diese Bauern ändern.

Filder/Hohenheim - Die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Filder ist Bewahrerin des Filderspitzkrauts. „Wir haben im Juni in der Staatsschule für Gartenbau in Hohenheim einen Filderkrautgarten zum Erhalt der alten Sorten angelegt“, sagt Jörg Kimmich, der Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft. Gemeinsam mit zehn Landwirten sammelt und kultiviert er alte Krautsorten, damit diese nicht aussterben.

Elf Sorten gedeihen jetzt im Erhaltungsgarten. Das Projekt wird von der EU finanziert, die 2012 die Begriffe Filderkraut und Filderspitzkraut geschützt hat. „Wir sind jetzt das einzige Gemüseprojekt, das die EU fördert“, sagt Kimmich. Die anderen Projekte befassen sich mit einer italienischen Getreidesorte, einer kroatischen Schweinerasse und einem Frischkäse aus Frankreich. „Viele Menschen wissen nicht, dass es mehrere Sorten Spitzkraut gibt. Filderkraut ist der Oberbegriff für die bäuerlichen Landsorten. Heute gibt es noch 15 bis 20, und die gilt es zu erhalten, denn viele Sorten waren schon am Aussterben“, sagt Kimmich. Erhaltung alleine bringe aber nichts: „Unsere Arbeit ist nur dann sinnvoll, wenn die Bauern damit einen Teil ihres Einkommens bestreiten können. Man muss die Verbraucher gezielt an diese Sorten heranführen.“

Das alte Filderkraut muss bekannter werden

Im Jahr 2004 haben sich Kimmich und seine Mitstreiter zur Interessengemeinschaft Filder zusammengeschlossen, aus der schließlich im Juni 2017 die Erzeugergemeinschaft wurde. „Damals hat noch niemand von Regionalität gesprochen, und wir wurden belächelt“, sagt Kimmich. Nur einmal im Jahr, beim Krautfest in Leinfelden-Echterdingen, seien damals die traditionellen Sorten ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt worden.

Der Klimawandel setzt dem Kraut zu

Der Klimawandel, sagt der Experte, setze dem Filderkraut zu: „Temperaturen um 40 Grad sind schädlich. Das Kraut ist dann durch Krankheiten und Schädlinge gefährdet.“ Deshalb brauche man keine Agrarromantik: „Wir müssen nicht nur dem Klimawandel, sondern auch dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen. Deshalb sind wir im Kontakt zur Forschung in Hohenheim.“ Weil die Familien immer kleiner werden, müssen kleinere Krautköpfe gezüchtet werden. „1,5 bis zwei Kilogramm sind genau richtig für die Haushalte. Nur wer Sauerkraut machen will, braucht einen acht bis neun Kilogramm schweren Krautkopf“, sagt er.

Der Vorteil der alten Sorten liegt für Kimmich auf der Hand: „Die Qualität der feinen Blattstrukturen stimmt.“ Den Nachteil verschweigt der Experte nicht: „Die alten Spitzkrautsorten sind nicht lagerfähig, außer man verarbeitet sie zu Sauerkraut.“ Neue Hybridsorten könnten nur in der Form, nicht aber im Geschmack mit den alten Sorten mithalten. Mühsam ist auch die Samengewinnung: „Vor dem Winter wird das Kraut mit der Wurzel ausgegraben, im Keller gelagert und im Frühjahr ausgesetzt. Wenn das Kraut dann wie Raps gelb blüht, wird aus den Blüten der Samen gewonnen.“

Lob für die Arbeit der Erzeugergemeinschaft

Bei der Präsentation des Erhaltungsgartens an der Staatsschule für Gartenbau Hohenheim am Montag mit Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, zeigten sich die Bauern Gebhard Handte aus Filderstadt und Walter Schumacher aus Plieningen, beide Gründungsmitglieder der Interessengemeinschaft, zufrieden mit der Krauternte: „Der Regen in diesem Jahr hat dem Kraut gutgetan. Die Köpfe sind größer als in den vergangenen beiden trockenen Jahren.“ Dass Filderspitzkraut anfälliger gegen Schädlinge ist als das Rundkraut, tragen die beiden mit Humor: „Ungeziefer schätzt Qualität auch.“ Gurr-Hirsch lobte die Arbeit der Erzeugergemeinschaft und stellte eine Förderung des Landes in Aussicht. Bald beginne die vom Ministerpräsidenten initiierte Biodiversitätsstrategie zum Artenschutz. „Wir sehen dann, was geschützt werden muss, und wenn es Projektansätze gibt, sind wir dabei.“