Ergun Can (links) will in den Landtag. Josip Juratovic (rechts) sitzt bereits im Bundestag. Beide diskutierten am Donnerstag über Flüchtlinge und Integration. Foto: Rüdiger Ott

Als Fünfjähriger kam der Degerlocher Lokalpolitiker Ergun Can aus der Türkei nach Schramberg. Zusammen mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Josip Juratovic diskutierte Can in Möhringen über Flüchtlinge und Integration.

Möhringen/Degerloch - Klar, in vier Monaten wird der neue Landtag gewählt. Da wollen sich die Kandidaten präsentieren, in diesem Fall Ergun Can, der für die SPD im Filderwahlkreis antritt. Und natürlich führt dieser Tage kein Weg am Flüchtlingsthema vorbei. Doch der Gast, der auf Einladung der Filder-Ortsvereine am Donnerstag in die Alte Kelter Vaihingen kam, hatte doch einiges zu erzählen, was sonst eher untergeht. Josip Juratovic, seines Zeichens Bundestagsabgeordneter und dort Integrationsbeauftragter, berichtete von Stammtischparolen in seiner Heilbronner Heimat und kroatischen Krankenhäusern, denen die Ärzte abhanden gekommen sind.

Juratovic fordert mehr Deutschkurse

Jeder weiß, dass Integration am besten über die Arbeit funktioniert. Diese Binsenweisheit formulierte auch Juratovic, warb für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse genauso wie einschlägiger Arbeitserfahrung und mehr Deutschkurse. An Ideen mangele es nicht, auch nicht am Willen und am Geld, sondern am Personal. „Wir lieben den schlanken Staat“, sagte er. Der funktioniere auch ganz gut, „aber wenn es eine Krise gibt, dann kommen wir nicht mehr hinterher“. Die Folge ist unter anderem der gigantische Stau bei der Bearbeitung von Asylanträgen.

Mehr Beamte, mehr Mitarbeiter, das ist typisches sozialdemokratisches Credo. Wie man der aktuellen Situation Herr werden könne, darauf hatte er auch keine Antworten. Aber wer kann die derzeit schon liefern, wenn es sich dabei um Tiefgründigeres als bloße Parolen handeln soll.

Kneipen statt Politik

Statt über die große Politik sprach er denn auch lieber über Kneipen. Wenn er, der Kroate, der 1974 mit 15 nach Deutschland kam, mit Sprüchen konfrontiert wird wie „das mit den Ausländern ist schwierig, aber zu denen gehörst du ja nicht“, kann er schon sauer werden. „Aber nicht auf den, der das sagt, sondern auf den, der still danebensitzt.“ Und überhaupt, Migration habe nicht nur Auswirkungen auf Deutschland. Neulich war er in Kroatien, da wurde ihm von einem Krankenhaus berichtet, dass die Hälfte seiner Ärzte verloren hat. Sie hätten sich in der EU Jobs gesucht. „Soll ich denen erzählen, sie sollen bleiben und ihr Land aufbauen, wenn sie dafür aber keine Perspektive haben?“, fragte Juratovic.

Migrationsgeschichten konnte auch Can erzählen. 1964 kam das Kind türkischer Eltern nach Schramberg, in den tiefsten Schwarzwald. Deshalb weiß er: „Eine Willkommenskultur kann man nicht auf Papier schreiben, das fühlt man. Ich hab es gespürt als fünfjähriger Bub.“