Das jubelnde Führungsduo der AfD: die Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel Foto: AP

Allen Streitigkeiten und aller Kritik an ihrem provokativen Auftreten zum Trotz: Die AfD hat es mit einem sehr guten Ergebnis ins Parlament geschafft.

Berlin - Fast eine Stunde müssen die Funktionäre und Mitglieder der AfD auf dieses Zeichen warten. Als die Spitzenkandidatin Alice Weidel kurz vor 19 Uhr zur Wahlparty am Berliner Alexanderplatz stößt, tritt sie auf die Bühne und umarmt den Spitzenkandidaten Alexander Gauland. Die Anhänger jubeln. Dass die Spitzenleute der Alternative für Deutschland einen derart fulminanten Wahlsieg einfahren, haben die Protagonisten selbst nicht geglaubt. „Ich habe nicht mit einem zweistelligen Ergebnis gerechnet“, räumt Gauland ein. Er habe auf eine Stimmenzahl von neun bis zehn Prozent gehofft. Dass es gut 13 Prozent werden könnten, bewertet die AfD als sensationellen Erfolg.

Keine andere Partei in der Nachkriegszeit hat einen derart rasanten Aufstieg erlebt. Mit dem Ergebnis wird die AfD drittstärkste Kraft im Bundestag. Auch wenn den Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel die Erleichterung anzumerken ist, gehen sie mit Siegerposen sparsam um. Sie wissen, dass die Erwartungen bei den Anhängern in die Höhe geschossen sind. „Auf uns lastet jetzt sehr viel Verantwortung“, meint die frisch gewählte Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch. Spitzenkandidat Gauland machte aber sofort eine Kampfansage an die künftige Bundesregierung: „Sie kann sich warm anziehen. Wir werden sie jagen“, sagte er. „Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“

Gauland und Weidel sind unumstritten

Gauland und Weidel sind nun die unumstrittenen Galionsfiguren der Partei. Der Politiker aus Brandenburg sieht das gute Abschneiden als einen großen Tag in der Parteiengeschichte. „Wir haben es geschafft“, sagt er und kündigt an, die AfD werde das Land verändern. Worin diese Veränderungen bestehen, deutet Weidel später an. Zunächst will die junge Partei im Bundestag dafür eintreten, dass ein Untersuchungsausschuss gebildet wird, um die Entscheidungen von Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik auf den Prüfstand zu stellen. Allerdings benötigt die AfD im Parlament für einen Untersuchungsausschuss Verbündete.

So recht zur Siegesfreude will auch nicht passen, dass die Parteioberen an diesem Abend auffällig oft warnen, und zwar die eigenen Leute. Gauland ruft den künftigen Bundestagsabgeordneten entgegen: „Bitte keine Sprüche, die uns später auf die Füße fallen werden.“ Und auch Weidel appelliert an die Disziplin der künftigen Kollegen. An die eigenen Abgeordneten gewandt sagt sie: „Seien sie sich der Verantwortung bewusst.“ Die Hinweise kommen nicht von ungefähr. Es werden auch AfD-Abgeordnete in den Bundestag einziehen, die selbst die Parteiführung am extremen rechten Rand ansiedelt. Die Fraktion zu führen, könnte eine Herkulesaufgabe werden. Weidel und Gauland machten den Fraktionsmitgliedern das Angebot, die mehr als 80 Abgeordneten zu führen.

Frauke Petry spielt keine große Rolle mehr

Damit vollzieht sich in der AfD erneut ein Führungswechsel. Erst auf dem Parteitag im April hatten die AfD-Delegierten Weidel und Gauland auf den Schild gehoben. Das galt damals als Experiment mit offenem Ausgang. Die Bewährungsprobe haben beide Politiker bestanden. Schon auf der Wahlparty in Berlin zeichnet sich ab, dass die Parteivorsitzende Frauke Petry künftig keine große Rolle mehr spielen dürfte. Petry fehlte beim Feiern des Wahlergebnisses in der Hauptstadt. Anwesend ist dafür der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen, der auf dem Parteitag im Dezember wieder kandidieren will. Allerdings hat Meuthen, der auch AfD-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag ist, klargemacht, dass er auf keinen Fall zusammen mit Petry die AfD leiten will. Die sächsische Spitzenkandidatin Petry spielte schon im Wahlkampf eine untergeordnete Rolle. Seitdem sie die AfD vor dem Abdriften in die rechte Ecke warnte, ist sie isoliert. Dass sie sich wenige Tage vor der Wahl über Äußerungen des Spitzenteams entsetzt zeigte, wird ihr verübelt. In der AfD können Karrieren schnell vorüber sein. Allerdings holte Petry im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge das erste Direktmandat für ihre Partei.

Der Wahlkampf legt auch die Strategie für die nächsten Jahre fest: Das Kalkül ist aufgegangen, dass provokante und rassistische Äußerungen wie die des Spitzenkandidaten Gauland der Partei mehr nutzen als schaden. Auf diese Weise schaffte es die AfD, sich im Gespräch zu halten. An deutschnationalen Töne stören sich viele Wähler nicht. Damit zeichnet sich die Ausrichtung der AfD im Bundestag ab: Der Ton im Parlament dürfte rauer werden. Weidel und Gauland kündigen an, im Bundestag eine wahrnehmbare Stimme der Opposition sein zu wollen. Die AfD werde große Debatten anzetteln. Was darunter einige AfD-Anhänger verstehen, macht auf der Wahlparty in Berlin ein Mitglied aus Sachsen-Anhalt deutlich. „Jetzt wird aufgeräumt“, ruft Steven Hellmuth während Gaulands kurzer Rede in die Runde.