Das Feuerwehrgerätehaus in Stammheim soll einem Bürger- und Familienzentrum weichen. Die Stadträte müssten dafür rund 3,3 Millionen Euro bereit stellen. Foto: Archiv Schüler

Oberbürgermeister Fritz Kuhn kann viele Wünsche des Jugendamtes nicht erfüllen. Die Zuschüsse für neue Stadtteil- und Familienzentren sind im Entwurf der Rathausspitze nicht enthalten.

Stuttgarter Norden - Die Wunschliste des Jugendamtes und der Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer für die anstehenden Haushaltsberatungen ist lang. Ein Schwerpunkt liegt erneut auf dem Ausbau der Kinderbetreuung. In den kommenden zwei Jahren sollen noch einmal mehr als 500 Plätze für Mädchen und Buben unter drei Jahren sowie knapp 300 Plätze für Kinder zwischen drei und sechs Jahren geschaffen werden. Die Kosten hierfür belaufen sich auf rund 42 Millionen Euro. Dieses Vorhaben unterstützt auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn, der jüngst dem Gemeinderat seine Vorschlagsliste präsentierte.

Doch das Stadtoberhaupt musste auch vielen Wünschen des Jugendamtes eine Absage erteilen. Alle Projekte und Maßnahmen könnten aus finanzieller Sicht nicht umgesetzt werden, sagte Kuhn. Unter anderem sind der Ausbau und die Weiterentwicklung der Stadtteil- und Familienzentren bei der Rathausspitze durchs Raster gefallen – sehr zum Leidwesen der freien Träger, die am Montag in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses noch einmal auf die Förderung der Stadtteil- und Familienzentren drängten. Das letzte Wort werden nun die Stadträte im Rahmen der Haushaltsberatungen haben.

Das Ziel der Stadtteil- und Familienzentren ist, für alle Bewohner des Stadtteils ein Ort der Begegnung zu sein. Derzeit gibt es im Stuttgarter Norden nur ein Zentrum dieser Art: den Treffpunkt Pfaffenäcker in Weilimdorf. „Es war so schwierig, an die Bürger in diesem Gebiet heranzukommen. Der Treffpunkt hat dem Stadtteil so gut getan“, sagt Martin Kapler, der Leiter des Kinder- und Jugendhauses Giebel und des Jugendhauses Weilimdorf. Der Treffpunkt Pfaffenäcker existiert seit fünf Jahren und wird seit 2012 von einer hauptamtlichen 50-Prozent-Kraft betrieben. „Das Zentrum ist sehr gut besucht, die verschiedenen Angebote werden gut angenommen: der Internationale Eltern-Kind-Treff, der offene Café-Treff, Kurse und Veranstaltungen der Volkshochschule, die Hausaufgabenbetreuung und der Winterspielplatz für Familie“, schreibt Isabel Fezer in einer Vorlage an den Gemeinderat. „Die Angebote sollen nun ausgebaut werden. Unter anderem ist ein Mittagstisch geplant. Das Zentrum soll künftig fast durchgängig an bis zu 50 Wochen im Jahr geöffnet sein.“ Deshalb beantrage die Stuttgarter Jugendhausgesellschaft eine höhere Förderung. Es geht um eine Summe von jährlich 6000 Euro.

Bürger- und Familienzentrum in Stammheim gewünscht

Angelehnt an das Erfolgsmodell aus dem Pfaffenäcker soll nun auch in Giebel ein Stadtteil- und Familienzentrum entstehen – unter dem Dach des Kinder- und Jugendhauses, wo schon eine Kita und das Büro des Bürgervereins angesiedelt sind. Das sogenannte Giebelhaus solle der hohen Anzahl von Familien und Kindern im Stadtteil Rechnung tragen und ein Ort der Begegnung werden, heißt es in der Vorlage an den Gemeinderat. Das Stadtteil- und Familienzentrum könne am Vormittag den offenen Bereich des Jugendhauses für Familien- und Elterntreffs nutzen. Die Gruppenräume und der große Veranstaltungssaal würden sich für Kreativ- und Bewegungsangebote eignen. „Wir können derzeit ein paar Angebote wie Pekip oder einen Kinder-Musikgarten anbieten, aber der Bedarf an solchen Angeboten ist viel größer“, sagt Kapler. Deshalb brauche man eine hauptamtliche 50-Prozent-Kraft, welche die Angebote koordiniert. „Es geht um Zeit und ein gutes Netzwerk. Wir wollen vor allem noch die Erwachsenen mit Migrationshintergrund für unsere Angebote gewinnen“, sagt Kapler. Mehr als 57 000 Euro benötige man pro Jahr.

Geld soll auch ins „Zuffen-Haus“ an die Lothringer Straße fließen. Im vierten Quartal 2017 soll das neue Stadtteil- und Familienzentrum in Betrieb gehen. Die Einrichtung sei wichtig, da in diesem dicht besiedelten Gebiet viele Menschen mit Migrationshintergrund und Senioren lebten. Mindestens 40 Prozent der Heranwachsenden kämen aus Familien mit Bonuscard. Immer wieder wurde vor Ort der Wunsch nach einer „Begegnungsstätte für alle Generationen“ und einem „Haus, das bespielt werden kann“ laut. Nun soll an der Lothringer Straße ein Gebäudekomplex entstehen, in dem nicht nur das Stadtteil- und Familienzentrum unterkommen wird, sondern auch eine Awo-Begegnungsstätte, die Mobile Jugendarbeit und eine Kita. Für die Realisierung des Stadtteil- und Familienzentrums fehlen aus heutiger Sicht ab 2018 noch rund 100 000 Euro pro Jahr. Auch diese Mittel finden im kommenden Haushalt noch keine Berücksichtigung.

Schlechte Karten hat bislang auch das Bürger- und Familienzentrum Stammheim. An der Korntaler Straße wird wohl im Sommer 2016 die Freiwillige Feuerwehr ausziehen. Das Gebäude soll dann abgerissen werden. Der Neubau soll als Bürger- und Familienzentrum genutzt werden. Für die Bezirksbeiräte steht dieses Projekt ganz oben auf der Wunschliste. „Ich habe jetzt noch einmal an die Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat und an die Betreuungsstadträte geschrieben und ihnen gesagt, warum das Bürger- und Familienzentrum für uns so wichtig ist“, sagt Bezirksvorsteherin Susanne Korge. Derzeit werden schon ein kleiner Saal und zwei Gruppenräume im Feuerwehrgerätehaus von verschiedenen Gruppen genutzt. „Die Räume sind heiß begehrt. Der Bedarf ist riesig“, betont Korge. Trotz der schlechten Bedingungen, seien die Räume komplett belegt. In Stammheim brauche man dringend ein Gebäude, in dem man sich treffen und begegnen könne. Eine Sanierung des Gebäudes ist nicht wirtschaftlich. Rund 3,3 Millionen Euro müssten nun im Doppelhaushalt eingestellt werden, um das Bürger- und Familienzentrum bauen zu können.