Algen gehören zu den ältesten Lebensformen auf der Erde (auf dem Foto sieht man Meersalat aus dem schleswig-holsteinischen Wattenmeer, eine essbare Algenart). Bei dem jetzt gefundenen Pflanzenfossil handelt es sich um eine Rotalge. Foto: dpa

1,6 Milliarden Jahre alt ist das Pflanzenfossil, das schwedische Forscher in Indien entdeckt haben. Die Rotalgen wären damit 400 Millionen Jahre älter als die bislang ältesten Pflanzenüberreste.

Stockholm/Stuttgart - Alt, älter, am ältesten. Forscher tauchen immer tiefer in die Entstehungsgeschichte des Lebens auf der Erde ein. Ein Sensationsfund ist schwedischen Wissenschaftlern jetzt in Indien gelungen. Im zentralindischen Distrikt Chitrakoot (Bundesstaat Madhya Pradesh) sind sie auf das vermutlich älteste bekannte Pflanzenfossil gestoßen.

Nach Angaben von Stefan Bengtson vom Schwedischen Museum für Naturkunde in Stockholm handelt es sich um eine versteinerte Rotalge (Rhodophyceae) die vermutlich 1,6 Milliarden Jahre alt ist, wie er im US-Fachmagazin „Plos Biology berichtet. Der Fund deutet laut Bengtson darauf hin, dass es fortgeschrittenes vielzelliges Leben auf der Erde schon 400 Millionen Jahre früher gegeben haben könnte als bisher angenommen. Auch bei diesen handelte es sich um Rotalgen.

Älteste bekannte Pflanzenzelle

Entdeckt wurde der winzige nur zwei Millimeter große Pflanzenüberrest in Kalksedimenten. Die Zellstrukturen deuten auf „denen dieser Pflanze“ hin, sagte Stefan Bengtson, der einer der Autoren der Studie ist. Damit könnte es sich um das bei weitem älteste bekannte Fossil sogenannter eukaryotischer Pflanzenzellen handeln.

Die Ära des Lebens beginnt

Sollte sich diese Hypothese bestätigen, wären das Eukaryoten-Fossil der älteste Beleg für urzeitliche Pflanzen. Muss die Evolutionsgeschichte umgeschrieben werden? Bengtson hält das durchaus für möglich. „Die Ära des sichtbaren Lebens könnte damit früher begonnen haben als wir dachten.“

Prokaryoten und Eukaryoten

Die ältesten bisher entdeckten Spuren terrestrischen Lebens sind ungefähr 3,8 Milliarden Jahre alt. Die Biologen sind sich sicher, dass es sich um Prokaryoten – bakterienähnliche zelluläre Lebensformen ohne Kern und andere strukturell abgrenzbare Bereiche (Organellen) – handelte.

Aus den schlichten prokaryotischen Zellen entstanden in Jahrmillionen die ersten Eukaryoten. Eukaryoten können Einzeller oder mehrzellige Lebewesen sein, die im Gegensatz zu Prokaryoten einen Zellkern besitzen. Eukaryoten bestehen aus einer größeren Ansammlung von Zellen mit gemeinsamem Stoffwechsel, wobei es eine gemeinsame Aufgabenteilung gibt und spezielle Zelltypen bestimmte Aufgaben übernehmen. Die meisten bekannten Mehrzeller sind Eukaryoten, darunter Algen, Pflanzen, Pilze, Tiere und der Mensch.

Wann die ersten komplexen Bakterien entstanden sind, ist umstritten. „Die Datierungen für den gemeinsamen Vorfahren aller Eukaryoten gehen weit auseinander. Sie variieren zwischen 0,8 Milliarden und 2,3 Milliarden Jahren“, heißt es in der Stockholmer Studie.

Das erste Leben auf der Erde

Die Erde vor 3,8 Milliarden Jahren

Erst jüngst hatte eine britische Forschergruppe um Matthew Dodd vom University College London in der kanadischen Provinz Québec die bislang ältesten Mikrofossilien entdeckt. Den Wissenschaftlern zufolge gilt der Fund als direkter Beweis für Leben auf unserem Planeten vor bereits rund 3,8 Milliarden Jahren.

Bisher galten in Westaustralien entdeckte Fossilien, deren Alter auf ungefähr 3,5 Milliarden Jahre datiert wird, als frühester Nachweis von Leben auf der Erde. Die in Kanada gemachten Funde seien aber noch mindestens 300 Millionen Jahre älter, erklärte Dominic Papineau vom University College London.

Halb so breit wie ein Haar

Die winzigen Fossilien seien nur halb so breit wie ein menschliches Haar (0,05 bis 0,07 Millimeter) und bis zu einem halben Millimeter lang, erklärten die britischen Forscher. Es handele sich um Überbleibsel von Bakterien, die in der Nähe von heißen Quellen am Meeresboden lebten. Auch heute noch gibt es Mikroorganismen in solchen Lebensräumen. Sie könnten den Urzeit-Bakterien ähneln, deren Überreste nun gefunden wurden.

Beginn des Lebens vor vier bis 3,8 Milliarden Jahren

Das Alter der Erde wird auf 4,6 Milliarden Jahre geschätzt. Anfangs war der Planet völlig unbewohnbar – eine heiße Kugel aus glühendem geschmolzenem Gestein, umgeben von heißen, ätzenden und giftigen Gasen. Als sich der kosmische Gesteinsbrocken abkühlte und sich auf der Kruste flüssiges Wasser sammeln konnte, entstanden die ersten Meere. In ihnen entwickelte sich das erste Leben in Form einzelliger (Prokaryoten) und später mehrzelliger Bakterien (Eukaryoten).