Bahn-Chef Rüdiger Grube und... Foto: PPfotodesign

Die Bahn will die Entscheidungswege beim Bau von Stuttgart 21 straffen und zugleich den Vorstand in Berlin entlasten. Dazu soll im Konzern für die Bauzeit eine neue S-21-Firma aufgestellt werden. Der Aufsichtsrat muss der Zäsur, die auch personelle Konsequenzen haben kann, noch zustimmen.

Stuttgart/Berlin - Die Deutsche Bahn will Stuttgart 21 und die ICE-Neubaustrecke Wendlingen–Ulm schneller und effektiver bauen. Dazu soll nach Informationen unserer Zeitung eine neue S-21-Firma ins Leben gerufen werden. Die künftige Projektstruktur, die die Handschrift von Bahn-Chef Rüdiger Grube und Technik-Vorstand Volker Kefer trägt, soll am 12. Dezember vom Aufsichtsrat der Bahn AG genehmigt werden.

„Das ist alles Spekulation“, sagt Wolfgang Dietrich, Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm. Nur wenig konkreter wird man in der Berliner Konzernzentrale. „Wir haben bereits im März unser Sechs-Punkte-Programm zur Kostensenkung vorgestellt – und ein Punkt betrifft die Organisation des Projekts“, sagt Martin Walden, Konzernsprecher für Infrastruktur. Zur Umsetzung des Sechs-Punkte-Programms wurde das Unternehmen McKinsey beauftragt.

Weil noch die Zustimmung des Aufsichtsrats fehlt, tut man sich in Berlin schwer mit Auskünften zur neuen Projektstruktur in Stuttgart. Trotzdem sind Details durchgesickert: Demnach will die Bahn eine weitere, starke Führungsebene einziehen zwischen der mit dem Bau der Milliardenprojekte beauftragten DB Projektbau GmbH in Stuttgart und den beiden Auftraggebern im Bahn-Konzern, der DB Netz AG mit Volker Kefer und der DB Station & Service.

Zwei bis drei Topmanager

Die neue Führungsebene soll nach Informationen unserer Zeitung aus zwei oder drei Topmanagern bestehen, die die Bauherren und deren Vorstände nach innen und nach außen vertreten sollen und auch eine gewisse Budgetverantwortung haben. „Ein Projekt wie Stuttgart 21 ist für einen Vorstand wie Volker Kefer im Grunde genommen in der täglichen Arbeit zu klein“, meint ein externer Bahn-Experte, dem die Gegebenheiten gut bekannt sind. Die Sonderrolle Kefers ist in der S-21-Schlichtung im Herbst 2010 entstanden, als der Manager für die Bahn am Verhandlungstisch das Wort ergriff. Danach hatte ihm Grube die Verantwortung für das umstrittene Projekt – auch im Lenkungskreis, dem höchsten Entscheidungsgremium der Projektpartner Land, Stadt, Region und Bahn – komplett übertragen.

Durch die neue Projektstruktur soll Kefer nicht mehr bei jedem Problem mit S 21 sogleich in vorderster Front stehen, heißt es bei der Bahn. Außerdem sollen die Entscheidungswege in der Stuttgarter Niederlassung der DB Projektbau mit über 100 Mitarbeitern „gestrafft und gestärkt“ werden. Das könnte aber auch Konsequenzen für Stefan Penn, den Gesamtprojektleiter, haben.

Als Vorbild könnte das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8 – kurz VDE 8 – dienen

Penn hat die Stelle im August 2011 übernommen. Zuvor war Hany Azer, der den Job seit April 2008 inne hatte, im Mai 2011 „auf eigenen Wunsch“ als Gesamtprojektleiter abgetreten. Während Azer ab und an die öffentliche Bühne suchte, kann der eher spröde Nachfolger darauf offenbar verzichten. Pressekonferenzen und öffentliche Auftritte mit Penn sind jedenfalls eine Seltenheit. Zur Zukunft Penns bei S 21 gibt es im Umfeld der Bahn zwei Lesarten: Während die einen Beobachter vermuten, er werde an der Spitze abgelöst, sowie Grube eine Alternative habe, behaupten andere Beobachter, dass Penns Kompetenzen durch die neue Projektstruktur „nicht reduziert“ würden.

Als Vorbild für die künftige S-21-Projektstruktur könnte das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8 – kurz VDE 8 – dienen. Mit dem Bau dieser neuen ICE-Strecke zwischen München und Berlin, der 1992 begonnen wurde und 2017 fertig sein soll, ist eine spezielle Projektgruppe innerhalb der DB Projektbau betraut. Die Gruppe arbeitet weitgehend eigenständig und hat einen klaren Auftrag – das Milliardenprojekt VDE 8 dem Mutterkonzern betriebsfertig zu übergeben. Den Überblick behält Kefer als Aufsichtsratsvorsitzender der DB Projektbau.

1996 hatte der damalige Bahn-Chef Heinz Dürr für die Realisierung von S 21 ebenfalls „eigene Managementstrukturen etablieren“ wollen, erinnern sich Beteiligte. Größter Vorteil seien die schnellen Entscheidungswege gewesen. 2001 wurde die Firma, die bis dahin auch einen privaten Teilhaber hatte, dichter an den Konzern herangeführt und in ihren Kompetenzen stark beschnitten. Nun soll es wieder in die andere Richtung gehen.