Mit dem Rücken zur Wand? Es gibt Zweifel daran, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei seiner Ministerentscheidung zu Gunsten von Edeka die Neutralität gewahrt hat. Foto: dpa

Carsten Linnemann, Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, wirft ihm vor, das Amt zu beschädigen.

Berlin - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kommt wegen seiner Ministerentscheidung zu Gunsten einer Übernahme der Lebensmittelkette Tengelmann durch Edeka unter immer größeren politischen Druck. Bekanntlich hatte der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Erlaubnis vorläufig außer Kraft gesetzt, weil Gabriels Verhalten in der Sache „die Besorgnis seiner Befangenheit und fehlenden Neutralität“ begründe, wie es in einer Pressemitteilung des Gerichtes heißt. Das Gericht verweist auf zwei Gespräche Gabriels mit dem Vorstandsvorsitzenden von Edeka, Markus Mosa, und Tengelmann-Miteigentümer Karl-Erivan Haub, dessen Inhalte „nicht aktenkundig gemacht“ und „ohne Kenntnis und unter Ausschluss der weiteren Beteiligten, insbesondere Rewe, geführt“ worden seien. Auch Rewe hatte Interesse an der Übernahme von Tengelmann. Der Minister habe deshalb die „für ein transparentes, objektives und faires Verfahren unverzichtbare gleichmäßige Einbeziehung und Information aller Verfahrensbeteiligten unterlassen“.

Starker Tobak

Das allein ist schon starker Tobak. Gabriel hatte die Befangenheit stets bestritten – auch irgendwelche Geheimaktionen. Die Gesprächsinhalte der Treffen vom 1. und 18. Dezember seien ersichtlich aus den Vorbereitungsunterlagen. Nun stellt sich aber heraus, dass es nicht bei diesen zwei Gesprächen geblieben ist und es mindestens ein drittes Treffen mit Edeka-Chef Mosa gegeben hat. „Im Nachgang des Gespräches vom 18. Dezember 2015“ habe Gabriel „auf Initiative von Herrn Mosa“ kurzfristig ein Gespräch von Mosa mit dem Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske „vermittelt“. Es habe am 22. Dezember „im Beisein von Bundesminister Gabriel“ stattgefunden.

„In immer mehr Widersprüche verheddert“

Das geht hervor aus der Beantwortung einer Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Katharina Dröge durch den Staatssekretär Rainer Sontowksi, die unserer Zeitung vorliegt. In der Antwort wird auch eingeräumt, dass sich Gabriel im Zeitraum des Verfahrens zur Ministererlaubnis einmal mit Klemens Joos getroffen hat, dessen Lobbyagentur für Edekas Übernahmepläne in Berlin geworben haben soll.

Die neuen Details bringen den SPD-Vorsitzenden und Bundeswirtschaftsminister politisch in die Defensive. Die grüne Katharina Dröge findet, dass sich Gabriel „in immer mehr Widersprüche verheddert“. Sie nennt Gabriels Verhalten gegenüber unserer Zeitung „undurchsichtig und unglaubwürdig“. In einem solchen Verfahren sei ein Minister zu Neutralität verpflichtet. Diese Pflicht habe Gabriel offenbar verletzt. Dröge: „Vieles spricht dafür dass er befangen war.“ Interessant ist, dass die andere Oppositionspartei, die Linke, Gabriel auch kritisiert, aber mit anderem Zungenschlag. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger findet es eigentlich „richtig und wichtig“, dass Gabriel bei den Übernahme-Verhandlungen den Erhalt von

„Taktisches Unvermögen“ bewiesen

Arbeitsplätzen zur Priorität gemacht habe. Der Minister habe aber „taktisches Unvermögen“ bewiesen. Riexinger zu unserer Zeitung: „Die Salamitaktik, mit der Gabriel jetzt geheime Verhandlungen mit Edeka einräumt, schadet seiner Glaubwürdigkeit, um die es ohnehin schlecht bestellt ist.“ Er hält Gabriel einen „Mangel an Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit“ zum Schaden der Beschäftigten der Lebensmittelketten vor.

Ist Gabriels Verbleib im Ministeramt gefährdet? Das hängt entscheidend von der Vehemenz ab, mit der die Christdemokraten nun gegen ihn zu Felde ziehen werden. Für den SPD-Chef ist es ein glücklicher Umstand, dass die Union Koalitionspartner ist. Das fördert die Beißhemmung. Allerdings ist es deutlich genug, wenn Carsten Linnemann, der Chef der Mittelstandsvereinigung der Union, sagt: „Mittlerweile ist es soweit, dass sich Gabriel nicht nur selbst beschädigt, sondern auch das Amt beschädigt wird.“

Aber es gibt auch andere Stimmen aus der CDU. Joachim Pfeiffer (Waiblingen), der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, stellt sich hinter Gabriel: „Die Meute ist los und es wird zum Halali geblasen“, sagte er unserer Zeitung. Am „durchsichtigen Geschäft der Opposition, die Ministererlaubnis zu skandalisieren“, beteilige er sich nicht. Pfeiffer argumentiert, dass das Instrument nur dann einen Sinn habe, wenn der Minister „einen Entscheidungsspielraum in der Sache“ hat. Gabriels Begründungen seiner Entscheidung nennt Pfeiffer „plausibel und nachvollziehbar“.