Am Botnanger Marktplatz nehmen Platanen Platz und Licht weg – zu viel, meinen zahlreiche Beobachter der Szenerie Foto: Leif Piechowski

Dürfen in Botnang ein halbes Dutzend gesunder Bäume gefällt werden, damit der Marktplatz besser nutzbar ist? Darüber sollen heute die Stadträte befinden. Ein Politikum. Die Mehrheit in Botnang will die Bäume opfern, im Stuttgarter Rathaus wird Baumschutz aber groß geschrieben.

Stuttgart - Bezirksvorsteher Wolfgang Stierle rechnet fest damit, dass an diesem Dienstag nach monatelangen Diskussionen über die Zukunft der Bäume auf dem Botnanger Marktplatz entschieden wird. Und ginge es nach ihm, der Mehrheit im Bezirksbeirat und, wie Stierle glaubt, nach einer Mehrheit in der Bevölkerung, dann wäre das Ergebnis klar: Auf der Mitte des Marktplatzes würde rund ein halbes Dutzend Platanen fallen. Denn sie stehen, wie in Botnang viele glauben, einer besseren, flexibleren Nutzung des Marktplatzes im Weg.

17 Bäume gibt es auf dem Botnanger Marktplatz. Bei der Frage, ob die Säge angeworfen wird, geht es „um fünf bis sieben“, die nicht am Rand stehen, sondern im Zentrum des Platzes, sagt Stierle. Und dort hätten sie eine trennende Wirkung. Bei Veranstaltungen wie Märkten und Festen würden sie stören. Botnang, oder zumindest große Teile des Bezirksbeirats und der Bevölkerung, wünschen sich einen freien, gut bespielbaren Platz, wie man ihn aus Italien und aus Frankreich kenne, sagt Stierle. Er selbst könnte den Verlust verschmerzen, denn es gehe hier nicht um 100 Jahre alte Eichen oder Linden auf einem historischen Marktplatz. Vielmehr um Platanen, „die vor 20 Jahren mal gepflanzt wurden“. Noch dazu in einem etwas maroden Bereich, der erst in jüngster Zeit neu geordnet wurde. Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG), eine Tochter der Stadt, baute für Botnang eine „neue Mitte“ mit Wohnungen, Kita, Begegnungsstätte, Schulungsräumen und Gewerberäumen. Die Baugerüste stehen noch. Rund 23,6 Millionen Euro sind für das Projekt eingeplant worden. Auch die SWSG und die Ladenbetreiber wünschten sich etwas mehr Licht für die Neubauten, sagt Stierle.

Doch mit dem Wunsch nach Baumfällungen kommt man im Stuttgarter Rathaus üblicherweise nicht besonders gut an. Der Grund: Bäume gelten als Filter für Staub und als Garanten für eine bessere Luft. In der Stuttgarter Innenstadt und Teilen von Bad Cannstatt werden mittels einer Baumschutzverordnung sogar private Bäume geschützt. Das Garten-, Friedhof- und Forstamt wacht mit großem Aufwand und viel Personal über rund 110 000 Bäume auf städtischen Grün- und Freiflächen und kontrolliert sie jährlich. Wenn Bäume fallen, peilt die Verwaltung umgehend Nachpflanzungen an. Das Verhältnis sei auch im Kontrolljahr 2013 ausgeglichen gewesen, berichteten Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau (SPD) und der Amtsleiter Volker Schirner kürzlich. Wörtlich hieß es in dem Bericht aber auch: „Trotzdem bleibt es schwierig, im sich verdichtendem Stadt- und Verkehrsraum neue und zusätzliche Baumstandorte zu finden und durchzusetzen.“

Entsprechend zurückhaltend reagierte die Verwaltung auf die Signale aus Botnang. Die Entscheidung lässt sie gern die Stadträte in der heutigen Sitzung des Umwelt- und Technik-Ausschusses treffen. Die Stadtplaner innerhalb der Verwaltung hatten zuvor einen Entwurf des Stuttgarter Büros Koeber Landschaftsarchitektur favorisiert. Der sieht vor, dass auf dem Platz ein Baumrondell mit bereits heute vorhandenen Platanen überleben wird, wenn der Platz saniert wird und einen neuen Plattenbelag erhält.

Dafür sprach sich am 16. September dann auch der Bezirksbeirat aus, weil man darin so etwas wie das kleinere Übel sah. Die Grünen fanden, das Baumrondell trenne den Platz nicht in zwei Teile und sei auch nicht weit weg von den Ideen, die zuvor in Workshops in Botnang gesammelt wurden. Die Mehrheit der Bezirksbeiräte allerdings verband mit der Zustimmung die Erwartung, dass dem Büro Koeber die Unterlagen aus der Bürgerbeteiligung zugeleitet werden – für eine Überarbeitung des Entwurfs.

Die spannende Frage ist jetzt, ob auch die Stadträte mehrheitlich wünschen, dass das Baumrondell aus dem Entwurf raus kommt, oder ob sie dem Baumschutz Vorrang geben.