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Im Krankenhaus Ludwigsburg sind derzeit alle Betten belegt, Patienten liegen stundenlang auf dem Flur oder warten in der Notaufnahme. Die Lage könnte noch ein paar Wochen andauern.

Ludwigsburg - Wenn Christian Wolpert in diesen Tagen durch das Krankenhaus geht, dann sieht er vor allem eines: Arbeit. Die Notaufnahme ist an diesem Tag bereits mittags fast bis auf den letzten Platz gefüllt, laufend bringt der Rettungsdienst zudem Patienten, die nicht mehr selbst gehen können. Auf den Stationen sind alle Zimmer komplett belegt, die Kranken liegen teilweise stundenlang im Flur, bis ein Platz frei wird. „Zwischen acht und elf Uhr hatten wir kein freies Bett mehr“, sagt Wolpert, der Chefarzt der Inneren Medizin in Ludwigsburg. Eine Krankenschwester auf der Isolierstation sagt: „So schlimm war es noch nie.“

Die Grippewelle hat das Krankenhaus Ludwigsburg mit solcher Wucht getroffen, dass man sagen könnte: auch die Klinik ist derzeit ein Patient. „Wir sind am Anschlag“, erklärt der Sprecher Alexander Tsongas, „an der Kante“ sieht Christian Wolpert sein Haus. In Zahlen ausgedrückt liest sich das so: Rund 20 Prozent mehr Patienten, teilweise rund ein Fünftel der Beschäftigten krank und bereits jetzt, sechs Wochen nach Beginn der Zählung, mehr als doppelt so viele Influenza-Erkrankungen im Kreis Ludwigsburg wie in der gesamten vergangenen Grippe-Saison. „Die Welle kam früh, und sie ist heftig“, sagt der Leiter des Gesundheitsamts, Thomas Schönauer. Ob der Höhepunkt schon erreicht ist oder ob er erst noch kommt – Schönauer kann es nicht sagen. Normalerweise erkrankten die meisten erst Ende Februar, rund um Fasching. Doch dieses Jahr ist vieles anders.

Grippe, Norovirus, Knochenbrüche

Im Flur der Isolierstation stapeln sich neben den Betten dutzende Kartons mit Schutzkleidung, Brillen, Handschuhen. Die Grippewelle ist auch eine Materialschlacht: Jedes Zimmer, in dem ein Infizierter liegt, betreten die Pfleger nur mit spezieller Schutzausrüstung. Sie muss nach jedem Besuch gewechselt werden. Bei der Essensausgabe heißt das: Kleidung an, Suppe auf den Tisch, Kleidung aus und vor dem nächsten Raum wieder von vorn. Mindestens drei Mal am Tag.

Es ist aber nicht nur die Grippe, die Ärzte und Pfleger derzeit fordert. Das hoch ansteckende Norovirus hat im Winter ebenfalls Saison, am Anfang der Woche kamen zudem viele Knochenbrüche und Sturzverletzungen durch das Blitzeis dazu, sagt Christian Wolpert. Um irgendwie der Lage Herr zu werden, greifen er und seine Kollegen zu drastischen Mitteln: Operationen, die nicht unbedingt notwendig sind, werden verschoben, Einzel- und Doppelzimmer mit mehr Patienten belegt, um Platz zu schaffen. Das kommt nicht immer gut an. Die Beschwerden häufen sich in diesen Tagen. Für alle hat Wolpert Verständnis, er sagt aber auch: „Wir tun, was wir können. Die Pflege leistet Übermenschliches.“

Dass sein Haus solche Kapazitätsprobleme hat, hat für den 49-Jährigen nichts mit Sparpolitik zu tun, im Gegenteil. Gerade in Ludwigsburg werde die Bettenzahl laufend erhöht, die Innere Abteilung wird dieses Jahr weiter wachsen. Auf eine Ausnahmesituation wie jetzt könne man sich kaum vorbereiten, meint der Mediziner. „Sie können nicht sechs Jahre lang umsonst Kapazitäten vorhalten, die Sie dann im siebten Jahr brauchen.“

Auch das Klinikum Esslingen meldet ein volles Haus

Ähnlich, aber nicht ganz so dramatisch wie in Ludwigsburg ist die Situation in anderen Kliniken der Region Stuttgart. So meldet Esslingen ebenfalls volles Haus wegen Grippe und Norovirus, einen Notstand gebe es aber nicht. Im Kreis Böblingen verzeichnet der Klinikverbund Südwest insgesamt 70 Grippefälle: mehr als normal, aber vergleichbar mit anderen Wintern, sagt der Sprecher Ingo Mattheus. In der Klinik am Eichert in Göppingen sind die Magen-Darm-Erkrankungen wegen des Norovirus überhaupt kein Problem.

„Seit Jahresbeginn sind uns bis jetzt 113 Fälle von Noroviren gemeldet worden“, sagt Martin Priwitzer vom Gesundheitsamt der Stadt Stuttgart. Dabei handle es sich aber um Einzelfälle, die Zahl sei für diese Jahreszeit normal. Im ganzen Jahr 2016 seien in Stuttgart 361 Fälle gemeldet worden. In einem ähnlichen Rahmen liege man in diesem Jahr. Auch im Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) kommt man mit den Virus-Erkrankten derzeit gut zurecht. Dies sei in den vergangenen Wochen teils anders gewesen, als an manchen Tagen bis zu 35 Patienten mit Norovirus im RBK versorgt werden mussten.

Besserung ist noch nicht in Sicht

Mehr Patienten mit Magen-Darm-Virus registriert man im städtischen Klinikum, eines der drei Krankenhäuser ist das Kinderhospital Olgäle. Gerade für Säuglinge, die mit dem Norovirus infiziert sind, der Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auslöst, kann die Infektion gefährlich werden. Allein im Olgäle werden 24 der derzeit insgesamt 37 Fälle im Klinikum gezählt. „Aber damit kommen wir klar“, sagt Pressesprecherin Ulrike Fischer.

Wie lange die Engpässe andauern, kann Christian Wolpert nicht sagen. Zwei bis drei Wochen könnten sie in Ludwigsburg durchaus noch anhalten. Grund zur Panik, das betont er, gebe es aber nicht. „Wir können trotzdem alle versorgen.“