Am Schluss von „Skyfall“ blickt Daniel Craig alias James Bond über London. Gedreht wurde auf dem Dach des Energie-Ministeriums. Foto: Twentieth Century Fox Home Entertainment

James Bond agiert an vielen Orten auf der Welt, doch in London laufen die Fäden zusammen. Viele Szenen des neuen 007-Films „Spectre“ wurden hier gedreht. Eine Spionagetour an der Themse.

London - „I’d rather be James Bond“ - „Ich wäre gerne James Bond“, steht auf den Manschettenknöpfen von Stewart Reading-Kitchen. Wie die meisten Briten ist der Londoner fasziniert von der Mixtur aus schönen Frauen, schmierigen Schurken, schnellen Autos und rasanten Stunts, für die James Bond berühmt ist, seit er 1962 Dr. No jagte. Stewarts Liebe zum Spion mit der Codenummer 007 mag groß sein. Die Ähnlichkeit ist leider gering. Mit seinem Schnauzbart, der Brille und der buschigen Frisur ähnelt Stewart eher Mr Kidd, dem etwas trotteligen Killer aus „Diamantenfieber“. Es kann eben nicht jeder der berühmteste Agent der Welt sein - erst sechs Schauspieler haben es geschafft. Am 26. Oktober feiert der neueste Streifen namens „Spectre“ mit Daniel Craig in der Hauptrolle Weltpremiere. Wo? Natürlich in London.
 

Höhepunkt der Tour ist ein Blick auf Vauxhall Cross

„London ist für fast jeden Bond-Film der Dreh- und Angelpunkt“, sagt Stewart, „sei es für Büroszenen in Regierungsgebäuden oder spektakuläre Verfolgungsjagden.“ Der gelernte Landschaftsplaner ist bereits in Rente und hat nun seine Passion zum Beruf gemacht: Im Kleinbus tuckert er mit Touristen durch die britische Hauptstadt und zeigt ihnen Drehorte der Bond-Filme. Inklusive eingespielter Szenen und jeder Menge Detailwissen. Oft stellt der Experte spannende Bezüge zur echten Biografie von Bond-Autor Ian Fleming her. Leider verzettelt er sich dabei vor lauter Begeisterung ganz gerne. Wo waren wir noch mal? Ach ja! Beim Geheimdienst. Höhepunkt der Tour ist ein Blick auf Vauxhall Cross, das Hauptquartier des Auslandsgeheimdienstes MI6 (Military Intelligence, Section 6). Hier hat Bonds Chef „M“ sein Büro. Das markante Gebäude an der Themse wird wegen seiner besonderen Architektur scherzhaft „Legoland“ genannt. Erstaunlicherweise logiert hier - nicht gerade im Verborgenen - tatsächlich der britische Geheimdienst.


Allerdings heißt die Organisation korrekt SIS (Secret Intelligence Service). In „Spectre“ gelangt James Bond über einen geheimen Zugang auf dem Wasserweg ins Hauptquartier. „Diese Szene wurde allerdings nicht an der Themse gedreht, sondern an einem kleinen Kanal im Stadtteil Camden. Von dort zweigt ein Tunnel namens Dead Dog Basin ab“, verrät Stewart und lässt den Bus in den Norden der Stadt lenken. Den Drehort kann man selbst befahren, wenn man sich bei Ben Watts vom Wassersportverein Pirate Castle ein Kajak ausleiht. Anfänger bekommen dazu eine kurze Einweisung. Wer Angst hat, in den vom Entendreck ganz grünen Regents Canal zu plumpsen, kann derweil ein paar Schritte weiter einen kleinen Spaziergang über den entzückenden Markt Camden Lock unternehmen. Den versteckten Tunnel hat Emma Pill aufgespürt. Die 44-Jährige ist für die Auswahl aller Drehorte des neuen Bond-Films zuständig. Location-Scout nennt sich diese Funktion im Branchenjargon. In „Spectre“ jagt 007 eine finstere Verbrecherorganisation gleichen Namens über drei Kontinente.


Besonders viele Szenen wurden an der Themse gedreht

Schauplätze sind Mexiko-Stadt, Sölden, Obertilliach und Altaussee in Österreich, Tanger, Rom und eben London. „London war eine besondere Herausforderung“, erzählt Emma. Besonders viele Szenen wurden an der Themse gedreht, im Bereich zwischen den drei Flussüberquerungen Vauxhall Bridge, Westminister Bridge und London Bridge. Alle Anwohner wurden schriftlich informiert. 11 000 Briefe haben sie und ihr Team verschickt, 20 Monate Arbeit stecken in dem Projekt. In der Gegend stehen zudem viele Ministerien und Parlamentsgebäude - Eintritt nur mit Genehmigung. Kein Problem: Für die Briten ist die fiktive Figur James Bond ein wichtiger Repräsentant des Königreichs. Wie heißt es immer so schön in den Filmen: „Für England, James!“ Endlich konnte England mal etwas für James Bond tun. „Ich kenne jetzt viele neue Leute in der Regierung. Alle waren sehr kooperativ“, erzählt Emma. Dabei ging es nicht nur darum, Scheinwerfer auf Dächern zu installieren. Straßen, Brücken und der gesamte Schiffsverkehr mussten über viele Nächte gesperrt werden. Schon Pierce Brosnan heizte in „Die Welt ist nicht genug“ mit einem Schnellboot über den Fluss. Nun tut es ihm Daniel Craig gleich, und auch jeder Tourist kann sich den Spaß gönnen.


Rettungsweste an und ab aufs Speedboot. Auf dem Weg vom Pier am Riesenrad namens „London Eye“ erklärt Gästeführer James Clayton noch dieses und jenes über die Gebäude an den beiden Uferseiten. Hinter der Tower Bridge stadtauswärts erreicht das Luftkissenfahrzeug endlich die Hochgeschwindigkeitszone. Bitte festhalten! Nach der Speedbootfahrt mit rund 55 Kilometern pro Stunde ist man ziemlich durchgeschüttelt - und auch gerührt. Ganz wie James Bonds Lieblingsgetränk: Wodka Martini. Bond-Erfinder Ian Fleming hat sich beim Schreiben von seiner Stammkneipe, der Bar des Hotels Dukes, inspirieren lassen. Robert Di Vivvo war lange F&B-Manager im Dukes. Nun arbeitet er im Hotel Mandeville und hat seine Begeisterung für Martinis mitgebracht. „Hinter der Bar bin ich wieder in direktem Kontakt mit den Gästen. Das macht mehr Spaß als die Leitung des Bereichs Essen und Getränke“, sagt er und erklärt die korrekte Zubereitung eines Martini-Cocktails. Der gebürtige Neapolitaner ist in zwei wichtigen Punkten allerdings anderer Meinung als James Bond: Roberto Di Vivvo schwört auf Rühren, nicht Schütteln.


Weitere Details aus dem 24. Bond-Film sind noch streng geheim

Und er nimmt Gin anstatt Wodka. Mit ziemlicher Sicherheit wird der Agent 007 in „Spectre“ wieder seinen Lieblingsdrink bestellen und dabei eine fesche Schönheit im Arm halten. Weitere Details aus dem 24. Bond-Film sind noch streng geheim. Emma Pill verrät jedoch schon so viel: „Westminster Bridge, die Brücke bei Big Ben, spielt eine Rolle. City Hall, das Londoner Rathaus, ist ebenfalls für Besucher interessant. Da gibt es auch ein tolles Café.“ Die Drehort-Fachfrau musste mitunter sehr lange nach geeigneten Schauplätzen suchen: „44 Restaurants habe ich Regisseur Sam Mendes vorgeschlagen, bis er sich für das Rules in Covent Garden entschieden hat“, sagt Emma Pill. Welche Szene dort spielt? Geheim! Eon Productions Limited, die Produktionsfirma der Bond-Filme, funktioniert sehr ähnlich wie ein Nachrichtendienst zur Zeit des Kalten Krieges. Die Firma wurde 1961 gegründet und ist noch heute für die Herstellung verantwortlich. „Man sagt, die Abkürzung Eon steht für Everything or nothing - alles oder nichts“, erklärt Bond- Experte Stewart Reading-Kitchen.


Viele Szenen werden in den Pinewood Studios hergestellt, 30 Kilometer westlich von London. In den 70er Jahren baute man hier sogar eine eigene „James Bond“-Halle inklusive eines riesigen Wasserbeckens, in das ein U-Boot passt. „Die Halle ist in den letzten 30 Jahren zweimal komplett abgebrannt“, erzählt Stewart. „Ich habe keine Ahnung, wie eine Halle mit einem Wasserbecken brennen kann!“ Ein Besuch lohnt sich nicht, da es nur selten geführte Touren gibt. Derzeit produziert Disney in Pinewood den neuen „Star Wars“-Film „Episode VII“, und die Sicherheitsvorkehrungen sind so streng wie in der DDR. Es gibt spitze Zäune, Fotografierverbot und Passkontrollen. Dann lieber ins Museum. Die Ausstellung „Bond in Motion“ (Bond in Bewegung) im London Film Museum zeigt Fahrzeuge aller Art, die in 007-Filmen benutzt wurden. Allesamt Original-Requisiten: von Auric Goldfingers Rolls-Royce Phantom III (der Widersacher wurde von Gert Fröbe gespielt) bis zu Bonds eigenen Autos der Marken Aston Martin, BMW oder Citroën. Der Agent jagte in „In geheimer Mission“ tatsächlich in einer gelben Ente durch einen spanischen Olivenhain. Auch Little Nellie kann man bewundern, den putzigen Ein-Mann-Hubschrauber aus „Man lebt nur zweimal“ oder das Single-U-Boot aus „Octopussy“. Hundertprozentige Fans lassen sich stilecht in einer Bond-Kulisse fotografieren. Ob das Stewart schon gemacht hat, der so gerne James Bond wäre? Bestimmt.

Infos zu London

London

Anreise

Flüge nach London-Heathrow ab Stuttgart mit Germanwings ( www.germanwings.com ) oder British Airways ( www.ba.com ).

Flughafen-Guide: http://www.visitbritainshop.com/deutschland/london-flughafen-transfer-guide/guide-de.htm


Wohnen wie James Bond

In der Nähe der U-Bahn-Station Bond Street liegt das Mandeville Hotel. Zum Filmstart von „Spectre“ gibt es ein „James Bond“-Package, ab 278 Euro im Doppelzimmer, www.mandeville.co.uk .
Im Dukes Hotel im Stadtteil St James’s war Bond-Autor Ian Fleming Stammgast. Den berühmten Satz „shaken, not stirred“ („geschüttelt, nicht gerührt“) soll er hier aufgeschnappt haben. DZ ab 380 Euro, www.dukeshotel.com .


Essen und Trinken

In „Die Welt ist nicht genug“ gibt es eine wilde Verfolgungsjagd auf der O2-Arena in North Greenwich. Starkoch Stevie Parles Restaurant Craft bietet nicht nur einen Blick auf die Halle, sondern auch wundervoll einfallsreiche, britische Küche. www.craft-london.co.uk


Agenten-Aktivitäten

Paddeln à la James Bond: The Pirate Castle, Oval Road, Camden, Gruppenbuchung auf Anfrage, www.thepiratecastle.org
Brit Movie Tours bietet verschiedene Touren auf den Spuren von 007 an - vom Stadtspaziergang über die Rundfahrt im Kleinbus bis zum Tagesausflug in die Pinewood-Studios. Preisbeispiele: 16 Euro/Erwachsene, 13 Euro/Kinder für 2,5 Stunden Rundgang. 35 Euro/Erwachsene, 25 Euro/Kinder für drei Stunden Busfahrt. www.britmovietours.com

Wie ein Agent über die Themse kacheln: Die Auswahl an Speedboottouren auf der Themse ist groß. Meist wird mit einem sogenannten Rib gefahren (Abkürzung für rigid-inflatable boat, Festrumpfschlauchboot). Eine 50-minütige Fahrt mit London Rib Voyages kostet pro Person 57 Euro, für Kinder 31 Euro, Abfahrt am Bootssteg am London Eye, Millennium Pier, Southbank, www.londonribvoyages.com .
Weitere Anbieter: www.ribtourslondon.com , www.thamesribexperience.com

Fahrzeuge gucken: Ausstellung „Bond in Motion“, London Film Museum, 45 Wellington Street, Covent Garden, Eintritt 19 Euro, Kinder 13 Euro, www.londonfilmmuseum.com

Martini mixen: Das Hotel Mandeville bietet ganzjährig Martini-Masterclasses an, Mindestteilnehmerzahl ist zwei, der Preis beträgt 38 Euro pro Person inklusive zwei Cocktails und Fingerfood, www.mandeville.co.uk


Bond-Schauplätze in und um London

Somerset House: In „Goldeneye“ wähnt sich der Zuschauer in Sankt Petersburg. Tatsächlich wurden die Szenen im Innenhof des Somerset House gedreht. Das Londoner Kultur- und Kongresszentrum musste in „Der Morgen stirbt nie“ auch schon mal als Verteidigungsministerium herhalten.

Whitehall: Das Regierungsviertel mit dem Parlamentsgebäude Houses of Parliament war in verschiedenen Bond-Filmen Schauplatz.

National Gallery : In Raum Nummer 34 zwischen Gemälden von großen britischen Malern des 18. Jahrhunderts wie John Constable und William Turner bekommt Bond in „Skyfall“ von Q seine neue Pistole ausgehändigt.

London’s Living Room: In „Spectre“ gibt es eine Szene, die in Tokio spielen soll. Gedreht wurde aber im Versammlungsraum London’s Living Room im zehnten Stock des Londoner Rathauses.

U-Bahn: In „Skyfall“ rutscht James Bond auf der Fläche zwischen zwei Rolltreppen einer U-Bahn-Station hinunter. Eingeblendet wird das Schild der Station Temple. Gedreht wurde aber an der Haltestelle Charing Cross.

Blenheim Palace: Das Hauptquartier der Verbrecherorganisation Spectre im gleichnamigen Film liegt in einem römischen Palazzo. Dessen Innenhof steht jedoch nicht in Rom, sondern in der Nähe von Oxford. Blenheim Palace, der Stammsitz des Duke of Marlborough, wurde schon mehrmals als Filmkulisse genutzt. Zum Beispiel für „Cinderella“, „Mission Impossible“ oder „Harry Potter“.


Allgemeine Informationen

Britische Zentrale für Tourismus Visit Britain, www.visitbritain.com/de