Noch stehen im Südwesten nur vereinzelt Windräder Foto: dpa

Der vom Land erhoffte Windrad-Boom setzt wohl frühestens im kommenden Jahr ein.

Stuttgart - Bislang ist Baden-Württemberg mit einem Anteil von unter einem Prozent an der Stromerzeugung ziemliche Windkraft-Diaspora. Der Grund hierfür liegt in fest verankerten Planungsrichtlinien. Vereinfacht gesagt können Regionalverbände bislang – wenn auch indirekt – Sperrgebiete ausweisen, um den örtlichen, meist touristischen Interessen den Vorrang zu geben.

So stehen auch für das vergangene Jahr und die ersten Monate dieses Jahres bescheidene Ausbauzahlen: Neun Anlagen mit einer installierten Leistung von 15 Megawatt (MW) waren es in ganz Baden-Württemberg im Jahr 2011. In diesem Jahr dürften es kaum mehr werden. Zum Vergleich: Das halb so große Rheinland-Pfalz hat im vergangenen Jahr 112 Windkraftanlagen mit 267 MW Leistung gebaut.

Spätestens 2013 will Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) in ähnliche Dimensionen vorstoßen. Dann nämlich greift das neue, von der grün-roten Landesregierung am Dienstag vorgestellte Landesplanungsgesetz. Die Novelle sieht vor, dass die Regionalverbände künftig nur noch „weiße“ Vorranggebiete für regional bedeutsame Windkraftanlagen festlegen können; Gebiete also, in denen die bis zu 200 Meter hohen Rotoren zulässig sind. Nicht mehr möglich sind dann „schwarze“ Ausschlussgebiete. „Anders als früher ist der Bau von Windrädern künftig grundsätzlich erlaubt und nicht mehr grundsätzlich verboten“, fasste Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den Gesetzentwurf zusammen. Das Gesetz soll am 9. Mai verabschiedet werden.

Problem: Weil die Vorlage erst spät vom Kabinett verabschiedet wurde und aufgrund diverser Abstimmungsprobleme zwischen den Ministerien wird das alte Planungsrecht übergangsweise erst einmal weiter bestehen – und zwar bis zum 31. Dezember. Eigentlich wollte Grün-Rot die Frist nur bis August ausdehnen. Die Kommunen als Planungsträger drängten jedoch auf eine längere Übergangsregelung. Umweltminister Untersteller nannte die Fristverlängerung bis Jahresende einen „Kompromiss zwischen dem notwendigen raschen Ausbau und dem erforderlichen Planungsvorlauf der Regionalverbände und Kommunen“.

2013 soll es dann richtig losgehen mit dem von Kritikern gern als „Verspargelung der Landschaft“ bezeichneten Ausbau. Investoren stehen angeblich schon jetzt Schlange. Wegen der unklaren Rechtslage haben sie ihre Pläne aber vorerst auf Eis gelegt. Um das Ziel der Landesregierung zu erreichen, bis im Jahr 2020 zehn Prozent des Stroms aus Wind zu produzieren, müssen jedes Jahr rund hundert neue Anlagen entstehen. Angst vor allzu großem Widerstand hat Untersteller nicht. Er verwies auf zuletzt vier Bürgerentscheide im Schwarzwald mit positivem Ausgang. Dies zeigt aus seiner Sicht, dass „die meisten Bürger die Energiewende begleiten und nicht blockieren wollen“. Auch in der Anhörung von 2500 Verbänden und Behörden sei man auf ein sehr positives Echo gestoßen.

Was wird aus dem Auerhuhn?

Festgeschrieben wird Bürgerbeteiligung – das Zauberwort der Landesregierung – im überarbeiteten Landesplanungsgesetz jedoch nicht. Da die Kommunen künftig selbst planen und Flächennutzungspläne aufstellen können, werden Einwände künftig direkt in der Planung vor Ort diskutiert, meinte die Staatssekretärin im zuständigen Verkehrsministerium, Gisela Splett. Die Frage, wie weit Windräder künftig von Wohngebieten entfernt stehen müssen, ist noch nicht entschieden. Die bisherige Empfehlung lautet mindestens 700 Meter. Eine Entscheidung soll Ende des Monats fallen.

Was das Thema Artenschutz angeht, versprach Untersteller, Lücken im Gesetz zu schließen, bis 2013 das Gros der Genehmigungsverfahren auf das Land zukommen wird. Ein Beispiel ist das Auerhuhn. Der Waldvogel ist nach Ansicht von Tierschutzexperten durch zusätzliche Windräder in seiner Existenz bedroht. Aber ist er das tatsächlich? Untersteller verwies darauf, dass es dazu noch keine gesicherten Erkenntnisse gebe. „Ich wundere mich, was da manches Mal so eingebracht wird, um die Windkraft zu diskreditieren.“

Die beiden Naturschutzverbände BUND und Nabu zeigten sich mit der geplanten Gesetzesänderung jedenfalls zufrieden. „Natürlich ist auch sie nicht unumstritten und hat ihren ökologischen Preis. Dennoch ist der ökologische Rucksack der Windkraft im Vergleich zu anderen Energieträgern deutlich kleiner.“

Die CDU -Fraktion im Landtag kritisierte den Entwurf hingegen. „Fraglich, ob er uns wirklich voranbringt“, sagte Fraktionschef Peter Hauk. Dass die Möglichkeit einer überörtlichen Steuerung eingeschränkt werde, sei genauso ein Fehler wie der Verzicht auf Ausschlussflächen. Durch die Änderung des Landesplanungsgesetzes habe die Landesregierung „ein Jahr verloren“.