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Zu viel Naturschutz bremst den Stromnetzausbau, meint Wirtschaftsminister Rösler. Die Grünen sind empört.

Berlin - Die Forderung von Wirtschaftsminister Philipp Rösler, Naturschutzregeln zugunsten eines schnelleren Ausbaus der Stromnetze auszuhebeln, stoßen auf heftigen Protest beim Bundesamt für Naturschutz (BfN).

BfN-Präsidentin Beate Jessel sagte unserer Zeitung: „Es ist bedauerlich, wenn der Naturschutz und die Energiewende als Gegensätze hingestellt werden.“ Es könne im Zusammenhang mit dem Netzausbau nicht darum gehen, den Naturschutz auszusetzen. „Wir müssen vielmehr die Belange des Naturschutzes frühzeitig bei der Trassenplanung einbinden, um mögliche Konfliktpunkte zu identifizieren und dann auszuräumen.“ Wenn dies gelinge, trage es zu einer besseren Akzeptanz der Projekte bei. „Wir brauchen nämlich transparente Entscheidungen und Planungsprozesse.“ Jessel weiter: „Ich kenne kein Projekt, das wegen eines Schutzgebietes gescheitert ist.“ Es müsse aber zu einem frühen Planungszeitpunkt darauf geachtet werden, dass Hochspannungsleitungen nicht etwa Zugkorridore von Vögeln zerschneiden oder das Landschaftsbild stören.

Rösler, der als Wirtschaftsminister für den Ausbau der Stromnetze verantwortlich ist, hatte in einem FAZ-Interview gefordert, Naturschutzregeln außer Kraft zu setzen, damit zügiger Stromautobahnen gebaut werden können: „Dabei geht es vor allem um die Fauna-Flora-Habitat sowie die Vogelschutzrichtlinie. Da müssen wir ran.“

Klagemöglichkeiten einschränken?

Jedem Beteiligten müsse klar sein, dass auf die Herausforderungen der Energiewende auch unbequeme Antworten zu geben seien. Rösler sagte weiter: „Uns wäre bereits geholfen, wenn wir zum Beispiel beim Durchqueren von Schutzgebieten einen Teil der EU-Regeln auf Zeit außer Kraft setzen könnten.“

Mit dem neuen Netzausbaubeschleunigungsgesetz wurden bereits Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfacht. Bis zum Ende des Jahres will die Regierung festlegen, wo genau neue Höchstspannungsleitungen mit einer Länge von bis zu 3800 Kilometer verlaufen sollen, damit der Windstrom vom Norden in den Süden transportiert werden kann.

Rösler will zudem die Klagemöglichkeiten gegen Energieprojekte einschränken. Bis Jahresende werde der gesetzliche Rahmen für den künftigen Netzausbau stehen. „Dabei müssen wir den Planungs- und Bauprozess beschleunigen. Es reicht aus meiner Sicht, wenn mit dem Bundesverwaltungsgericht eine einzige Gerichtsinstanz angerufen werden kann“, so Rösler weiter.

Einigung mit Altmaier schwierig

Hintergrund ist: Die Betreiber der Stromnetze müssen bisher vor dem Beginn von Bauarbeiten, je nach Bundesland, teils strenge Naturschutzbestimmungen erfüllen. Dabei gilt es etwa, seltene Tiere umzusiedeln oder Waldgebiete, die später gerodet werden sollen, zunächst nächtelang mit Scheinwerfern auszuleuchten, damit sich keine Fledermäuse mehr darin aufhalten. Wieder andere Vorschriften verlangen, dass für jeden Baum, der gefällt wird, an anderer Stelle drei neue Bäume gepflanzt werden.

Ob Rösler mit seinem Vorstoß Erfolg hat, ist sehr zweifelhaft: Wenn er den Naturschutz lockern will, müsste er dafür EU-Recht ändern und sich vorher am Kabinettstisch mit Umweltminister Peter Altmaier (CDU) einigen. Beide Vorhaben sind so gut wie aussichtslos.