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Endlich mal gute Nachrichten von der Erdwärme: In Bruchsal ging am Freitag (18.12) das erste Geothermie-Kraftwerk Baden-Württembergs an den Start.

Bruchsal/Stuttgart - Wir erinnern uns: In Staufen hat eine harmlose Bohrung in nur wenige Meter Tiefe die Innenstadt anheben lassen. Schorndorf droht gerade dasselbe Unheil. In Bad Urach bewegt sich seit Jahren gar nichts. Und in Basel bebte die Erde Ende 2006 so stark, dass es noch im Schwarzwald zu spüren war.

Die Folge: Nicht nur herbe finanzielle Verluste für die Projektbetreiber, sondern auch ein gehöriger Imageschaden. Geothermie - ob nun oberflächennah zum Heizen von Häusern oder Tiefengeothermie zur Stromerzeugung - wandelte sich von der einst vielversprechendsten zu einer der umstrittensten Formen der erneuerbaren Energiegewinnung.

Nach all den Negativschlagzeilen hatte die Branche am Freitag endlich mal wieder Grund zur Freude: In Bruchsal ging Baden-Württemberg erstes Geothermie-Kraftwerk an den Start. Mit 550 Kilowatt Leistung versorgt die von der EnBW mitbetriebene Anlage 1200 Haushalte mit - nahezu CO2-freien - Strom. Später sollen die Häuser mit Abwärme auch beheizt werden.

Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) zeigte sich vorsichtig optimistisch. Sie sprach von einem "wichtigen Meilenstein" für die klimafreundliche Technologie. Von einem Durchbruch sei man allerdings noch weit entfernt. Das Problem sind nach wie vor die hohen Kosten für Bohrungen; verbunden mit der latenten Gefahr, die Erde in Wallung zu bringen. Von einer kurz vor dem Abschluss stehenden Studie zum Beben von Basel erhofft sich die Branche neue Erkenntnisse in Bezug auf die Seismik.

"Geothermieprojekte sind von großer Komplexität", sagt Horst Kreuter, Vorstand im Bundesverband Geothermie. Viele Kreditgeber würden in Zeiten wie diesen deshalb lieber auf "einfachere Projekte", etwa im Solarbereich, setzen. Hinzu kommt die sehr lange Entwicklungszeit von drei bis fünf Jahren. Dennoch: Aufgrund seiner thermischen Bodenschätze - im Oberrheingraben herrschen mit die höchsten Temperaturen in ganz Europa - sieht Kreuter für den Südwesten in Sachen Tiefengeothermie eine goldene Zukunft. Die Frage ist nur, wann sie beginnt.

"Wenn alles gut läuft, werden wir in Baden-Württemberg im nächsten Jahr ein laufendes Kraftwerk, mindestens zwei Bohrprojekte und mehrere seismische Erkundungen haben", so Kreuter. In zehn Jahren, prophezeit der Experte, werden zehn bis 15 Kraftwerke im baden-württembergischen Teil des Oberrheingrabens ans Netz gehen. In Brühl und Neuried laufen die derzeit am weitesten gediehenen Projekte. Bruchsal soll als Anschauungsmodell dienen.

Stärker als jede andere Art der sauberen Energiegewinnung ist die (Tiefen-)Geothermie auf die Förderung des Staats angewiesen. Das Bundesumweltministerium steckt immerhin 15 Prozent seiner Mittel aus dem Fördertopf für erneuerbare Energien in die Kraft, die aus der Erde kommt - das ist mehr als ihr Anteil an der Stromgewinnung. Anlagen und Bohrkosten werden mit bis zu fünf Millionen Euro bezuschusst. Der Beitrag, den ein Bundesland wie Baden-Württemberg leisten kann, ist dagegen eher symbolisch: Bis 2012 stehen für Forschungsprojekte 300 000 Euro zur Verfügung.

Viel zu wenig, kritisieren die Grünen und meinen nicht nur die Landesregierung. Auch die Jahr für Jahr Milliardengewinne scheffelnden Energieversorger halten sich ihrer Ansicht nach zu sehr zurück. In Bruchsal engagieren sich die EnBW und die Bruchsaler Energie- und Wasserversorgung mit 17 Millionen Euro. Um das "realistische Ziel" (Untersteller) zu erreichen, 2050 Deutschland zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu versorgen, seien jedoch ganz andere Summen vonnöten. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende denkt langfristig und verweist auf eine Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung des Bundestags. Darin wird bei der Tiefengeothermie von einem Stromerzeugungspotenzial ausgegangen, das in etwa dem Umfang aller Braunkohle- und Atomkraftwerke in Deutschland entspricht. Untersteller: "Wir wären mit dem Klammeraffen gepudert, wenn wir diese Chancen schleifen ließen."