27.000 Stuttgarter, dass Stuttgart von 2014 an alle Energienetze und die Wasserversorgung übernehmen und allein betreiben soll. Foto: dpa

Stadtverwaltung informiert zunächst über Thema Energie- und Wasserversorgung.

Stuttgart - Über das Bürgerbegehren zur Energie- und Wasserversorgung wird der Gemeinderat erst im September entscheiden. Bis dahin will die Stadtverwaltung in Infoveranstaltungen deutlich machen, dass sie auf der Linie der Antragsteller liegt.

Nur Rolf Schlierer, der Einzelstadtrat der Republikaner, wollte im Gemeinderat den von der Aktion Stadtwerke angestrengten Bürgerentscheid sofort ablehnen. In einem Begehren dazu fordern 27.000 Stuttgarter, dass die Stadt von 2014 an alle Energienetze und die Wasserversorgung übernehmen und allein betreiben soll. „Man sollte die Sache nicht vor sich herschieben“, widersprach Schlierer dem Vorschlag, den Beschluss gegen den Bürgerentscheid erst nach der Sommerpause zu treffen.

Die große Mehrheit im Gemeinderat hat es dagegen nicht eilig. In der Zielsetzung, die Netze in die eigene Regie zu bringen, sehen sich die Fraktionen im Gemeinderat – mit Ausnahme der sechs FDP-Räte – nämlich mit den Bürgern völlig einig. Das betonten Jochen Stopper (Grüne), Alexander Kotz (CDU), Manfred Kanzleiter (SPD), Jürgen Zeeb (Freie Wähler) und Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke) ausdrücklich. Weil es also inhaltlich gar keinen Konflikt mit den Bürgern gebe, schieben sie die Ablehnung des Bürgerbegehrens auf. Abgelehnt werden müsse aus rechtlichen Gründen, sagen alle bis auf SÖS/Linke.

Zurückziehen können die Vertrauensleute der Aktion Stadtwerke Bürgerbegehren nicht

Nun soll bis September in Infoveranstaltungen über das komplizierte Konzessionsverfahren und die Ausrichtung der Stadtwerke informiert werden. Man wolle „so weit kommen, dass das Bürgerbegehren nicht mehr notwendig ist“, sagt Alexander Kotz. Seine Fraktion schlägt, unterstützt von OB-Kandidat Sebastian Turner, Planungszellen (Kleingruppen) vor, in denen die Bürger ihre Meinung äußern könnten.

Zurückziehen können die vier sogenannten Vertrauensleute der Aktion Stadtwerke das Bürgerbegehren nicht. Im jetzt gewählten Aufschub liegt daher auch ein Risiko. Jeder der 27 000 könnte die Stadt wegen Untätigkeit verklagen. „Dann käme das Thema sofort auf die Tagesordnung“, sagt Finanzbürgermeister Michael Föll. Die Verwaltung wolle „in den nächsten Monaten die Gemeinsamkeiten vertiefen“, so Föll. Im Dialog mit den Bürgern über die Ausgestaltung des neuen Stadtwerks wolle man „ein Stück politischer Kultur in der Stadt wieder herstellen, um gemeinsame Ziele zu erreichen“. Heute um 19 Uhr ist im Rathaus dazu eine erste Veranstaltung, Thema sind die Konzessionsvergabe und deren Fallstricke.

Die begehrten Leitungsnetze sind in Stuttgart bis Ende 2013 an die Energie Baden-Württemberg (EnBW) vergeben. Um die neue, wieder 20 Jahre laufende Konzession kann sich jeder bewerben. Für die Vergabe ist der Gemeinderat zuständig. Die Räte sehen sich damit in einer Doppelrolle. Mit dem neu gegründeten Stadtwerk wollen sie, bis auf die FDP, selbst eine Versorgung aufbauen, die auf dem Stromsektor auf erneuerbare Energie setzt. Das Stadtwerk geht nicht nur mit einem Solo-Angebot ins Rennen, es sucht außerdem noch einen Juniorpartner, um mit einem zweiten Angebot seine Chancen auf den Zuschlag zu erhöhen.

Das Problem des Bürgerbegehrens liegt laut einem Rechtsgutachten im Auftrag der Stadt darin, dass ein positiver Entscheid für die Konzessionsvergabe an die Stadtwerke den Rat bindet. Er muss aber ergebnisoffen und diskriminierungsfrei sein. Wettbewerber könnten den Entscheid also zur Klage nutzen. Dieser Weg ist den Fraktionen zu riskant. Einschlagen würden ihn nur die Aktion Stadtwerke und im Rat die Fraktion SÖS/Linke. Deren Sprecher Rockenbauch kritisierte die „taktische Verschiebung“, nannte die Neugründung der Stadtwerke aber eine „erfreuliche Entwicklung“. Er erinnerte daran, dass diese sich „nicht ohne den Druck der Bürger“ ergeben habe.