Prokon-Werbung an Schaufenster. Mittlerweile ist Prokon insolvent. Doch es gibt Interessenten Foto: dpa

Deutschlands drittgrößter Energieversorger EnBW streckt die Fühler zum insolventen Windparkentwickler Prokon aus. Offiziell schweigt das Unternehmen zwar zu Übernahmeplänen, nahe läge ein Einstieg der Karlsruher aber schon. Einige Fragen und Antworten:

Karlsruhe/Itzehoe - Was ist über das mögliche Geschäft bislang nach außen gedrungen?
Nicht viel, weil alle Beteiligten schweigen. „Wir äußern uns dazu nicht“, heißt es unisono von der EnBW als auch vom Büro des Prokon-Insolvenzverwalters Dietmar Penzlin. Mit Bezug auf „informierte Kreise“ hatte das Handelsblatt allerdings berichtet, die Karlsruher EnBW biete für die Windenergie-Firma eine Summe von „gut 500 Millionen Euro“. Für EnBW wäre es die zweite Großinvestition innerhalb weniger Monate. Im Juli 2014 hatte man einen 50-Prozent-Anteil an den Gasfirmen GVS und Terranets erworben. Fachleute gingen damals von einem – niemals bestätigten – Kaufpreis von 150 Millionen Euro aus.
Warum sollte die EnBW Interesse an einem Pleite-Unternehmen haben?
Der Atom- und Kohlekraftlastige EnBW-Konzern steckt mitten im Wandel. Ab dem Jahr 2020 sollen Erneuerbare Energien zu einem der Hauptgeschäftsfelder werden und jedes Jahr 700 Millionen Euro Gewinn einfahren. Die Ökostromerzeugung der EnBW soll von 19 Prozent im Jahr 2012 auf 40 Prozent mehr als verdoppelt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, investiert man in eigene Windparks an Land und vor den Küsten. Ganz ohne Zukäufe wird es aber dennoch nicht gehen, zumal die guten Windstandorte in Deutschland so langsam knapp werden.
Welche Geschäfte macht Prokon genau?
Prokon – kurz für Projekte und Konzepte – wurde 1995 mit dem Ziel gegründet, in Öko-Energien zu investieren. Dazu sammelte man bis zur Insolvenz Anfang 2014 gut 1,4 Milliarden Euro, vor allem bei rund 75 000 Privatanlegern ein und investierte sie schwerpunktmäßig in Windparks, aber auch in den Biomasse- und Biokraftstoffbereich. Stand 2014 verfügte die Firma aus Itzehoe über Windanlagen mit einer Leistung von 500 Megawatt und war damit noch vor Firmen wie Dirkshof, WPD, Pool Nord, Enertrag, Juwi oder WKN der größte Windradbetreiber Deutschlands. In der Prokon-Projektpipeline sind zudem Anlagen mit 170 Megawatt Leistung. Ein großes Fragezeichen steht dagegen hinter den in den Jahren vor der Insolvenz stark ausgeweiteten Aktivitäten im Bereich Holzverarbeitung und Biomasse. Das Prokon-Geschäft hier blieb immer undurchsichtig. Gleichzeitig soll bis zur Hälfte der Belegschaft in dem Bereich gearbeitet haben. Nach Angaben der Insolventverwaltung verkauft Prokon zudem Strom an Firmen und Haushalte.
Über welche Trümpfe verfügt Prokon?
Prokon schlitterte in die Insolvenz, weil es mit hohen Renditeversprechen kurzfristig Geld einsammelte und dieses in langfristige Projekte steckte. Als Investoren unerwartet Gelder abzogen, geriet die Firma in Schieflage. Insider sagen dennoch, Prokon verfüge über ein „gesundes Kerngeschäft“. Gemeint ist damit der Betrieb der Windanlagen. Vor allem in Ostdeutschland hat Prokon „sehr lukrative Windparks“, wie es aus der Branche heißt. Zudem ist Prokon schwerpunktmäßig in Deutschland aktiv, was das Geschäft planbar macht. Dies passt zur Strategie der EnBW, die sich – anders als die Konkurrenten Eon oder RWE – als nationaler Versorger sieht, der allenfalls in ausgewählten Auslandsmärkten wie der Türkei investiert. Dem Vernehmen nach entschied sich der Konzern deshalb vor einigen Monaten gegen einen Einstieg beim rheinland-pfälzischen Prokon-Konkurrenten Juwi. Dieser ist weniger auf Deutschland fixiert.
Wie wahrscheinlich ist es, dass EnBW bei Prokon tatsächlich zum Zug kommt?
Neben EnBW haben auch andere ihren Hut in den Ring geworfen. Vor wenigen Tagen machte etwa der Hamburger Solar- und Windparkbetreiber Capital Stage ein Kaufangebot über knapp 95 Prozent der Prokon-Anteile. Mit Bezug auf Insider-Quellen berichtete das Handelsblatt nun, das EnBW-Angebot sei bislang „das attraktivste“.
Wie geht es jetzt weiter?
In dieser Woche Fällt im Prokon-Gläubigerausschuss die Entscheidung für einen Investor. Das bedeutet allerdings noch nicht, dass dieser dann auch zum Zug kommt. Denn Insolvenzverwalter Penzlin verfolgt neben der Idee, Prokon an einen Investor zu verkaufen, noch eine andere Option. Diese besteht darin, das nötige Geld für eine Sanierung des Itzehoer Unternehmens von den bisherigen Genussrechteinhabern zu besorgen, die das Unternehmen dann in eine Energie-Genossenschaft umwandeln könnten. Diese Idee wird maßgeblich vom Verein „Freunde von Prokon“ getragen, in dem sich gut 10 000 Gläubiger versammelt haben. Ob Prokon mittels eines Investors oder durch die Genossenschaftslösung saniert wird, entscheidet die Gläubigerversammlung letztendlich im Juli. Welche Lösung für Zehntausende Prokon-Gläubiger besser ist, ist derzeit noch nicht zu sagen. Klar ist nur, dass es in jedem Fall zu erheblichen Verlusten des eingesetzten Kapitals kommen wird.