Strom wird weiter ankommen – wer ihm den Weg durch die Stadt ebnet, ist ungewiss. Foto: dapd

Bürgerinitiativen und Stadträte überlegen, wie die Verträge über Energienetze aussehen müssen.

Stuttgart - An diesem Donnerstag will der Gemeinderat die Kriterien für die Vergabe der Konzessionen für die Strom-, Gas- und Fernwärmenetze fixieren. Bei der letzten Vorberatung herrschte im Verwaltungsausschuss über das Meiste Einigkeit, aber auch Unklarheit bei einer Frage: Wie soll sich die Stadt für den Fall wappnen, wenn beim Vertragspartner plötzlich ein anderer Gesellschafter das Sagen hat? Das Stichwort dafür lautet „Kontrollwechsel“.

Das ist vor allem von Bedeutung, falls die Stadtwerke Stuttgart mit einem Kooperationsunternehmen den Netzbetrieb übernehmen sollten. Manche, vor allem bei den Bürgerinitiativen, fordern, die Stadt müsse die Verträge schon dann vor Ablauf der normalen 20 Jahren kündigen können, wenn beim Kooperationsunternehmen 25 Prozent der Anteile wechseln. „Da geht die Angst um, dass morgen Gazprom oder ein anderer Investor einsteigt und beim Netzbetrieb mitmischt“, heißt es im Rathaus. Bisher ist vorgesehen, dass die Stadt kündigen kann, wenn ein Gesellschafter beim Partnerunternehmen mehr als 50 Prozent erlangt.

Die Meinungen im Gemeinderat gehen auseinander. Die Fraktion SÖS/Linke will die Regelung. OB Wolfgang Schuster und die CDU befürchten, dass damit von vornherein Kooperationspartner abgeschreckt würden. Die Stadt müsse eher darauf achten, dass der unternehmerische Kurs des Partnerunternehmens vertraglich festgeschrieben wird, lautet ein anderes Gegenargument. Am Mittwoch hatten einige Fraktionen noch Beratungsbedarf. Die Entscheidung fällt daher erst heute. Danach werden die zehn Interessenten für die Netze über die Anforderungen unterrichtet. Sie unterbreiten dann Angebote, die die Stadt nicht veröffentlichen kann. „Das würde den Wettbewerb verzerren“, sagen die Rechtsexperten der Stadt.

Vergabeverfahren muss wasserdicht sein

Das Prozedere der Vergabe ist kompliziert. Nach der Rechtslage müssen ohne Vorbehalte Unternehmen bedacht werden, die für die nächsten 20 Jahre für eine sichere Versorgung mit Strom, Gas und Fernwärme sorgen. Das wäre nicht so schwer, möchten nicht auch die Stadtwerke Stuttgart als Tochterunternehmen der Stadt Stuttgart zum Zuge kommen. Wählt die Stadt sie aus, wird man genau hinschauen – wie beim Trainer in der Fußballjugend, der seinen Filius auf das Spielfeld schickt. Entsprechend wasserdicht muss das Vergabeverfahren sein. Sonst könnte es nach der Vergabe Klagen der unterlegenen Bewerber hageln.

Grundsätzlich gibt es drei Varianten: Die Stadt kann die Konzessionen vollständig an den Eigenbetrieb Stadtwerke geben. Sie kann sie vollständig an ein Privatunternehmen geben, oder sie kann den Auftrag an ein privat-öffentliches Kooperationsunternehmen erteilen. Entscheidend wird sein, welcher Bewerber sich in dem Auswahlverfahren mit offenem Ausgang durchsetzt. Der Bewerber muss dafür sorgen, dass die Energieversorgung stabil ist, dass effizient gearbeitet und verbraucherfreundlich gehandelt wird. Die Energie muss kostengünstig und umweltschonend durch die Netze fließen können. Aus diesen Gesichtspunkten setzt sich der Kriterienkatalog zusammen, über den der Gemeinderat entscheidet. Verschiedene Bürgerinitiativen haben sich mit ihren Vorschlägen darin eingebracht. Ob die Bewerber die Kriterien erfüllen, wird mit einem Punktesystem bewertet. Maximal 270 Punkte kann ein Bewerber erreichen.

„Anders als früher haben wir das Gefühl, dass die Stadt mit offenen Karten spielt“

Landet ein Privatunternehmen auf Platz eins, muss es den Zuschlag erhalten. Landen die Stadtwerke auf Platz eins, kann die Stadt den Auftrag an die Stadtwerke erteilen. Landen auf den ersten beiden Plätzen zwei Kooperationsunternehmen, gibt es eine Art Stichwahl zwischen beiden. Entscheidend ist dann, bei wem die Stadt mehr Einfluss behält. Dafür gibt es einen eigenen Kriterienkatalog mit noch einmal 100 Punkten.

OB Wolfgang Schuster bedauerte in den letzten Tagen wie auch die Fraktionen, dass die Bürger im weiteren Verfahren außen vor sind. Ausnahme: Im Herbst sollen die Bewerber ihre Geschäftsmodelle öffentlich vorstellen – wenn sie wollen. Außerdem sollen Vertretern der Stadtwerke mit den Bürgerinitiativen reden. Martin Böhler von der Aktion Stadtwerke ist zufrieden damit. „Anders als früher haben wir das Gefühl, dass die Stadt mit offenen Karten spielt.“