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Stephan Kohler von der Deutschen Energie-Agentur nimmt den Bund in die Pflicht.


Berlin nwa– Herr Kohler, welche Erwartungen knüpfen Sie an den Energiegipfel?
Wir haben 16 Bundesländer, die alle eigenständige Konzepte für die Umsetzung der Energiewende entwickelt haben. Dazu gehören auch Zielvorgaben für den Ausbau regenerativer Energien. Das Problem ist, dass sich diese Strategien teilweise sehr stark von den Planungen der Bundesregierungen unterscheiden. Es ist absolut notwendig, dass sich die Planungen des Bundes und der Länder vereinheitlichen. Wir brauchen gemeinsame Zieldefinitionen.

Also hat die Bundesregierung ihre Koordinationsaufgabe nicht erfüllt . . .
Ja, eindeutig. Es gibt jedenfalls auf der Ebene der Länder teilweise viel ehrgeizigere Planungen als beim Bund. Die müssen zusammengeführt werden.

Ist die Versorgungslage nach dem Abschalten der Atomkraftwerke kritisch?
Wir hatten in Januar und Februar kritische Situationen. Da hätte nicht noch ein weiteres Kraftwerk ausfallen dürfen, ohne dass es zu Stromausfällen gekommen wäre. Um das in Zukunft zu vermeiden, brauchen wir schnell – besonders in Süddeutschland – den Bau neuer Gaskraftwerke.

Was sollte den Stromversorger heute dazu animieren, Gaskraftwerke zu bauen?
Richtig ist, dass die Verunsicherung sehr groß ist. Es gibt im Markt nicht die Preis-Signale, damit sich neue Kraftwerke rechnen. Deshalb sind die Versorger äußerst zurückhaltend. Die Baubeschlüsse fehlen.

Die klassische Antwort der Politik wäre die Subvention neuer Gaskraftwerke.
Subventionierung brauchen wir nicht. Wir brauchen einen Kapazitätsmarkt für gesicherte Leistung. Dazu muss die Politik eine Vorschau erstellen, wie viel Stromnachfrage in den Jahren 2015 bis 2020 auftritt. Dann muss man gesicherte Leistung ausschreiben. Die besten Angebote werden genommen.

Hält denn der Trassenausbau mit den Anforderungen der Energiewende Schritt?
Nein. Da gibt es ein klares Auseinanderklaffen. Etwa der Ausbau der Windenergie im Norden Deutschlands ist viel schneller als der Netzausbau. Deshalb gibt es heute schon in manchen Regionen die Situation, dass bei viel Wind Windkraftwerke abgeriegelt werden müssen, weil der Strom nicht mehr wegtransportiert werden kann. Der Zubau regenerativer Stromerzeugung und der Ausbau der Infrastruktur müssen dringend synchronisiert werden.

Wem sollen die Netze in Zukunft gehören?
Die Übertragungsnetze sind ja im Besitz der vier Netzbetreiber. Ich schlage vor, dass man gerade für den Ausbau der Offshore-Netze, aber auch für die großen Gleichstrom-Übertragungstrassen eine neue Netz-AG gründet – eine Gesellschaft, die diese großen Projekte finanzieren und das Risiko übernehmen kann. Der Bund sollte dabei eine Minderheitsbeteiligung halten.